Wirtschaft

Herausforderung Hochpreiser

Wie die Apotheke mit teuren Arzneimitteln umgehen sollte

Strukturveränderungen kennzeichnen seit Jahren die Entwicklung des Arzneimittel­marktes. Die zunehmende Verordnung von Hochpreisern stellt eine Herausforderung für die Apotheke dar. Sie führt zur Veränderung der Kennzahlen der Apotheke, muss liquiditätsmäßig von ihr geschultert werden und ist darüber hinaus mit einer ganzen Reihe von Risiken verbunden.

Der Marktanteil der Hochpreiser hat in den letzten Jahren überdurchschnittlich zugenommen. Bekanntermaßen handelt es sich bei den Hochpreisern um Arzneimittel, deren ApU (Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmens) über 1200 Euro liegt. Das entspricht einem AEK (Apothekeneinkaufspreis) von 1238,50 Euro.

Im Zeitraum von 2012 bis 2014 ­erhöhte sich die Zahl der abgegebenen Hochpreispackungen um rund 18%. Ihr Umsatzanteil stieg dagegen um rund 35%. Das bedeutet eine erhebliche Zunahme des Packungsdurchschnittswertes. ­Allein im Jahr 2014 stieg in der Preisklasse zwischen 1200 Euro und 4000 Euro der Umsatz um 25% und die Zahl der verkauften Packungen um 19%. In der Preisklasse über 4000 Euro waren es sogar 36% beim Umsatz und 16% beim Absatz. Gemäß Insight Health entfallen mehr als 25% der Ausgaben für Fertigarzneimittel auf Hochpreiser. Die Tendenz ist weiter steigend.

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Kennzahlen verändern sich

Die Zunahme von Hochpreisern führt bei den betreffenden Apotheken zu überproportionalem Umsatzwachstum. Umsatzsteigerungsraten im Jahr 2015 bei Apotheken von über 3% weisen in aller Regel auf Umsatzstrukturveränderungen in Verbindung mit Hochpreisern hin. Nicht selten stagniert dabei die Zahl der ab­gegebenen Packungen oder ist sogar rückläufig. Das bedeutet aber auch, dass man sich vom reinen Umsatzdenken, das teilweise immer noch in der Praxis verhaftet ist, lösen muss. Umsatzwachstum bedeutet nicht gleichzeitig Erfolgswachstum. Denn der auf die Apotheke entfallende Wertschöpfungsanteil ist bei Hochpreisern vergleichsweise sehr gering.

Das Kombimodell führt dazu, dass die Apotheke je Packung aus dem Fixaufschlag einen Rohertrag in Höhe von 8,35 Euro generiert. Hinzu kommt der Rohertrag aus dem 3%igen Aufschlag sowie aus den von der Apotheke realisierten Einkaufskonditionen. Im GKV-Bereich führt der Abschlag (1,77 Euro brutto = 1,49 Euro netto) bekanntermaßen zur Kürzung des Rohertrags. Der Einfluss der Preise auf die Kennzahlen geht beispielhaft für verschiedene Arzneimittel aus der Tabelle unten links hervor.

Einfluss von Preisen auf die Kennzahlen, Beispiele für verschiedene ­Arzneimittel (AM)
AM 1
AM 2
AM 3
AEK (Tax) in Euro
10,00
1.238,50
6.000,00
Fixaufschlag in Euro*
 8,35
   8,35
    8,35
Aufschlag 3% in Euro
 0,30
   37,16
  180,00
VK (Tax) netto*
18,65
1.284,01
6.188,35
GKV-Rabatt in Euro
- 1,49
  - 1,49
  - 1,49
Umsatz (GKV) in Euro
17,16
1.282,52
6.186,86
Rohertrag aus Preisbild. (GKV) in Euro
 7,16
  44,01
  186,86
Rohertrag aus Einkaufskond. in Euro z. B.
 0,30
  12,00
   0,00
Rohertrag ges. (GKV) in Euro
 7,46
  56,01
 186,86
Wareneinsatzquote in %
56,5
   95,6
   97,0
Spanne in %
43,5
    4,4
    3,0

* Notdienstgebühr 0,16 Euro/Packung unberücksichtigt, da zu 100% Abführung an ­Notdienstfonds

Je höher der Preis, desto niedriger die realisierbare Spanne, wobei diese sich im Hochpreissegment um die 3% einstellt.

