Die Seite 3

Besorgniserregend

Foto: DAZ/Kahrmann

Dr. Benjamin Wessinger, Chefredakteur der DAZ

Große Überraschungen gibt es bei der Vorstellung der Apotheken-Wirtschaftsdaten selten, die allgemeine Tendenz ist in der Regel schon bekannt. So auch in diesem Jahr: die Zahl der Apotheken ist weiter zurückgegangen, die Anzahl abgegebener Arzneimittel hat sich leicht erhöht, ebenso ihr Preis. Zusammengenommen führt das – wenig verwunderlich – zu höheren Um­sätzen der Apotheken.

Auffällig ist jedoch die immer größer werdende „Rechtsverschiebung“ der Umsatzverteilung. Das heißt, einige Apotheken mit sehr großen Umsätzen – beispielsweise durch bundesweiten Versand – verschieben den Durchschnitt des Nettoumsatzes nach rechts, zu größeren Werten. Immer wieder wird deshalb gefordert, die ABDA möge doch lieber den Umsatz einer „typischen Apotheke“, also den Modalwert, angeben. Dabei wird vergessen, dass die ABDA jahrelang genau dies getan hat. Auf Druck des für die Erhöhungen des Apothekenhonorars zuständigen Bundeswirtschaftsministeriums wurde diese Darstellung jedoch 2014 umgestellt. Zur Erinnerung: 2012 hatte es Streit zwischen dem Ministerium und der ABDA um die Zahlengrundlage für die Berechnung der Honorarerhöhung gegeben. Am Ende hatte sich das BMWi auf Zahlen des Statistischen Bundesamts gestützt – und nicht auf die der ABDA.

Natürlich sieht der Durchschnittsumsatz „besser aus“ als der Modalwert. Ob es jedoch politisch klug ist, seine Zahlen bewusst anders zu präsentieren als der für eine (mögliche) Honoraranpassung Zuständige das wünscht, erscheint doch mehr als fraglich.

Doch unabhängig von der Darstellungsweise: der immer größer werdende Unterschied zwischen dem Durchschnitts- und dem typischen Umsatz muss Sorgen bereiten, wenn man an der kleinteiligen, flächendeckenden Versorgung durch freiberufliche Einzelapotheker festhalten will. Da sich die Politik – auch aktuell – immer wieder zum bestehenden Apothekensystem bekennt, gilt es, sie hier beim Wort zu nehmen.

Eine andere bemerkenswerte Entwicklung findet sich bei den Hochpreisern. Obwohl die Abgabe sehr teurer Arzneimittel im letzten Jahr dreimal stärker gewachsen ist als der Gesamtmarkt, sind sie mengenmäßig immer noch ein eher kleines Phänomen – 0,4 Prozent der verordneten Arzneimittel haben einen Hersteller-Abgabepreis über 1200 Euro. Betrachtet man dagegen den Umsatz, ergibt sich ein völlig anderes Bild. Nach Apothekenverkaufspreisen machen die Hochpreiser davon bereits 28 Prozent aus! Umso dramatischer würde sich eine Deckelung des prozentualen Honoraranteils auswirken. Und das bei einem sehr begrenzten Spareffekt für das Solidarsystem – er kann naturgemäß nicht mehr als 3 Prozent ausmachen.

Umso besorgniserregender, dass ein solcher Vorschlag trotzdem Eingang in ein Positionspapier von Gesundheitspolitikern der Koalition findet. Ebenfalls besorgniserregend ist die weiterhin bestehende Abkoppelung der Apothekenvergütung von Indizes wie Verbraucherpreisen, GKV-Einnahmen oder Gehältern. Hier wird in aller Deutlichkeit vor Augen geführt, wie wichtig eine Anpassung der Honorare ist, auch wenn Umsätze und sogar Erträge steigen.

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