Gesundheitsmonitor

Same procedure as every year

Endlich Schluss mit Rauchen? – Raucherentwöhnung ist ein wichtiges Beratungsthema

Der Beginn eines neuen Jahres ist stets die Zeit der guten Vorsätze. Viele Menschen nehmen sich nun etwas vor oder erneuern ihre Vorhaben, z. B. mehr Sport zu treiben, sich gesünder zu ernähren, mehr Zeit für sich zu haben … oder mit dem Rauchen aufzuhören. Wie die Deutschen zu letzterem Thema stehen, hat der Deutsche Gesundheitsmonitor des BAH hinterfragt. Er untersucht seit 2013 regelmäßig und repräsentativ das Gesundheits- und Wohlbefinden der Bürger in Deutschland sowie ihre Einstellung zu bestimmten Institutionen und Themen rund um die Gesundheitsversorgung.

In Deutschland zählen sich 20 Prozent der Bevölkerung zu den regelmäßigen Rauchern. Darüber hinaus sagen acht Prozent aus, Gelegenheitsraucher zu sein. Nie geraucht zu haben, geben 50 Prozent der Menschen an. Immerhin 22 Prozent haben es geschafft, mit dem Rauchen aufzuhören und zählen damit zu den Ex-Rauchern.

Der Anteil der Männer unter den regelmäßigen Rauchern liegt dem BAH-Gesundheitsmonitor zufolge fünf Prozentpunkte über dem Anteil der weiblichen Tabakkonsumenten (22 vs. 17%), während es bei den Gelegenheitsrauchern keinen Unterschied gibt. Bei den Ex-Rauchern überwiegt ebenfalls die Zahl der Männer (25 vs. 20%) , dafür ist der Anteil der Frauen bei den Nie-Rauchern höher (55 vs. 45%). Regelmäßige Raucher sind zu einem großen Teil zwischen 18 und 59 Jahre alt. Unter den Gelegenheitsrauchern bilden die 18- bis 29-Jährigen die mit Abstand größte Altersgruppe. Der Anteil der ­Ex-Raucher steigt kontinuierlich mit zunehmendem Alter an. Hier kann man spekulieren, ob Altersweisheit oder aber Krankheitserfahrungen zur Tabakabstinenz geführt haben. Die Nie-Raucher sind in Bezug auf die ­Altersgruppen homogen verteilt – mit Ausnahme der Jugendlichen zwischen 15 und 17 Jahren. In dieser Gruppe ist der Anteil der Nie-Raucher mit 86 Prozent sehr hoch. Es rauchen aber 15- bis 17-Jährige zu sieben Prozent gelegentlich und zu fünf Prozent regelmäßig.

Bildungsgrad, Beschäftigung und Einkommen spiegeln sich in gewisser Weise auch im Rauchverhalten wider, allerdings weniger eindeutig, als man vielleicht erwarten mag. Dennoch ist abzuleiten, dass mit steigendem Sozialstatus der Anteil der Raucher abnehmend ist.

Tabakkonsum in Deutschland So antworteten Befragte auf die Frage „Lassen Sie uns kurz über das Thema Tabakkonsum reden. Was hiervon trifft auf Sie zu?“; Q2 2013 - Q2 2015; n= 9.001

Rauchen – ein Phänomen von Gesellschaft und Psyche?

Der Deutsche Gesundheitsmonitor des BAH hat in einer Erhebungswelle im Herbst 2015 die Einstellung der Bevölkerung zum Rauchen vertieft hinterfragt. Demnach ist für Raucher bzw. war für Ex-Raucher Gesellschaft ein typischer Anlass für Zigarettenkonsum, z. B. nach einem Essen, bei einem Glas Alkohol oder einer Tasse Kaffee. Frauen rauchen weitaus häufiger, wenn sie unter Stress stehen sowie in Arbeitspausen. 51 Prozent der Raucher und Ex-Raucher, Frauen und Männer annähernd gleich, geben an, dass sie zur Zigarette greifen, wenn sie alleine sind. 30 Prozent belohnen sich mit einer Zigarette, Männer eher als Frauen.

Der Deutsche Gesundheitsmonitor des BAH

Seit 2013 befragt das Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Nielsen im Auftrag des Bundesverbandes der Arzneimittel-Hersteller e. V. (BAH) regelmäßig die Bevölkerung in Deutschland nach ihrem Gesundheits- und Wohlempfinden. Ziel der empirischen und repräsentativen Erhebung ist es, die Verbraucher besser zu verstehen sowie dem Gesundheitssystem und ihren Akteuren Hinweise auf weitere Fragestellungen und Anlass für Diskussionen mit den Partnern im Gesundheitswesen und der Politik zu geben.