Rückläufige Spannen und steigende Wareneinsätze bei Apotheken können verschiedene Ursachen ­haben, eine ist die Zu­nahme von Hochpreisern. Dies ist beim Controlling (Auswertung der BWA usw.) zu beachten. Der Apotheker muss die Ursachen für die Entwicklung der Kennzahlen seiner Apotheke herausfinden, um im Sinne der Sicherung des Rohertrags und des Ertrags zu agieren.

Durch die Hochpreisversorgung ändern sich nicht nur die Wareneinsatzquote und die Spanne, es kommt auch zu Verschiebungen der Kostenquoten (Kosten in Prozent vom Umsatz) bei allen anderen Aufwendungen. Beispielhaft ist in diesem Zusammenhang ­besonders auf die Veränderung der Personalkostenquote hinzuweisen.

Hinweis: Die Zunahme von Hochpreisern kann dazu führen, dass die eigenen Kennzahlen der Vergangenheit ihren orientierenden Charakter verlieren und es so zur Fehleinschätzung der Situation kommt. Für den Apotheker nimmt insofern die Bedeutung des Vergleichs mit anderen Apotheken des gleichen Versorgungsprofils (also Hochpreisversorger) zu. ­Solche Kennzahlen kann nur ein branchenspezialisierter Berater zur Verfügung stellen, der diese auch entsprechend erhebt.

Sicherung der Liquidität oberstes Ziel

Nicht selten sehen Apotheken die Belieferung von Hochpreisrezepten mit Vorbehalten. Das betrifft vor allem Apotheken, die liquiditätsmäßig über keinen großen Spielraum verfügen.

In der Regel werden Hochpreiser patientenindividuell und zeitnah zur Abgabe eingekauft. In praxi stellt sich die Frage: Direkt- oder Großhandelseinkauf? Wichtigstes Kriterium ist, wie schnell der ­Patient das Arzneimittel benötigt. Wird es kurzfristig abgefordert, dann kommt an sich nur der Einkauf beim Großhandel infrage, ­allerdings mit der Konsequenz, dass die Apotheke kaum nennenswerte Rabatte und in der Regel kein Skonto erhält. Bei längerfristiger Belieferung oder Terminbestellungen nutzen Apotheken ­allgemein den Direkteinkauf. So kann der Rohertrag durch etwas höhere Einkaufsvorteile und in ­begrenztem Umfang durch Skonto aufgebessert werden.

Hochpreisversorgung bedeutet für die Apotheke eine hohe liquiditätsmäßige Belastung. Sie erhält das Geld vom Rezeptabrechner üblicherweise erst später, muss aber die Einkaufsrechnung zeitnah begleichen, also vorfinanzieren.

Die Sicherung der Liquidität sollte daher die Grundstrategie jeder Apotheke sein. Das kann z. B. erfolgen durch: Anpassung des Entnahmeverhaltens, Privateinlagen des Inhabers, Analyse des Warenlagers und Schöpfung von Liqui­dität durch Bestandsbereinigung. Eine weitere Möglichkeit ist, dass die Apotheke sich vorausschauend bei ihrer Bank einen entsprechenden Kontokorrentrahmen sichert und den Zinssatz verhandelt. Hinzu kommt die Optimierung des Zeitraums der Kontokorrentin­anspruchnahme. Das bedeutet: ­Zahlung der Rechnung zum Fälligkeits­termin. Außerdem gilt generell der Grundsatz: „Skontoinanspruchnahme vor Kontokorrentinanspruchnahme“.

Im Worst Case reicht ein Patient sein Rezept am 28. des Vormonats ein und holt das Arzneimittel geplant am 3. des Folgemonats ab. Bis zum Eingang des Geldes von der Rezeptabrechnung vergehen etwa 40 Tage. Erhält die Apotheke, wie meist beim Einkauf der Hochpreiser beim Großhandel, kein Skonto, dann reduzieren die Zinsen bei Kontokorrentinanspruchnahme direkt den Rohertrag. Der 3%ige Aufschlag wird abgeschmolzen. Je höher der Kontokorrentzinssatz und je länger die Inanspruchnahme, desto niedriger das aus der Abgabe generierbare Ergebnis.

Für die Entscheidungsfindung (Prüfung verschiedener Alternativen) kann der Apotheker rechnen, dass pro 1% Zinssatz des Konto­korrents und je Tag der Inanspruchnahme Zinsen in Höhe von 0,0028% entstehen. Bei einem Zinssatz von beispielsweise 6% ist demnach pro Tag mit rund 0,02% Zinsen zu rechnen.

