Arzneimittel und Therapie

Wie sich die Asthma-Therapie verändert

Aktualisierung der Leitlinie zu Diagnostik und Behandlung bis Ende 2016 geplant

Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie (DGP) und die Deutsche Atemwegsliga aktualisieren derzeit ihre Therapieempfehlungen für die Behandlung von Asthma. Noch in diesem Jahr wird eine Neufassung der evidenzbasierten Leitlinie vorliegen – mit einigen deutlichen Veränderungen zur Version von 2006.

Das Stufenschema, das sich am Schweregrad der Erkrankung orientiert, wird beibehalten und angepasst (Abb. 1). Für Patienten mit schwerem und sehr schwerem Asthma gibt es neue Behandlungsoptionen [1].

Abb. 1: Pharmakotherapie der neuen Asthma-Leitlinie 2016 (Deutsche Atemwegsliga [DAL] und Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin [DGP]) [1]. ICS: inhalatives Corticosteroid; LABA: langwirksames Beta-2-Sympathomimetikum; LTRA: Leukotrien-Rezeptorantagonist; SABA: kurzwirksames Beta-2-Sympathomimetikum

ICS schon ab Stufe 1

In erster Linie werden in der Stufe 1 bei leichtem Asthma nach wie vor kurzwirksame Beta-2-Agonisten (SABA), wie Fenoterol, Salbutamol oder Terbutalin, zur Akutbehandlung bei anfallsartig auftretender Atemnot empfohlen. Neu ist, dass schon ab Stufe 1 eine niedrig dosierte Dauertherapie mit einem inhalativen Glucocorticoid (ICS) begonnen werden kann, da der Einsatz von ICS ab Stufe 1 dazu beiträgt, die Lungenfunktion und die Asthmakontrolle zu erhalten.

In Einzelfällen können auch ein kurzwirksames Anticholinergikum (SAMA) wie Ipratropiumbromid oder die Kombination aus SABA und SAMA eingesetzt werden. Eine alleinige Bedarfstherapie mit dem langwirksamen Beta-2-Agonisten (LABA) Formoterol wird hingegen nicht empfohlen, da sie auf lange Sicht mit einem erhöhten Risiko für schwerwiegende Ereignisse mit asthmabedingten Krankenhausaufnahmen und Todesfällen einhergeht.

Kaum Änderungen in Stufe 2

Die Basistherapie ab Stufe 2 bleibt ein niedrig bis mittelhoch dosiertes ICS als Monosubstanz, das dann auf den folgenden Stufen beibehalten und in der Dosierung angepasst wird. Alternativ kann in dieser Stufe auch der Leukotrien-Rezeptorantagonist (LTRA) Montelukast empfohlen werden.

ICS/Formoterol-Kombination auch bei Bedarf in Stufe 3

Ab Stufe 3 ist die bevorzugte Therapie eine Kombination aus ICS und LABA. Neu ist, dass ab dieser Stufe alternativ zum SABA eine Fixkombination aus einem inhalativen Glucocorticoid und Formoterol auch als Bedarfstherapie eingesetzt werden kann. Hintergrund sind der schnelle Wirkungseintritt von Formoterol und die Verbesserung der Compliance: Es kann das gleiche Device, das für die Erhaltungstherapie eingesetzt wird, auch bei Bedarf verwendet werden. Alternativ kann das ICS in Monotherapie höher dosiert oder mit einem LTRA kombiniert werden.

Tripletherapie ab Stufe 4

Patienten, die als Dauertherapie eine Kombination aus ICS und LABA erhalten und die im Vorjahr mindestens eine schwere Exazerbation erfahren haben, sollten eine Tripletherapie aus ICS/LABA und dem langwirksamen Anticholinergikum Tiotropium (seit September 2014 bei schwerem Asthma als Add-on-Therapie zugelassen) erhalten. Als Alternative kann noch ein LTRA kombiniert werden.

Biologika ab Stufe 5

Die Therapie mit einem Biologikum kommt für bestimmte Patienten ab Stufe 5 additiv zur inhalativen Therapie infrage und wird wenn möglich oralen Glucocorticoiden vorgezogen.

Der humanisierte, monoklonale Immunglobulin-G1-Antikörper Omalizumab (Xolair®) richtet sich spezifisch gegen das humane Immunglobulin E (IgE), das eine Schlüsselrolle in der allergischen Immunreaktion spielt [2]. Omalizumab verhindert die Bindung von IgE an den IgE-Rezeptor auf Mastzellen und hemmt dadurch die Freisetzung allergiefördernder Mediatoren wie Histamin und Leukotriene. Das Biologikum wird als Zusatztherapie zur verbesserten Asthma-Kontrolle bei Patienten mit schwerem persistierendem allergischem Asthma angewendet, die

  • einen positiven Hauttest oder In-­vitro-Reaktivität gegen ein ganzjährig auftretendes Aeroallergen zeigen,
  • unter häufigen Symptomen während des Tages oder unter nächtlichem Erwachen leiden und
  • trotz täglicher Therapie mit hochdosierten ICS und einem LABA schwere Asthma-Exazerbationen hatten.

Die Behandlung mit Omalizumab sollte nur bei Patienten in Betracht gezogen werden, bei denen von einem IgE-vermittelten Asthma ausgegangen werden kann.

