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EMA veröffentlicht „Good Praxis“-Leitfaden bezüglich Medikationsfehlern

Berichterstattung, Bewertung und Vermeidung sollen verbessert werden

REMAGEN (hb) | Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hat einen Leitfaden zur Guten Praxis bezüglich Medikationsfehlern veröffentlicht. Damit sollen die Berichterstattung, Bewertung und Vermeidung von Medikationsfehlern durch die Arzneimittelbehörden und die Pharmaindustrie in der gesamten EU verbessert werden. Parallel dazu hat die Agentur eine neue Webseite gestartet. Dort sollen sukzessive Maßnahmen-Empfehlungen zur Vermeidung von Medikationsfehlern für bestimmte Arzneimittel eingestellt werden. Sie soll zu einem fixen Bezugspunkt für die Angehörigen der Gesundheitsberufe und für Patienten werden.

Die neue Pharmakovigilanz-Gesetzgebung der Europäischen Union von Juli 2012 hat in Bezug auf Medikationsfehler eine Reihe von Änderungen gebracht. Unter anderem wurden sie ­explizit in den Katalog der berichtspflichtigen unerwünschten Arzneimittelwirkungen aufgenommen. Zur Unterstützung der Umsetzung der neuen Bestimmungen wurde die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) damit beauftragt, zusammen mit ihrem regulatorischen Netzwerk spezielle Empfehlungen zu der Thematik zu entwickeln. Hierzu fand im Jahr 2013 eigens ein großer Stakeholder-Workshop in London statt. Außerdem wurde ein gemeinsamer Aktionsplan der EMA und des Gremiums der EU-Zulassungsbehörden (Heads of Medicines Agencies, HMA) zu Medikationsfehlern vereinbart (EMA/20791/2014). Mit dem neuen „Good Practice Guide“ hat die EMA nun „geliefert“ und stellt den Herstellern und den Behörden eine klare Handlungsanweisung zur Verfügung, damit sie ihren Verpflichtungen ordnungsgemäß nachkommen können.

Foto: EMA

Parallel zu ihrem Leitfaden hat die EMA auf ihrer Website einen neuen Bereich geöffnet, in dem sukzessive Maßnahmen-Empfehlungen zur Vermeidung von Medikationsfehlern für bestimmte Arzneimittel eingestellt werden.

Der EMA Good Practice Guide

Der Leitfaden besteht aus zwei Teilen:

  • Der erste Teil (EMA/762563/2014)beschreibt, wie die vermuteten Nebenwirkungen, die durch Fehler bei der Medikation verursacht werden, aufgezeichnet, codiert, berichtet und bewertet werden sollten.
  • Der zweite Teil des Guides (EMA/606103/2014) befasst sich mit den Grundsätzen der Risiko­managementplanung in Bezug auf Medikationsfehler. Es beschreibt die wichtigsten Quellen und Arten von Fehlern bei der Arzneimitteltherapie und schlägt Optionen vor, mit denen das Risiko von Medikationsfehlern im Laufe des Lebens eines Arzneimittels minimiert werden kann.

Was ist ein Medikationsfehler?

Medikationsfehler mit schädlichen Wirkungen fallen unter den Nebenwirkungsbegriff, bilden jedoch nur einen Teilaspekt. Zu den unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) gehören außerdem diejenigen, die bei bestimmungsgemäßem Gebrauch zu erwarten sind sowie diejenigen bei Verwendung außerhalb der Zulassung einschließlich absichtlicher Überdosierung, Off-label-Gebrauch und Fehlgebrauch bzw. Missbrauch. Für die Zwecke des Leitfadens wird der Begriff „Medikationsfehler“ ausdrücklich eingeschränkt auf einen unbeabsichtigten Fehler im Prozess der Arzneimitteltherapie, der dazu führt oder führen könnte, dass dem Patienten ein Schaden entsteht. Solche Fehler können aus vielen Gründen bei der Verschreibung, Abgabe, Lagerung, Zubereitung oder der Verabreichung eines Medikaments auftreten. Die EMA beruft sich auf ihrer Webseite auf Schätzungen, nach denen bei Patienten im Krankenhaus 18,7% bis 56% der unerwünschten Ereignisse durch Medikationsfehler verursacht werden sollen.