Der Deutsche Gesundheitsmonitor wird vier Mal im Jahr mit einer Stichprobe von N = 1.000 nach den Maßstäben des ADM (Arbeitskreises Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute) mittels Telefoninterview repräsentativ empirisch erhoben. Er besteht aus drei Modulen:

1. Deutscher Gesundheitsindex

2. Image-Monitor Gesundheitssystem

3. Brennpunktthemen

Das Kernstück des BAH-Gesundheitsmonitors ist der Deutsche Gesundheitsindex. Er ist das Ergebnis der periodisch empirischen Bevölkerungsbefragung im Bereich der persönlichen Wahrnehmung von Themen rund um die Gesundheit. Dazu werden die Antworten auf Fragen zum persönlichen Wohlbefinden, der Stimmung und persönlichen Belastung sowie der objektivierten Gesundheit ausgewertet und in einem Index zum Ausdruck gebracht. Der Image-Monitor Gesundheitssystem spiegelt die persönliche Wahrnehmung der Befragten von Leistungsfähigkeit und Glaubwürdigkeit der Akteure im Gesundheitswesen wider. Dabei wird auf das System an sich, auf die Gesundheitsvorsorge, das Vertrauen ebenso eingegangen wie auf Leistungen. Im Modul 3 „Brennpunktthemen“ werden aktuelle Themen oder Maßnahmen aufgegriffen.

Auf die Frage, warum Menschen bei dem Versuch, mit dem Rauchen aufzuhören, scheitern, sieht die Mehrheit die psychische Abhängigkeit als die größte Barriere an. Diese Auffassung wird insbesondere von den mittleren Altersgruppen und den Menschen mit vergleichsweise höherem Bildungsgrad vertreten. Nahezu 100 Prozent der Befragten sehen die unbedingte innere Willenskraft als wichtigsten Faktor für eine Raucherentwöhnung. Zudem hat das soziale Umfeld eine vergleichsweise große Bedeutung. Dagegen misst die Bevölkerung, insbesondere die Raucher und Ex-Raucher, einer medikamentösen Unterstützung sowie einer Beratung in der Apotheke eine geringere Bedeutung zu. Insgesamt ist festzustellen, dass eine hohe Zahl sehr unterschiedlicher Faktoren eine Bedeutung hat. Hierbei zeigt sich die Erfordernis einer sehr differenzierten und individuellen Betrachtung und Vorgehensweise, wenn das Ziel der Tabakentwöhnung erreicht werden soll.

Psychische Abhängigkeit ist die größte Barriere, um mit dem Rauchen aufzuhören. Das antwortete die Mehrheit auf die Frage: „Warum scheitern aus Ihrer persönlichen Sicht viele Versuche, mit dem Rauchen aufzuhören?“; Welle 10 Q3 2015; Basis: n=1000

Raucherentwöhnung auf Kosten der Solidargemeinschaft?

Inwieweit die Kosten für eine Raucherentwöhnung durch die gesetzliche Krankenversicherung übernommen werden sollen, wurde und wird immer wieder kontrovers diskutiert. So hatte im vergangenen Jahr das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) in einem Streit zwischen dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) und dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) zu entscheiden. Das BMG hatte einen Beschluss des G-BA beanstandet. Dem G-BA zufolge sollten geeignete unterstützende medikamentöse Maßnahmen zur Rauchentwöhnung den Teilnehmern der Disease-Management-Programme für Asthma oder COPD angeboten werden können. Das BMG vertritt hingegen die Auffassung, dass die Verordnung von Nicotinersatzpräparaten mit den geltenden gesetzlichen Vorgaben (§ 34 Abs. 1 Satz 8 SGB V) nicht vereinbar und daher rechtswidrig sei. Der G-BA zog vor Gericht und das LSG teilte nach der Urteilsverkündung mit, dass die Klage des G-BA abgewiesen wurde, weil § 34 SGB V die Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln „zur Raucherentwöhnung“ zulasten der GKV strikt ausschließe und Ausnahmen hierfür nach geltendem Recht nicht in Betracht kämen. Auch 60 Prozent der Bevölkerung, im höheren Alter sogar verstärkt, sind gemäß der Erhebung des BAH-Gesundheitsmonitors der Auffassung, dass die Kosten diejenigen zu tragen haben, die sich das Rauchen abgewöhnen möchten. Hierbei gibt es interessanterweise keine nennenswerten Meinungsunterschiede zwischen Rauchern und Nichtrauchern.

Weiterer Regelungsbedarf?

