DAZ aktuell

„Die Apotheken tun ihr Bestes“

ABDA kritisiert Berichterstattung zu Arzneimittelkosten

STUTTGART (daz) | Steigende Arzneimittelkosten machen Versicherten zu schaffen! Vor allem chronisch Kranke müssen tief ins Portemonnaie greifen! Die Schlagzeilen der Tageszeitungen drehen sich derzeit wieder einmal um gestiegene Ausgaben für Arzneimittel. Dabei wird einiges durcheinandergeworfen. Die ABDA reagierte – mit einem Statement.

Am Montag, den 4. Januar ging es los: Die Bild-Zeitung berichtete über gestiegene Ausgaben für Arzneimittel (siehe Kasten „Fast 33 Milliarden Euro“). Donnerstag folgte dann zahlenstark und aus Quellen des Bundes­gesundheitsministeriums (BMG) die FAZ: „Kassenpatienten zur Kasse gebeten.“ Nach Zahlen des BMG müssen die Deutschen 2016 nicht nur mehr Geld für ihre Versicherung zahlen. Auch im Sanitäts- und Krankenhaus und in der Apotheke werden die Menschen mit höheren Zuzahlungen belastet. Laut FAZ sind die Zuzahlungen in allen Bereichen gestiegen, also bei den Heil- und Hilfsmitteln genauso wie in der Physiotherapie oder den ersten 28 Tagen im Krankenhaus.

Fast 33 Milliarden Euro

Die Ausgaben für Arzneimittel sind laut ABDA im vergangenen Jahr um gut 4,4 Prozent gestiegen. Die gesetzlichen Krankenkassen hätten für Medikamente im vergangenen Jahr 32,7 Milliarden Euro ausgegeben, berichtete die „Bild“-Zeitung unter Berufung auf die ABDA-Angaben in ihrer Ausgabe vom 4. Januar. Dies seien 1,3  Milliarden Euro mehr als noch 2014. Für Impfstoffe stiegen die Ausgaben den Angaben zufolge sogar um gut elf Prozent auf 1,2 Milliarden Euro.

Verantwortlich für die Kostenexplosion seien „neu in den Markt eingeführte hochpreisige Medikamente“, berichtete „Bild“ unter Berufung auf den Apothekerverband. Bei den Impfstoffen wiederum seien zwei Drittel des Umsatzwachstums auf Mittel gegen Masern sowie Kombinationspräparate gegen Tetanus, Diphtherie, Pertussis und Polio zurückzuführen.

Die gesetzlichen Krankenkassen drängen die Bundesregierung derweil zu einer erneuten Reform des Arzneimittelmarktes, um die immensen Ausgabensteigerungen in den Griff zu bekommen. Unterstützung bekommen sie dabei von der Bundesärztekammer (BÄK). Krankenkassen wie Ärzteschaft halten das am 1. Januar vor fünf Jahren in Kraft getretene Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) zwar für einen guten Ansatz. Doch müsse es dringend „nachgeschärft“ werden.

„Das entscheidende Problem ist, dass wir nach wie vor das erste Jahr mit freier Preisbildung haben“, sagte die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Doris Pfeiffer. Nach einem Jahr vereinbaren Krankenkassen und Hersteller einen Erstattungsbetrag. Bis zu dieser Vereinbarung könnten Hersteller „Fantasiepreise“ für neue Medikamente verlangen.

Den größten „Batzen“ machten laut FAZ ­allerdings die Zuzahlungen in der Apotheke aus. Insgesamt 1,6 Milliarden Euro waren es von Januar bis ­Ende September 2015, knapp 100 Millionen Euro mehr als im Vorjahr. Diese Summe sei nach Feststellung des BMG mit 6,3 Prozent überproportional hoch ausgefallen, schreibt die FAZ. Nicht erwähnt wird allerdings, dass dieses Geld nicht in den Apotheken bleibt, sondern an die Kassen durchgereicht wird. Auch der Zusammenhang der später im Artikel genannten Größe der Packung eines hochpreisigen Arzneimittels und den Kosten für den einzelnen Versicherten verwunderte – bei einem Verkaufspreis über 100 Euro liegt die Zuzahlung immer bei 10 Euro.

Foto: Patrick P. Palej – Fotolia.com

Steigende Arzneimittelkosten sind dereit Thema in vielen Medien. Die Berichterstattung ist nicht immer objektiv und auch nicht immer korrekt. Daher hat sich die ABDA nun mit einer Stellungnahme zu Wort ­gemeldet.

Entlastung für Versicherte ist möglich

Gesundheitspolitische Kenner vermuten ganz andere Beweggründe hinter der massiven Berichterstattung: Die Kassen wollen wegen der hohen Kosten der neuen Arzneimittel unbedingt eine neuerliche Diskussion mit der Bundesregierung über eine Reform des AMNOG anzetteln. Die ABDA hat am 7. Januar jedenfalls eine Pressemitteilung veröffentlicht, die zwar nicht direkten Bezug auf den FAZ-Artikel oder den der Bild nimmt, jedoch versucht, einiges richtigzustellen. ­Zitiert wird Fritz Becker, Vorsitzender des DAV, „angesichts aktueller Berichte über steigende Zuzahlungen“. Die Kassen könnten ihre Versicherten schnell und wirksam entlasten. Ob ­Befreiungsbescheinigung, Festbetragsregelung oder Rabattvertrag – es gebe viele Möglichkeiten, auch Millionen chronisch kranker Patienten vor finanzieller und bürokratischer Überforderung zu schützen. Leider passiere oft das Gegenteil, wenn etwa ein zuzahlungsfreies Medikament nicht abgegeben werden darf, weil ein zuzahlungspflichtiges Rabattarzneimittel Vorrang hat.

Die ABDA stellt sich auch gegen die Vermutung, größere Packungen oder teure Medikamente würden die Zuzahlungen erhöhen: „Egal wie teuer ein Arzneimittel ist, die Zuzahlung ist per Gesetz bei 10 Euro gedeckelt.“ DAV-Chef Becker weiter: „Die Apotheken tun ihr Bestes, ihren Patienten zuzahlungsfreie Alternativmedikamente zu empfehlen. Apotheker und Patient sollten über das Arzneimittel, nicht über die Zuzahlung sprechen.“

Die Pressemitteilung endet mit einer Grundsatzinfo:

  • Grundsätzlich von der Zuzahlung befreit sind Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres.
  • Erwachsene können bei ihrer Kasse eine Befreiung von der Zuzahlung für das jeweilige Kalenderjahr beantragen, sofern ihre finanzielle Belastung zwei Prozent des Bruttojahreseinkommens überschreitet.
  • Bei chronisch kranken Patienten ist es ein Prozent.
  • Mit der Festlegung eines Festbetrags, einem für alle gesetzlichen Krankenkassen geltenden Erstattungshöchstbetrag, lassen sich durch die Krankenkassen auch ­einzelne Arzneimittel von der Zuzahlung befreien, wenn ihr tat­sächlicher Preis 30 Prozent da­runter liegt.
  • Sogar jede Kasse allein kann über ihre Rabattverträge definieren, ob ihre Versicherten nur die Hälfte oder gar keine gesetzliche Zuzahlung für die Rabattarzneimittel ­leisten müssen.
  • Grundsätzlich müssen Patienten zehn Prozent des Arzneimittelpreises zuzahlen: mindestens 5 Euro, höchstens 10 Euro. Die Zuzahlung ist aber immer begrenzt auf die tatsächlichen Kosten des Medikaments. |

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