Arzneimittel und Therapie

ADHS-Therapie – ein Risiko fürs Herz?

Gabe von Methylphenidat ist mit höherem Risiko für Rhythmusstörungen verbunden

Methylphenidat ist unter anderem zugelassen zur Behandlung einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Eine neue Studie zeigt nun jedoch, dass die Einnahme von Methylphenidat zu Therapiebeginn mit einem erhöhten Risiko für Arrhythmien verbunden ist.

Methylphenidat wurde seit seiner Einführung in den 1950er-Jahren gegen chronische Müdigkeit, Lethargie, Verwirrung und Psychosen vermarktet. Neben seiner Bedeutung als ADHS-Medikation wird es auch zur Therapie der Narkolepsie bei Erwachsenen eingesetzt. Methylphenidat erhöht die Konzentrationen von Dopamin und Noradrenalin im zentralen Nervensystem, vermutlich durch Wiederaufnahmehemmung der Neurotransmitter aus dem synaptischen Spalt, und wirkt daher zentral stimulierend.

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Bevor Methylphenidat bei ADHS gegeben wird, sollte das Herz überprüft werden.

Die Kehrseite der Medaille

Die negativen Auswirkungen zentral stimulierender Pharmaka auf das Herz-Kreislauf-System sind bekannt und umfassen eine mögliche Steigerung des Blutdrucks sowie eine Erhöhung der Herzfrequenz. Diese werden derzeit kritisch diskutiert, vor allem weil aussagekräftige Studien zur Sicherheit bei Kindern fehlen. Eine kürzlich publizierte Analyse südkoreanischer, australischer und kanadischer Forscher befasste sich mit dem Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse bei Kindern und Jugendlichen unter ADHS-Therapie [1]. Die Daten wurden einer südkoreanischen Gesundheitsdatenbank entnommen und umfassten 114.647 Personen unter 17 Jahren, von denen 1224 Patienten mit Methylphenidat therapiert wurden und im Zeitraum von 2008 bis 2011 ein entsprechendes Ereignis (Arrhythmie, Bluthochdruck, Herzinfarkt, Ischämie, Herzinsuffizienz) aufwiesen.

Von den untersuchten kardiovaskulären Ereignissen zeigte sich, dass es in den ersten zwei Monaten einer Methylphenidat-Behandlung signifikant häufiger zu Herzrhythmusstörungen kam verglichen mit Phasen, in denen die Kinder nicht behandelt wurden. Das Inzidenzratenverhältnis (Incidence Rate Ratio [IRR]) gibt an, wieviele Ereignisse im Verhältnis zu einem bestimmten Zeitraum und einer bestimmten Personenzahl auftreten. In diesem Fall betrug es 2,01, sodass von einem erhöhten Risiko ausgegangen werden muss. Das Risiko für Arrhythmien lag während der ersten drei Behandlungstage insgesamt am höchsten. Subgruppenanalysen zeigten, dass Kinder mit bestehenden Herzerkrankungen besonders gefährdet sind (IRR 3,49). Auch das Risiko für Herzinfarkte war unter Methylphenidat erhöht, allerdings nicht statistisch signifikant.

Kausalität nicht bewiesen

Da es sich um eine Beobachtungsstudie handelt, ist nur eine Assoziation der kardiovaskulären Ereignisse mit der Einnahme von Methylphenidat nachweisbar, jedoch keine Kausalität. Trotz eines erhöhten relativen Risikos ist das absolute Risiko von Herzarrhythmien weiterhin als sehr gering einzuschätzen. Dennoch sollten die Vor- und Nachteile der ADHS-Behandlung mit Methylphenidat patientenindividuell abgewogen werden, was vor allem durch die stetig steigenden Verschreibungszahlen geboten scheint, so die Autoren der Studie.

Ein begleitendes Editorial verweist zudem auf die aktuellen Behandlungsleitlinien, die empfehlen, Stimulanzien bei Personen mit bestehenden Herzkrankheiten oder familiärer Krankheitshistorie nur unter strenger Kon­trolle des Blutdrucks anzuwenden [2]. Die Beobachtungsstudie bestätigt somit die Bedenken der Experten zur Anwendung von Methylphenidat bei Kindern und Jugendlichen, besonders bei prädisponierten Personen in einem spezifischen zeitlichen Rahmen der Therapie, womit besondere Vorsicht zu Behandlungsbeginn gefordert ist. |

Quelle

[1] Shin JY et al. Cardiovascular safety of methylphenidate among children and young people with attention-deficit/hyperactivity disorder (ADHD): nationwide self controlled case series study. BMJ 2016;353:i2550, published online 31. Mai

[2] Jackson JW. The cardiovascular safety of methylphenidate. BMJ 2016;353:i2874, published online 31. Mai

Apotheker Dr. André Said

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