Der humanisierte monoklonale Antikörper Mepolizumab (Nucala®) bindet mit hoher Affinität und Spezifität an humanes Interleukin 5 (IL-5) und ist zugelassen als Zusatzbehandlung bei schwerem refraktärem eosinophilem Asthma bei Erwachsenen [3]. IL-5 ist das wichtigste Zytokin für Wachstum, Differenzierung, Rekrutierung, Aktivierung und Überleben von Eosinophilen. Mepolizumab hemmt die Bioaktivität von IL-5, indem es die Bindung von IL-5 an die Alpha-Kette des IL-5-Rezeptorkomplexes auf der Zelloberfläche von Eosinophilen verhindert. Dadurch werden die IL-5-Signaltransduktion gehemmt und die Produktion und das Überleben der Eosinophilen vermindert. Je mehr Eosinophile sich im Blut finden, desto günstiger ist die therapeutische Wirkung. Laut Leitlinie wird Mepolizumab ab einer Eosinophilen-Zahl von 300/µl eingesetzt, zugelassen ist der Antikörper schon ab einem Wert von 150/µl. Patienten mit Wurminfektionen (Helminthen) sollten vor Therapiebeginn behandelt werden, da Eosinophile an der Immun­antwort auf manche Helminthen beteiligt sind.

Orale Glucocorticoide werden in der niedrigsten effektiven Dosis bei Patienten eingesetzt, für die kein Biologikum infrage kommt oder die trotz Therapie schlecht kontrolliert bleiben.

Theophyllin nur noch selten

Theophyllin taucht im neuen Stufenschema gar nicht mehr auf und sollte wenn überhaupt nur noch nach sorgfältiger Abwägung, in niedriger Dosierung und unter Spiegelkontrolle eingesetzt werden. Patienten neu auf Theophyllin einzustellen, sollte möglichst vermieden werden. Patienten, die seit Jahren gut auf Theophyllin ansprechen, können aber auch weiterhin damit behandelt werden.

„Klug entscheiden“ in der Pneumologie

  • Rauchern mit einer chronischen Lungenerkrankung soll immer eine strukturierte Tabakrauchentwöhnung angeboten werden.
  • Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen sollen ab dem 60. Lebensjahr gegen Influenza und Pneumokokken geimpft werden.
  • Bei Patienten mit obstruktiven Atemwegserkrankungen wie Asthma und COPD soll eine Therapie mit Inhalatoren nicht begonnen oder geändert werden, ohne dass der Patient im Gebrauch des Inhalationssystems geschult worden ist und die korrekte Anwendung der Inhalatoren überprüft wurde.

Individualisierte Therapie

Auch die Therapie des Asthmas wird zunehmend differenzierter. Dies zeigt schon die individualisierbare Therapie ab Stufe 5 des Stufenplans. Biologika und Biomarker gewinnen vor allem in der Forschung an Bedeutung, um bestimmte Asthma-Subtypen zu therapieren. Zukünftig könnten Biologika als Basistherapie und nicht nur als Add-on-Therapie zum Einsatz kommen. Gerade die Entzündungsreaktionen bieten eine Reihe von Angriffspunkten in der Asthma-Therapie. Entzündungs- und Strukturzellen wie Mastzellen, eosinophile Granulozyten, B- und T-Lymphozyten sowie bronchiale Epithelzellen und Myofibroblasten sind an den Entzündungsreaktionen beteiligt. Mediatoren wie IL-4, IL-5, IL-13 und IgE kommen somit als mögliche Targets in Betracht.

Arzneistoffe in der Pipeline

Ligelizumab ist ein monoklonaler Antikörper mit deutlich höherer IgE-Affinität als Omalizumab; klinische Prüfungen stehen noch aus.

Reslizumab (Cinqaero®) ist wie Mepolizumab ein Antikörper gegen IL-5. Der Ausschuss für Humanarzneimittel der Europäischen Zulassungsbehörde (CHMP) hat im Juni 2016 die Zulassung zur Behandlung von schwerem eosinophilem Asthma empfohlen.

Der IL-5-Rezeptorblocker Benralizumab erreichte den primären Endpunkt in zwei zentralen Phase-III-Studien (SIROCCO und CALIMA [4]).

Lebrikizumab antagonisiert IL-13 und hemmte in einer Phase-II-Studie bei leichtem bis moderatem Asthma die Spätreaktion. Es zeigte bei unter inhalierbaren Glucocorticoiden unkontrolliertem Asthma günstige Wirkungen auf die Lungenfunktion.

Dupilumab bindet an die alpha-Untereinheit des Interleukin-4-Rezeptors und blockiert die von IL-4 und IL-13 ausgelöste Signalübertragung auf T-Zellen. Bei Patienten mit Asthma bronchiale und erhöhten eosinophilen Granulozyten konnte der Antikörper seine klinische Effizienz bereits beweisen. Daneben wird er auch bei atopischer Dermatitis und chronischer Sinusitis mit nasaler Polyposis getestet. |

Quelle

[1] 57. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin, 2. bis 5. März 2016, Leipzig

[2] ABDA Datenbank Omalizumab (Xolair), Datum der letzten Bearbeitung: 04/2016.

[3] ABDA Datenbank Mepolizumab (Nucala), Datum der letzten Bearbeitung: 04/2016.

[4] Benralizumab first AstraZeneca respiratory biologic to complete Phase III. Pressemitteilung von AstraZeneca vom 17. Mai 2016 (Zugriff am 3.8.2016)

Apothekerin Ina Richling, PharmD

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