Interpharm 2016 – Diskussion

Reif für den Paartherapeuten?

Krankenkassen und Apotheken auf der Interpharm-Couch

tmb | Ist die Beziehung zwischen Krankenkassen und Apotheken reif für den Paartherapeuten? In einer Diskussion während der Interpharm wurden die Interessen beider Seiten an einer funktionierenden Versorgung deutlich. Uneinig waren die Interessenvertreter im Umgang mit bürokratischen Details. Dagegen wurde vorgeschlagen, Probleme im Versorgungsalltag durch gemeinsame Vorschläge an den Gesetzgeber zu lösen.

Die Krankenkassen wurden in der ­Diskussion durch Dr. Sabine Richard, Geschäftsführerin Versorgung beim AOK-Bundesverband, und die Apotheker durch ABDA-Vizepräsident Mathias Arnold vertreten. Weiterer Diskussionsteilnehmer war Uwe Hüsgen, Apothekenberater und ehemaliger Geschäftsführer des Apothekerverbands Nordrhein, der kürzlich in einer Studie die Beziehung zwischen Apotheken und Krankenkassen untersucht hatte. Moderiert wurde die ­Runde von DAZ.online-Chefredakteurin ­Nicola Kuhrt und DAZ-Chefredakteur Dr. Benjamin Wessinger.

Foto: DAZ/A. Schelbert

Dr. Sabine Richard, Geschäftsführerin Versorgung beim AOK-Bundesverband

Verständnis mit Grenzen

Hüsgen sieht den Gesetzgeber als ­Verursacher der Probleme, denn die Krankenkassenvorstände sind seit 2009 haftungspflichtig und stünden unter großem Druck. Außerdem hätten früher Versicherungsfachleute Empathie für Versicherte gezeigt, während es heute nur noch um zahlende Mitglieder gehe. Richard er­klärte, die Krankenkassen hätten sich dies auch nicht so gewünscht. Doch sehe sie das Verhältnis zwischen den AOKen und den Apothekern nicht als zerrüttet an. Vielmehr sei die AOK an der Versorgung vor Ort interessiert. Mit den Apothekern werde ­sogar mehr als früher über Versorgungsfragen gesprochen.

Foto: DAZ/A. Schelbert

Mathias Arnold, Vizepräsident der ABDA

Arnold betonte, beide Seiten müssten verstehen, was den anderen bewegt. Der Heilberufler sehe jeweils den Akutfall und könne nicht verstehen, dass bürokratische Aspekte wichtiger als die Versorgung sein sollten. Einige heutige Probleme werden sich nach Auffassung von Arnold mit dem elektronischen Rezept erübrigen und bis dahin müsse über Heilungsmöglichkeiten für Formfehler gesprochen werden. Arnold erklärte, er könne die finanziellen Probleme der Kassen nachvollziehen, aber er könne nicht nachvollziehen, wenn sie diese über die Apotheken lösen wollten. Da mit einzelnen Krankenkassen Lösungen gefunden würden, gehe es offenbar nicht um ein Problem des Systems.

Mögliche neue Sorgen

Dagegen forderte Hüsgen, der Deutsche Apothekerverband müsse dafür sorgen, dass die Krankenkassen mit den Ärzten Verträge über deren formale Pflichten schließen – schließlich seien sehr viele Abrechnungsprobleme der Apotheken auf fehlerhafte Verschreibungen zurückzuführen. Außerdem fürchtet Hüsgen, die Ablösung der Richtgrößenprüfung durch die Quotierung anhand von Leitsubstanzen ab 2017 werde die wirtschaftlichen Schwierigkeiten weiter erhöhen, sodass indirekt die Apotheken noch mehr unter Druck geraten könnten. Richard entgegnete, diese Änderung bei den Ärzten betreffe die Apotheken nicht.

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Uwe Hüsgen, selbstständiger Berater

Wichtige und unwichtige Regeln?

Apotheker aus dem Publikum machten auf die vielfältigen Alltagsprobleme im Umgang mit den Krankenkassen aufmerksam. Sie hätten ein solches Ausmaß angenommen, dass sie den dringend benötigten Berufsnachwuchs abschreckten. Für Arnold zeigen Rabattvertragserfüllungsquoten um die 90 Prozent, dass Apotheker die Rabattverträge „nicht flächendeckend miesmachen“. Bei den letzten 10 Prozent bitte er um ein „letztes Quantum Vertrauen“. Das sollte man im Interesse der Versorgungsqualität akzeptieren, denn „der Fachmann vor Ort hat eine Entscheidung getroffen“. Stattdessen sollten Apotheker und Krankenkassen gemeinsam zur Politik gehen und sich um große Themen kümmern, bei denen viel Geld zu ­sparen sei, beispielsweise die Compliance, Hochpreiser und die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel.

Richard erklärte, die AOKen würden mit Augenmaß vorgehen, es gäbe bei ihnen keine flächendeckenden Nullretaxationen. Doch grundsätzlich seien alle Vorschriften einzuhalten. Richard interpretierte die Forderungen der Apotheker so, als wollten diese haftungsfrei arbeiten. Doch dies widerspreche ihrer Position als Heilberuf. Apotheker aus dem Publikum hielten dagegen, sie wollten für pharmazeutische Fehler haften, aber nicht für Formalien oder gar Interpretationen zur Packungsgröße. Wenn kein Schaden entstehe und der Patient nach dem Willen des Arztes versorgt werde, sollte sich keine Haftungsfrage stellen. Dagegen argumentierte Richard, es könne nicht zwischen wichtigen und unwichtigen Paragrafen unterschieden werden. Falls einzelne Regeln unpraktikabel seien, sollte dies anderswo adressiert werden.

Details beschränken

Hüsgen kritisierte die große Zahl und Komplexität der Regeln für die Apotheken und forderte, die Versorgung als Ziel im Auge zu behalten. Daher sei zu fragen, ob die Juristen Vertragsverhandlungen mit immer wieder neuen Details bestimmen sollten. Denn es gehe um Patienten und nicht um juristische Klauseln. Arnold mahnte, Verordnungen mit Augenmaß und Ermessensspielraum zu ­interpretieren: „Wenn es der Geist der Verordnung ist, dass der Patient 100 Tabletten bekommen soll, dann soll es auch so sein“, so Arnold. |

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