Beratung

Nachgefragt ...

... bei Frau Dr. med Petra Terlinden, Amtsärztin, Gesundheitsamt Duisburg. Unter ihrer Ägide wurde in Zusammenarbeit mit dem RKI, lokalen Dermatologen, Betriebsärzten und Apothekern im Jahr 2011 bei einem Skabiesausbruch in einer Duisburger Altenpflegeeinrichtung erfolgreich eine synchrone systemische Massenchemotherapie mit Ivermectin durchgeführt. Den zugehörigen Artikel "Feldtherapie bei Krätze" ist in DAZ Nr. 1 auf Seite 34 veröffentlicht.

Dr. med. Petra Terlinden

DAZ: Auf welcher (rechtlichen) Grundlage lässt sich eine Massenbehandlung auch mit nicht infizierten Personen durchführen?

Terlinden: Es geht bei der Massenchemotherapie mit Ivermectin darum, die Infektionskette zu unterbrechen und eine andauernde Milbenfreiheit für Bewohner, Mitarbeiter, Kontaktpersonen herzustellen. Die Erfolgschancen für dieses Projekt hängen von der freiwilligen Einbindung aller – der infizierten und gesunden Bewohner, ihrer privaten Kontaktpersonen, des Pflegepersonals von der Schwester über Frisöre bis Fußpfleger usw. ab. Niemand kann zur Teilnahme an einer Behandlung gezwungen werden. Wir waren darauf angewiesen, alle Beteiligten für die Maßnahme zu gewinnen. In unserer Altenpflegeeinrichtung, in der therapieresistente und nicht ausreichend lokal behandelte Fälle auftraten, war wohl das entscheidende Instrument die ausführliche Vorstellung des Projektes bei einem Angehörigenabend. Es wurden u. a. die andernorts gemachten guten Erfahrungen mit Ivermectin kommuniziert, aber auch mögliche Nebenwirkungen vorgestellt und erläutert. Wird Ivermectin als Mittel gegen Scabies eingesetzt, so treten im Allgemeinen beim Zerfall der Milben keine wesentlichen Nebenwirkungen auf, die für die Indikation bei Wurmbefall beschrieben werden. Sehr wichtig ist auch die zeitgleiche Therapie aller Betroffenen und Kontaktpersonen, die mittels lokaler Therapie bei einer so großen Anzahl von Personen praktisch nicht umsetzbar ist. Zusätzlich hatte die Heimleitung angekündigt, bei Personen, die eine Therapie vollständig (lokale oder systemische) verweigern, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen und gegebenenfalls den Besuch der Einrichtung für vier Wochen zu verweigern, mit der – berechtigten – Begründung, dass Gefahr im Verzug ist. Dieses Vorgehen war mit den Behörden abgestimmt.

Bei der praktischen Durchführung der Maßnahme war u. a. sehr hilfreich, dass die heimversorgende Apotheke mittels ihrer Software Patienten herausfiltern konnte, bei denen das Medikament wegen neurologischer Störungen oder Wechselwirkungen kontraindiziert war. Diese wurden der Salbenbehandlung mit Permethrin zugeführt.

DAZ: Wie kontagiös ist die Krätze? Reicht für die Übertragung ein Händedruck?

Terlinden: Bei der sehr häufigen „gepflegten“ Skabies werden nur rund ein Dutzend Milben gezählt, eine Ansteckung ist nur bei engem oder längerem körperlichen Kontakt vorstellbar. Diese milde Form wird sehr leicht übersehen, weil häufig die klassischen Milbengänge nicht zu sehen oder durch andere Hauterkrankungen überlagert sind. Ich kenne Krätzepatienten, die unerkannt durch die Praxis von mehreren Hautärzten gegangen waren, ihr Juckreiz wurde als atopisches Ekzem, Kontaktdermatitis oder ähnliches interpretiert.

Anders bei der Skabies norvegica oder crustosa, die vor allem immungeschwächte Personen betrifft. Sie können von zigtausenden Milben befallen sein, die leicht auch in die unbelebte Umgebung (Bettwäsche u. ä.) gestreut werden. Diese Patienten sind hoch ansteckend.

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