In der Öffentlichkeit wird nach wie vor über gesetzliche Einschränkungen bzw. Maßnahmen zum Nichtraucherschutz diskutiert. Der Deutsche Gesundheitsmonitor des BAH ermittelte, dass die Hälfte der Bevölkerung keine weiteren Gesetze möchte. Dagegen plädieren überdurchschnittlich viele Nie-Raucher für weitere gesetzliche Maßnahmen. Neben dieser auf das Gesetz bezogenen Betrachtungsweise ist auch der im engeren Sinne gesellschaftliche Aspekt interessant. 90 Prozent der Befragten sagen aus, dass der Raucher sich selbst schadet, aber über die Hälfte sieht auch eine Schädigung der Gesellschaft insgesamt. Für die überwiegende Mehrheit (71%) ist Rauchen „nicht in Ordnung“, 61 Prozent sagen sogar, dass Rauchen „eklig“ sei.

Potenzial für die Beratung in der Apotheke

Die Ergebnisse des Deutschen Gesundheitsmonitors des BAH zeigen, wie verschieden die Menschen und ihre Einstellungen sind und wie ihr Umgang mit bestimmten Sachverhalten ist – hier mit dem Konsum von Tabak. Sie zeigen auch, wie komplex sich jedem Einzelnen das Problem darstellt, mit dem Rauchen aufzuhören. Der Wunsch der Menschen, sich gesund zu verhalten, ihre Individualität sowie ihr Bedarf an Orientierung eröffnen der Apotheke vor Ort ein großes Potenzial für die Kundenberatung. Die persönliche Ansprache in der Offizin ermöglicht es, auf die unterschiedlichen Faktoren einzugehen, die es bei der Raucherentwöhnung zu berücksichtigen gilt. Apotheker können im Gespräch mit dem Kunden den erforderlichen Mix an Maßnahmen erörtern. Sie können zu den zugelassenen Nicotinersatztherapeutika (siehe Tabelle) beraten und gegenüber anderen, oft vermeintlichen „Ersatzmitteln“ abgrenzen. Darüber hinaus können wertvolle Ernährungshinweise gegeben sowie die Bedeutung von Sport und Bewegung erläutert werden. Beides sind wichtige Faktoren bei der Raucherentwöhnung. Die kompetente Patienteninformation in der Apotheke stärkt den Patientennutzen in Bezug auf die Nicotinersatztherapeutika wie auf die Apotheke selbst.

Tab. 1: Übersicht über Nicotinersatzmittel (ohne Anspruch auf Vollständigkeit)
Produkt
Stärke
Nicotinpflaster
Nicorette TX Pflaster
(Pflaster wird jeweils morgens aufgeklebt und vor dem Schlafengehen entfernt)
25 mg
15 mg
10 mg
Nicotinell
(24-Stunden-Pflaster)
52,5 mg
35 mg
17,5 mg
Nikofrenon
(24-Stunden-Pflaster)
52,5 mg
35 mg
17,5 mg
Niquitin Clear
(24-Stunden-Pflaster)
21 mg
14 mg
7 mg
Nicotinkaugummi
Nicorette
2 und 4 mg Whitemint
2 und 4 mg Freshmint
2 und 4 mg Freshfruit
Nicotinell
2 mg Spearmint
2 und 4 mg Tropenfrucht
2 und 4 mg Cool Mint
Nicotinlutschtabletten
Nicorette
2 mg Freshmint
Nicotinell
1 und 2 mg Mint
(entspr. 2 und 4 mg Kaugummi)
Niquitin Mini
1,5 und 4 mg
Spray, Inhaler
Nicorette Spray
1 mg / Sprühstoß
Nicorette Inhaler
15 mg

Mit dem Rauchen aufzuhören, schützt jeden Einzelnen, schützt das persönliche Umfeld (Passivrauchen), schützt Kinder und Jugendliche (Vorbildfunktion) und schützt die Gesellschaft (Krankheitskosten und volkswirtschaftlicher Schaden). Die Apotheke leistet bereits heute einen wertvollen Beitrag. Das Thema Raucherentwöhnung bietet den Apotheken aber noch weiteres Potenzial, ihr Angebot und ihr Leistungsspektrum weiter zu entfalten. |

Quellen:

Deutscher Gesundheitsmonitor des BAH, 2013-2015

Landessozialgericht Berlin Brandenburg, Az. L 9 KR 309/12 KL, 27.05.2015

Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Pressemeldung 18.12.2015

Deutsches Krebsforschungszentrum, Tabakatlas Deutschland 2015

Autor

Lutz Boden, Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller e. V. (BAH) mit ausdrücklichem Dank an Frau Dr. Maria Verheesen und Johannes Koch für ihre Unterstützung beim Monitor-Projekt

Dieser Beitrag ist dem ehemaligen Leiter der BAH-Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Herrn Heinz-Gert (Archy) Schmickler, gewidmet, der zum Ende des Jahres 2015 in seinen wohlverdienten Ruhestand gegangen ist.

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