Arzneimittel und Therapie

Anticholinergika fördern Demenz

Bei älteren Patienten nach Alternativen suchen

ck | Bisher ging man davon aus, dass Anticholinergika-induzierte Veränderungen der kognitive Fähigkeiten vorübergehend sind und nach dem Absetzen wieder verschwinden. Nun weisen die Ergebnisse einer prospektiven Untersuchung darauf hin, dass Anticholinergika auch langfristig das Risiko erhöhen, eine Demenz zu entwickeln.

Viele Wirkstoffe beeinflussen das cholinerge System. Erwünscht ist eine anticholinerge Aktivität zum Beispiel bei Antiemetika, Spasmolytika, Bronchodilatatoren, Parkinsonmedikamenten und Mydriatika. Unerwünscht sind anticholinerge Nebenwirkungen zum Beispiel bei Antidepressiva, Antihistaminika oder Analgetika. Bisher ging man davon aus, dass die anticholinergen Nebenwirkungen am Zentralnervensystem, die von Benommenheit und Konzentrationsschwierigkeiten bis zu Gedächtnisstörungen und starken kognitiven Einschränkungen reichen, bald nach dem Absetzen vorbei sind und dass auch kognitive Einschränkungen reversibel sind. In einer populationsbasierten Kohortenstudie wurde nun untersucht, wie sich die Einnahme von Arzneistoffen mit anticholinerger Wirkung langfristig auf die Entwicklung von Demenzerkrankungen auswirkt. Dazu wurden zwischen 1994 bis 1996 3434 ältere Patienten (über 65 Jahre) eingeschlossen, die zu Beginn der Studie keine kognitiven Einschränkungen aufwiesen. Über zehn Jahre wurden die Krankheitsgeschichte und Daten aus den Apotheken zu den abgegebenen Arzneimitteln einschließlich OTC-Arzneimitteln ausgewertet. Es wurde für jede Verordnung eines Arzneimittels mit einer anticholinergen Wirkung bezüglich Stärke und Anzahl der Tabletten eine standardisierte tägliche Dosierung (standardized daily dose, SDD) berechnet und für jeden Patienten eine kumulative Anticholinergika-Exposition ermittelt. Dabei wurden die Patienten in verschiedenen Klassen eingeteilt: keine anticholinergen Wirkstoffe, 1 bis 90 kumulierte standardisierte tägliche Dosierungen, 91 bis 365 kumulierte SDD, 366 bis 1095 bzw. über 1095 kumulierte SDD. Die Patienten wurden alle zwei Jahre in einem Follow-up bezüglich ihrer geistigen Entwicklung untersucht. Diese Daten wurden für die folgenden zehn Jahre mit den Diagnosen einer Demenz-Erkrankung verglichen. Während der mittleren Nachbeobachtungszeit von 7,3 Jahren entwickelten 797 Teilnehmer (23%) eine Demenz. Es zeigte sich, dass das Risiko für eine Demenz mit der Menge der eingenommenen anticholinergen Wirkstoffe und der Einnahmedauer zunahm. Das Demenzrisiko betrug bei 91 bis 365 kumulierten SDD 19%, bei 366 bis 1095 kumulierten SDD 23% bzw. bei über 1095 kumulierten SDD 54% im Vergleich zu den Patienten, die keine anticholinergen Wirkstoffe eingenommen hatten.

Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die verschreibenden Ärzte sich der möglichen Assoziation einer anticholinergen Medikation mit dem potenziellen Demenzrisiko bewusst sein müssen. Bei älteren Patienten sollte vor allem eine Anwendung über einen längeren Zeitraum kritisch bedacht und möglicherweise Alternativen eingesetzt werden. Nicht unterschätzt werden darf, dass häufig auch Arzneistoffe wie Antihistaminika, Spasmolytika und Schlafmittel, die im Rahmen der Selbstmedikation von den Patienten angewendet werden, auch starke anticholinerge Wirkungen haben können. |

Quelle

Gray SL et al. Cumulative Use of Strong Anticholinergics and Incident Dementia - A Prospective Cohort Study. JAMA Intern Med. doi:10.1001/jamainternmed.2014.7663

Campbell NL, Boustani MA. Adverse Cognitive Effects of Medications Turning Attention to Reversibility. JAMA Internal Medicine Published online 26. Januar 2015

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