Gesundheitspolitik

Besser als ein „Cadillac-Plan“

Daniel Bahr zur Krankenversicherung der Zukunft

MÜNCHEN (diz) | Er ist wieder da: Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit a. D., ist als Vertreter der Versicherungswirtschaft unterwegs. Auf dem Kooperationsgipfel des Bundes­verbands Deutscher Apothekenkooperationen (BVDAK) machte er sich Gedanken zur Krankenversicherung der Zukunft.

Für Bahr, der heute als Generalbevollmächtigter der Allianz PKV-AG arbeitet, besteht kein Zweifel: Das deutsche Gesundheitswesen ist ­eines der Besten! Zu dieser Erkenntnis hat auch sein achtmonatiger Aufenthalt in den USA beigetragen, als er eingeladen war, im Thinktank mitzuarbeiten, der sich im Auftrag der US-Administration um ein neues Gesundheitssystem in den USA bemühte. „Dort warf man mir allerdings vor, ein Sozialist zu sein“, erzählte der Ex-Gesundheitsminister schmunzelnd, „das war mir neu, das hatte ich bisher noch nicht gehört.“

Versicherungspflicht und GKV/PKV-System sind richtig

Bahrs Überzeugung: Weder ein rein staatliches noch ein rein privatwirtschaftliches System ist von Vorteil. Ein staatliches System wie in Großbritannien fördere eine Zweiklassenmedizin. Und in Ländern ohne Versicherungspflicht wie den USA könnte eine Zeit der Arbeitslosigkeit oder eine wirtschaftliche Pleite eines Bürgers zu Problemen seiner Gesundheitsversorgung führen. „Aus meiner Sicht ist deshalb eine Versicherungspflicht das Richtige“, so Bahr, „und der Mittelweg, eine ­Mischung aus gesetzlicher und privater Krankenversicherung wie in Deutschland.“

Wie gut unser System sei, zeige auch die Patientenzufriedenheit: Fast 80% der Deutschen sind mit dem Gesundheitssystem zufrieden, „eine Spitzenzahl“, fügte Bahr hinzu, „keiner will im Ausland behandelt werden“. Auch beim aktuellen Thema der Wartezeiten auf einen Facharzt-Termin müsse sich Deutschland nicht verstecken: „In Deutschland sind sie am kürzesten“, weiß Bahr, „in Schweden muss jeder dritte Patient etwa vier Monate auf einen geplanten Eingriff warten.“ Und er untermauerte seine Überzeugung mit der Feststellung: „In den USA heißen leistungsstarke Versicherungen landläufig ‚Cadillac-Plan‘, was so viel bedeuten soll wie der Mercedes unter den Versicherungen“, ­erzählte Bahr, „dabei ist bei uns schon in der Grundversorgung mehr drin als im ‚Cadillac-Plan‘.“

Bahr warnte davor, unser System infrage zu stellen und erteilte einer Einheitsversicherung wie der Bürgerversicherung eine klare Absage: „Meine These: Wir haben ein Krankenversicherungssystem der Vielfalt. Die Menschen können einen Therapeuten, die Apotheke, die Versicherung frei wählen – das tut den Menschen gut.“

„PKV muss mehr als Kostenerstattung bieten“

Durch die fortschreitende Digitalisierung nehme heute die Konsumentensouveränität zu. Krankenversicherungen werden online verglichen und bewertet. Vor diesem Hintergrund müsse auch die Private Krankenversicherung überzeugen und bessere Services bieten. Bahr: „Von der PKA wird heute mehr erwartet als Kostenerstattung. Deshalb bietet die Allianz ihren Versicherten die Direktabrechnung der Arzneimittelkosten an, d. h., sie müssen bei den Arzneimittelkosten nicht mehr in Vorleistung treten, wir rechnen direkt mit den Apotheken ab.“ Die Versicherten schätzten dies. Die Bereitschaft, die Allianz weiterzuempfehlen, sei sehr hoch. Man wolle dies noch ausbauen, denn die Direktabrechnung sei einer der Gründe, warum potenzielle Privatversicherte nicht von der GKV zur PKV wechselten. Außerdem werde man den Versicherten anbieten, ihre Arztrechnungen mit dem Smartphone zu fotografieren und über eine App einzureichen. Überhaupt werde man die Möglichkeiten, die die Digitalisierung bietet, noch stärker für Dienstleistungen nutzen. Eine weitere neue Dienstleistung: Die Allianz bietet bestimmten ­Patienten, die beispielsweise einen Schlaganfall hatten, einen Patientenbegleiter an: „Das wird sehr gut aufgenommen von den Patienten.“

Die größte Herausforderung: mehr Compliance

Den Wettbewerb der beiden Systeme GKV und PKV findet Bahr in Ordnung, beide Systeme profitierten davon. Ein gemeinsamer Bundesausschuss würde andere Entscheidungen treffen, so vermutet der Ex-Gesundheitspolitiker, wenn es die PKV nicht gäbe. Manche Innovation würde nicht oder nicht so rasch den Markt erreichen. Aber auch die PKV lerne von der GKV. Mit Rabattverträgen Kosten zu sparen, sei nicht verkehrt, aber für die PKV nicht umsetzbar. Die PKV sei jedoch erfolgreich mit der Einführung von Selbstbehalten und Eigenbeteiligungen der Patienten – daher weise man die Patienten darauf hin, den Arzt zu bitten, kostengünstige Arzneimittel zu verordnen. Das habe in Verbindung mit der Eigenbeteiligung eine höhere Akzeptanz als eine zwangsweise Vorgabe.

Eine der größten Herausforderungen für die Krankenversicherung der Zukunft sieht Bahr darin, die Patienten zu einer größeren Compliance und Adhärenz anzuhalten. Die Folgekosten, die durch nicht befolgte Arzneitherapien entstünden, seien immens. Bahr: „ Wie schaffen wir es, dass der Patient seine Arzneimittel richtig anwendet?“ |

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