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Druck auf Ministerium wächst

Zyto-Ausschreibungen: Änderungen im Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetz denkbar

BERLIN (bro/daz) | Exklusive Ausschreibungen in der Zytostatika-Versorgung bleiben ein politisch brisantes Thema. Sowohl die Fachverbände als auch die Regierungsfraktionen von Union und SPD üben Druck auf das Bundesgesundheitsministerium aus. Ihr Ziel: die Ausschreibungen abschaffen oder zumindest ändern. Die Verbände thematisierten die Probleme auch kürzlich bei der internen Anhörung zum Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetz im Bundesgesundheitsministerium (BMG). Das Ministerium bekräftigte nun seine Aussage, es werde die Ausschreibungspraxis überprüfen.
Foto: P. Jungmayr
Exklusive Zubereitung? Derzeit sind Exklusivverträge in der Zytostatika-Versorgung möglich und werden in der Praxis auch genutzt. Kritiker wollen dies ändern.

Vor nicht einmal zwei Monaten hat die AOK ihre zweite große Ausschreibungswelle im Zyto-Bereich beendet. Apotheken in den Gebieten Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, im Rheinland sowie in Hamburg erhielten erstmals exklusive Versorgungszuschläge. In Hessen wurden neue Zuschläge erteilt. Vor einigen Wochen starteten die DAK und der Kassendienstleister GWQ Service Plus die erste bundesweite Ausschreibung für Zytostatika. SpectrumK versucht derweil mit einem Open-House-Modell, im Zyto-Bereich zu sparen.

Sowohl in den Medien als auch in der Politik sind die Zyto-Verträge derzeit dauerpräsent. Die ARD-Sendung „Panorama“ hatte in der vergangenen Woche berichtet, dass Ärzte teilweise mit Medikamenten beliefert würden, die falsche Haltbarkeits-Angaben aufweisen. Der Bundesverband der Onkologen hatte sich darüber beschwert, dass in den Praxen teils chaotische Zustände herrschten – Patienten müssten wegen Verzögerungen in der Belieferung teilweise lange auf ihre Behandlungen warten.

VZA vertieft Kritik bei Verbändeanhörung

Nach Informationen von DAZ.online ist es nicht unwahrscheinlich, dass das BMG die Zyto-Problematik im Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetz noch einmal aufgreift. Bei der Fachanhörung zu dem Gesetz vor rund zwei Wochen haben mehrere Verbände ­ihren Unmut über die Verträge zum Ausdruck gebracht. Insbesondere soll der Verband der Zytostatika-herstellenden Apotheker (VZA) die derzeitigen Versorgungsprobleme angesprochen haben. Der VZA machte das BMG dem Vernehmen nach darauf aufmerksam, dass die Ausschreibungsgewinner Verordnungen ablehnen müssten, wenn sie im Vorhinein wissen, dass sie die Haltbarkeitszeiten nicht einhalten können. Der AOK-Bundesverband soll bei der Anhörung hingegen erneut darauf hingewiesen haben, dass die Belieferung innerhalb von 45 Minuten erfolgen können müsse.

Unterstützung erhielt der VZA dann aber durch die Deutsche Kranken­hausgesellschaft (DKG). Denn auch den Krankenhäusern sind die Zyto-Verträge ein Dorn im Auge. Sie beschwerten sich darüber, dass ambulante Patienten, die die Kliniken beispielsweise für eine Chemotherapie aufsuchen, nicht mehr von den Klinikapotheken versorgt werden könnten. Aus Sicht der DKG ist es ineffizient, solche Patienten mit Medikamenten zu versorgen, die von extern angeliefert werden, wenn die Versorgung innerhalb des jeweiligen Hauses gewährleistet werden könne.

BMG will weiter prüfen

Das BMG versprach den Vertretern der Fachverbände, die derzeitige Versorgungspraxis kritisch zu überprüfen. Eine Ministeriumssprecherin bestätigte DAZ.online: „Das BMG ist mit den Beteiligten im Kontakt, um die Sicherstellung der Versorgung der Patientinnen und Patienten mit parenteralen Zubereitungen durch Exklusivverträge sowie den Willen des Gesetzgebers nach freier Wahl der Apotheke durch den Versicherten im Hinblick auf das Urteil des Bundessozialgerichts zu überprüfen.“ Diese Aussage machte das Ministerium allerdings bereits Mitte Juli gegenüber der DAZ. Welche Optionen das Ministerium derweil diskutiert, ist nach wie vor unklar. Aus dem BMG heißt es nur, es setze sich nachdrücklich für eine wohnortnahe Versorgung, faire Wettbewerbsbedingungen und die Stärkung mittelständischer Strukturen in der Zytostatikaversorgung ein. Und zwar aufbauend auf der derzeitigen Sicherstellung durch Zytostatika herstellende öffentliche Apotheken, die sich gegebenenfalls Herstellbetriebe und Krankenhausapotheken bedienen.

Noch im April hatte das Ministerium die Ausschreibungen verteidigt. Nach einer Kleinen Anfrage der Linksfrak­tion teilte das BMG damals mit, dass es egal sei, welche Apotheke den Arzt beliefere, solange die Belieferung rechtzeitig ausgeführt werde.

Seit 2009 ist es Krankenkassen grundsätzlich erlaubt, die Versorgung mit parenteralen Zubereitungen auszuschreiben, wenn das Recht der Versicherten zur freien Apothekenwahl erhalten bleibt. Allerdings hatte das Bundessozialgericht Ende vergangenen Jahres entschieden, dass die AOK Hessen Apotheker retaxieren kann, der Ärzte ohne exklusiven Versorgungsauftrag mit Zyto-Zubereitungen belieferte. Das Gericht urteilte, dass das Patientenwahlrecht nur dann stärker sein könne als das Wirtschaftlichkeitsgebot, wenn es hierfür zwingende medizinische Gründe gibt.

Auch Abgeordnete werden kritisch

Doch nicht nur die Fachverbände drängen auf eine Änderung an der Ausschreibungspraxis. Dem Vernehmen nach sehen mehrere Gesundheitspolitiker die Ausschreibungen der Krankenkassen skeptisch. Beim Ministerium sollen schon vor der Fachanhörung zum Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetz Nachfragen einiger Abgeordneten-Büros eingegangen sein. Die Politiker wollen wissen, was das Ministerium in dieser Ange­legenheit unternehmen möchte. Sollte das BMG die Zyto-Verträge also nicht selbst im Gesetzentwurf unterbringen, haben die Fraktionen dazu noch eine zweite Chance während des Gesetzgebungsverfahrens im Bundestag. |

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