Fehler „abfangen“

Nicht alle Medikationsfehler müssen zu einem Schaden für die Patienten führen. Zu der Abgrenzung nimmt der neue Good Practice Guide detailliert Stellung. Hiernach gilt eine Nebenwirkung als Folge eines Fehlers bei der Medikation als vermeidbar, im Gegensatz zu einer meist nicht vermeidbaren Nebenwirkung, die etwa in der Packungsbeilage aufgeführt und für die Wahrscheinlichkeit eines Schadens an den Patienten bekannt und akzeptiert ist. Ein Fehler, der zwar passiert ist, aber erkannt wurde, bevor er den Patienten erreicht hat, wird dort als „abgefangener“ Fehler bezeichnet. Hiermit kann eine mögliche unerwünschte Wirkung verhindert werden.

Medikationsfehler genau dokumentieren

Die Überwachung und Meldung von Medikationsfehlern gehört zu den Aufgaben der pharmazeutischen Unternehmer im Rahmen ihre normalen Pharmakovigilanz-Verpflichtungen. Die Berichterstattung ist wichtig, um weitere Fehler zu vermeiden. Die Arzneimittelbehörden überprüfen Anzeigen von Medikationsfehlern im Rahmen der Standard-Sicherheits-Überwachung eines Arzneimittels. Als primäre Quelle für Informationen spielen die Gesundheitsberufe eine Schlüsselrolle. Sie werden dazu aufgefordert, Medikationsfehler zu melden, an denen sie entweder selbst beteiligt waren oder von denen sie durch Verbraucher, Patienten oder sonstige Dritte erfahren haben. Sie sollten in solchen Fällen so viel Informationen wie möglich bereitstellen, damit diese nachher adäquat beurteilt werden können.

Haftung ausgeschlossen?

Niemand wird gerne einen Medikationsfehler melden wollen, an dem er eventuell eine Mitschuld tragen könnte. Auch auf dieses Problem geht der neue Leitfaden kurz ein. EU-weit harmonisierte Rechtsvorschriften hinsichtlich etwaiger Haftungsansprüche, die durch Pharmakovigilanz-Meldungen ausgelöst werden könnten, gibt es nicht, heißt es dort. Einige EU-Mitgliedstaaten verfolgen entweder eine Politik der Nicht-Schuld oder sie haben für Medikationsfehler eine anonyme Berichterstattung eingeführt. Um Haftungsrisiken zu minimieren, schlägt der Guide vor, dass ein pharmazeutischer Unternehmer, der ein ihm gemeldetes unerwünschtes Ereignis als Medikationsfehler einstuft und an die Behörde berichtet, einen Disclaimer, etwa mit folgendem Wortlaut dazusetzt: „Diese Meldung eines Verdachtsfalls einer unerwünschten Arzneimittelwirkung und Einstufung als Medikationsfehler erfolgt lediglich zur Erfüllung der Pharmakovigilanz-Verpflichtungen des pharmazeutischen Unternehmers. Die Einstufung als Medikationsfehler soll in keiner Weise darauf abzielen oder als Unterstellung interpretiert werden, dass irgendein Dritter zu dem Fehler beigetragen hat oder für das Auftreten des Medikationsfehlers haftbar gemacht werden sollte.“

Schulungsprogramme zur Risikominimierung

Risikominimierungs-Maßnahmen zur Verhinderung von Medikationsfehlern, um die es im zweiten Teil des Leifadens geht (EMA/606103/2014) obliegen im Wesentlichen den nationalen Behörden und der EMA, aber auch den Gesundheitsberufen wird eine wichtige Bedeutung dabei zugeschrieben. In diesem Zusammenhang wird die Rolle der Apotheker mit ihrer Beratung bei der Abgabe und Begleitung der Therapie besonders betont. In einigen Fällen werden zusätzliche Maßnahmen für notwendig gehalten, um die bestimmungsgemäße Anwendung und Behandlung sicherzustellen. Hierzu ge­hören spezielle Arzneimittel-bezogene Schulungsprogramme für medizinisches Fachpersonal und Patienten. Diese will die EMA nun auf der neuen Webseite (www.ema.europa.eu/ema/ → find medicine → human medicines → Recommendations on medication errors) systematisch bekannt machen soweit sie auf EU-Ebene beschlossen werden. Sieben Empfehlungen zu Blincyto, Ionsys, Farydak, Antidiabetika mit Insulin und nicht-Insulin-Wirkstoffen, Hochdosis-Insulinen, Strensiq und Velcade sind dort bereits eingestellt. |

Literatur

Good practice guide on recording, coding, reporting and assessment of medication errors of 23 October 2015 (EMA/762563/2014)

Good practice guide on risk minimisation and prevention of medication errors 18 November 2015 (EMA/606103/2014)

Medication Errors - Follow-up Actions from Workshop. Implementation Plan 2014 - 2015 of 15 April 2014 (EMA/20791/2014)

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