Die Seite 3

Red-Rice-Roulette

Foto: DAZ/Kahrmann

Dr. Doris Uhl, Chefredakteurin der DAZ

Statine stehen nicht gerade im Ruf, frei von Nebenwirkungen zu sein. Die Todesfälle unter dem 2001 vom Markt genommenen Cerivastatin (Lipobay®) – ausgelöst durch eine Rhabdomyolyse mit anschließendem Nierenversagen – sind unvergessen. Inzwischen ist allgemein bekannt, dass diese Gefahr auch bei anderen Statinen vor allem dann droht, wenn ihr Wirkspiegel beispielsweise aufgrund von Interaktionen unerwartet steigt. Verständlich also, dass manch besorgter Patient lieber nach „natürlichen“ Alternativen sucht. Fatal, wenn er dabei nichts ahnend auf Rotschimmelreis-Produkte zurückgreift.

Anfang März haben das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) erneut vor Red-Rice- bzw. Rotschimmelreis-Produkten gewarnt. Solche Präparate werden als natürliche Cholesterol-Senker angepriesen – und das zu Recht. Denn sie enthalten mit Monacolin K einen Inhaltsstoff, der mit dem verschreibungspflichtigen Wirkstoff Lovastatin identisch ist. Kein Wunder, dass der „natürliche“ Cholesterol-Senker so gut wirkt wie ein „böses“ chemisch-synthetisches Arzneimittel, zumindest wenn pharmakologische Konzentrationen erzielt werden. Dazu reicht nach Ansicht der Experten der Bundesoberbehörden BfArM und BVL eine Tagesdosis von 5 mg Monacolin K. Folgerichtig kamen sie zu dem Schluss, dass Präparate ab dieser Tagesdosis als zulassungspflichtige Arzneimittel einzustufen sind. Wer jetzt aber davon ausgegangen ist, dass solche Präparate endlich nach der wiederholten Warnung der Bundesoberbehörden aus dem Verkehr gezogen worden sind, der muss zur Kenntnis nehmen, dass wieder nichts geschehen ist.

Denn nach wie vor ist es so, dass weder das BfArM noch das BVL befugt sind, diese Produkte vom Markt zu nehmen. Gefordert sind die Überwachungsbehörden der Länder, in denen die für die Präparate zuständigen Unternehmer ihren Sitz haben. Die Behörden müssen sich zunächst einen Überblick über die betroffenen Produkte verschaffen. Dann müssen sie in jedem Einzelfall prüfen, ob es sich tatsächlich um ein zulassungspflichtiges Arzneimittel handelt. Wenn ja, werden Bescheide verschickt, gegen die die betroffenen Unternehmer wiederum Rechtsmittel einlegen können – in der Regel mit aufschiebender Wirkung. Bis zur endgültigen rechtlichen Klärung können diese Produkte weiter vermarktet werden. Das Red-Rice-Roulette darf weitergehen.

Ein gefährliches Glücksspiel also, das für den einen oder anderen Patienten durchaus tödlich enden kann. Warum das Inverkehrbringen solcher Produkte nicht umgehend bundesweit untersagt werden kann, lässt sich kaum vermitteln. In dem Moment, in dem eine Bundesoberbehörde zu dem Schluss kommt, dass zulassungspflichtige Arzneimittel als Nahrungsergänzungsmittel im Handel sind, sollte sie auch die Befugnis erhalten, diese sofort bundesweit aus dem Verkehr zu ziehen. Die Unternehmer könnten dann immer noch den Rechtsweg beschreiten und gegebenenfalls nachweisen, dass es sich in ihrem speziellen Fall doch nicht um zulassungspflichtige Arzneimittel handelt. Warum hier nicht der Verbraucherschutz Vorrang hat vor den Interessen eines Unternehmers, bleibt dem juristischen Laien ein Rätsel.

So bleibt uns nur, im Einzelfall in der Apotheke in engem Kontakt mit unseren Kunden und Patienten für die Gefahren zu sensibilisieren (Das Red-Rice-Risiko, S. 8), in vollem Bewusstsein, dass das nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein kann.


Dr. Doris Uhl

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