Arzneimittel und Therapie

Niedrige Zielwerte erneut bestätigt

Metaanalyse findet linearen Zusammenhang zwischen Blutdruck und kardiovaskulärem Risiko

bk | Bereits im November letzten Jahres hatte die SPRINT-Studie für Aufsehen gesorgt: Sie hatte ergeben, dass ein systolischer Zielblutdruck von 120 mmHg das kardiovaskuläre Risiko für bestimmte Patientengruppen effektiver senken kann als ein Zielwert von 140 mmHg. Nun hat eine Metaanalyse dieses Ergebnis bestätigt und erweitert.

Die SPRINT-Studie untersuchte Hypertoniker ohne Diabetes und Schlaganfall (s. DAZ 2015, Nr. 48, S. 28 – 30). Die aktuelle Metaanalyse hingegen schloss Studien unabhängig von den Vorerkrankungen der Teilnehmer ein. Als Kriterium diente vor allem der Umfang der Studien, so dass nur solche ausgewertet wurden, die in jedem Studienarm mindestens 1000 Patientenjahre nachverfolgten. Insgesamt wurden Daten von mehr als 600.000 Patienten aus 123 Studien analysiert, darunter die aktuelle SPRINT-Studie.

Aus diesen Studien wurden Informationen über schwere kardiovaskuläre Ereignisse sowie Nierenversagen und die Gesamtmortalität extrahiert. Zusätzlich wurden Komorbiditäten wie kardiovaskuläre Erkrankungen, Diabetes und chronische Nierenerkrankungen erfasst.

Foto: Sport Moments – Fotolia.com

Systolische Werte über 120 mmHg sind auch gemäß der aktuellen Metaanalyse noch zu hoch.

Vergleich zwischen Blutdruck-Startwerten

Die Einteilung der Studien erfolgte gemäß den Ausgangswerten des systolischen Blutdrucks. So ergaben sich fünf Klassen, mit Werten unter 130 mmHg, von 130 bis 139 mmHg, von 140 bis 149 mmHg, von 150 bis 159 mmHg sowie über 160 mmHg. Um die Ergebnisse zu standardisieren, wurden für alle Klassen Risikoreduktionen bei einer Senkung des Blutdrucks um 10 mmHg bestimmt.

Es ergaben sich signifikante Reduktionen für schwere kardiovaskuläre Ereignisse (Relatives Risiko RR 0,80), koronare Herzkrankheit (RR 0,83), Schlaganfall (RR 0,73) und Herzinsuffizienz (RR 0,72) sowie für die Gesamtmortalität (RR 0,87) pro Blutdrucksenkung um 10 mmHg. Das Ausmaß dieser Reduktionen war über das gesamte Spektrum des Startblutdrucks ähnlich. Selbst bei Anfangswerten von unter 130 mmHg blieben die positiven Effekte erhalten. Dies widerspricht dem vieldiskutierten J-Kurven-Effekt, der besagt, dass sich eine zu starke Blutdrucksenkung negativ auswirkt.

Die beobachteten Effekte zeigten sich über alle Risikogruppen hinweg. Ausnahmen bildeten Diabetiker und Patienten mit chronischen Nierenerkrankungen, bei denen das Risiko schwächer reduziert war. Diese Ergebnisse könnten auf den methodischen Unterschieden zwischen den Studien beruhen. Zudem waren die Daten der ACCORD-Studie (s. DAZ 2015, Nr. 48, S. 28 – 30), in der kein positiver Effekt einer Blutdrucksenkung für Diabetiker festgestellt werden konnte, mit großem Gewicht in die Auswertung eingegangen.

Zudem ergaben sich Hinweise auf moderate Unterschiede zwischen den verschiedenen Wirkstoffklassen. Diese zeigten sich in der Eignung, spezielle Ereignisse zu verhindern. So waren Beta-Blocker anderen Klassen z. B. bei der Reduktion von Schlaganfällen, Nierenversagen sowie bei der Gesamtmortalität unterlegen. Calciumkanal-Blocker schienen bei der Schlaganfallprophylaxe vorteilhaft zu sein.

Risikobasierte Zielwerte in die Leitlinien?

Seit der SPRINT-Studie mehren sich die Hinweise, dass eine strenge Blutdruckeinstellung von Vorteil ist. Allerdings sind die verschiedenen Strategien zur Blutdrucksenkung noch nicht umfassend bewertet. So konnte die aktuelle Metaanalyse keine Aussagen zu den Nebenwirkungen machen, da diese in den verschiedenen Studien zu ungleich und inkonsistent erfasst wurden. Darüber hinaus wurden bislang Wirkstoff-Kombinationen nicht systematisch untersucht. Da Patienten häufig mehrere Blutdrucksenker gleichzeitig erhalten, könnte auch dieser Vergleich wichtige Informationen liefern.

Die Autoren der Metaanalyse plädieren bereits zu diesem Zeitpunkt für eine Änderung der Leitlinien weg von festen Zielwerten hin zu risikobasierten Zielen auch bei Startwerten von weniger als 130 mmHg. Kommentatoren der Studie weisen jedoch darauf hin, dass die Blutdrucksenkung vor allem bei Personen mit niedrigen Ausgangswerten noch genauer untersucht werden muss, um weitere Belege gegen den J-Kurven-Effekt zu erhalten. |

Quelle

Ettehad D et al. Blood pressure lowering for prevention of cardiovascular disease and death: a systematic review and meta-analysis. Lancet 2015, online veröffentlicht 23. Dezember 2015

Laurent S, Boutouyrie P. Blood pressure lowering trials: wrapping up the topic? Lancet 2015, online veröffentlicht 23. Dezember 2015

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