Kommen Hochpreiser regelmäßig in entsprechender Größenordnung vor, dann ist neben der oben genannten Zwischenfinanzierung über Kontokorrent auch zu prüfen (mit Bank und Steuerberater besprechen), ob im konkreten Fall die Aufnahme eines Betriebsmittelkredits (mit deutlich niedrigeren Zinsen) angezeigt ist.

Eine weitere Option der Liquiditätsschöpfung für die Vorfinanzierung von Hochpreisern sind individuelle Verhandlungen mit dem Rezeptabrechner. Das geht über die Vereinbarung von Abschlagszahlungen bis hin zu im Ausnahmefall individuell vorgezogenen Einzelregelungen zur Abrechnung der Hochpreisrezepte. Üblicherweise ist das mit der Erhöhung der Abrechnungsgebühren verbunden. Es gilt: Sind die zusätzlich bei dem Rezeptabrechner anfallenden Aufwendungen geringer als die Kontokorrentzinsen, dann ist die Vereinbarung mit dem Rezeptabrechner sinnvoll.

Bei Privatpatienten EC-Karte mit PIN

Bei Privatpatienten sollte versucht werden, dass möglichst direkt bei Abgabe des Arzneimittels mit EC-Karte (mit PIN-Verfahren) bezahlt wird. Bei Hochpreisern ist der ­Patient damit häufig überfordert, sodass in der Regel eine Fakturierung erfolgt. Wichtig ist die Fest­legung eines eindeutigen Zahlungsziels und die nachfolgende Prüfung des Zahlungseingangs in kurzen Zeitintervallen (wöchentlich). Bei Zahlungsverzug ist zeitnah mit dem Kunden Kontakt aufzunehmen mit dem Ziel, gemeinsam eine Lösung (schriftlich!) zu vereinbaren (z. B. Ratenzahlung). Bleiben diese Bemühungen erfolglos, sind alle Möglichkeiten des Mahnverfahrens zu nutzen. Auch die Einschaltung ­eines Inkasso­unternehmens ist in Betracht zu ziehen.

In jedem Falle muss die Apotheke einen Weg finden, ihr Ausfallrisiko und die Vorfinanzierungszeit so gering wie möglich zu halten. Einige Apotheken nutzen dabei die Möglichkeit der direkten Abrechnung mit der betreffenden PKV. Das ist zwar mit zusätzlichem Aufwand verbunden, der aber durch die Vorteile (kurze Vorfinanzierungszeit, so gut wie kein Ausfallrisiko) gerechtfertigt ist.

Kreditkarten sollten von der Apotheke wegen der anfallenden Gebühren nicht akzeptiert werden.

Generell erfordern Hochpreiser eine besondere Verantwortlichkeit und Gewissenhaftigkeit beim Umgang mit den Rezepten und der Ware. Das beginnt bei der Prüfung der Hochpreisrezepte und geht über die Bestellung (wann, bei wem) sowie die Kontrolle der eingehenden Ware bis hin zu ihrer Übergabe an den Patienten. Weiterhin wichtig ist die Abrechnung der Rezepte und die Verfolgung der Bezahlung. Nullretaxationen aufgrund eines Formfehlers, aber auch ein verloren gegangenes und nicht abgerechnetes Rezept oder der Verlust einer Packung können durchaus problematisch werden, da es nicht selten um mehrere Zehntausend Euro geht. Dies verdeutlicht das besondere wirtschaftliche Risiko der Apotheke bei der Versorgung mit Hochpreisern, weshalb hier die spezielle Aufmerksamkeit des Apothekeninhabers sowie klare Regelungen für die einzelnen ­Arbeitsbereiche gefordert sind. Sinnvoll sind dabei das Vieraugenprinzip sowie die Separierung sowohl der Rezepte als auch der Ware bis hin zur Abrechnung der Rezepte und zum ­Erhalt des Geldes. Entsprechende Kontrollmechanismen sind fest­zulegen und deren Einhaltung durchzusetzen. In einigen Apotheken hat sich die Festlegung eines Verantwortlichen für die Hochpreisversorgung bewährt. |

Dipl.-Bw. Doris Zur Mühlen

Dipl.-Bw. Doris Zur Mühlen, Wirtschaftsprüferin / Steuerberaterin, ist geschäftsführende Gesellschafterin der RST Steuerberatungsgesellschaft mbH, Essen/Dresden/Dessau/Zwickau


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