DAZ aktuell

Orphan Drugs oft ohne Zusatznutzen

GKV-Spitzenverband fordert genauere Prüfung

BERLIN (ks/ral) | Bei Arzneimitteln zur Behandlung seltener Krankheiten (Orphan Drugs) lässt der Zusatznutzen oft zu wünschen übrig. Zu diesem Ergebnis ist der GKV-Spitzenverband gekommen, nachdem er alle Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zum Zusatznutzen neuer Arzneimittel bis Mitte Dezember 2015 überprüft hat.

Seit 2011 müssen sich neue Arzneimittel einer frühen Nutzenbewertung unterziehen. Hier wird geprüft, ob der Wirkstoff einen Zusatznutzen gegenüber der bereits verfügbaren zweckmäßigen Vergleichstherapie bietet. Bei Orphan Drugs gilt der Zusatznutzen allerdings schon mit der Zulassung als belegt – so sieht es das Gesetz vor. Bei ihnen prüft der G-BA nur, welches Ausmaß der Zusatznutzen hat. Nun hat der GKV-Spitzenverband die Nutzenbewertungsbeschlüsse des G-BA von 2011 bis Ende 2015 genauer betrachtet. Für 29 Orphan Drugs wurde in dieser Zeit das AMNOG-Verfahren abgeschlossen. Für knapp die Hälfte der Patientengruppen (47 Prozent) stellte der G-BA laut GKV-Spitzenverband einen „nicht quantifizierbaren“ Zusatznutzen fest. Das heißt: Die wissenschaftliche Datenbasis ist nicht ausreichend, um das Ausmaß des Zusatznutzens zu beurteilen. Bei „normalen“ Arzneimitteln wurde nur in vier Prozent der Fälle ein nicht-quantifizierbarer Zusatznutzen festgestellt. In weiteren 47 Prozent der Patientengruppen der Orphan Drugs sprach der G-BA das kleinste Nutzenausmaß („gering“) zu. Lediglich die restlichen sechs Prozent erhielten das zweitbeste Votum („beträchtlich“).

Ein Problem aus Sicht des GKV-Spitzenverbands: Aufgrund des angenommenen Zusatznutzens starten die Preisverhandlungen zwischen dem GKV-Spitzenverband und dem pharmazeutischen Hersteller bei Arzneimitteln gegen seltene Leiden auf relativ hohem Niveau. Doch Johann-Magnus von Stackelberg, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Verbandes, hebt auch auf Gefahren für die Patienten ab. Wer Orphan Drugs einnehme, habe dasselbe Bedürfnis nach umfassender Information und Bewertung von Nutzen und Risiken wie andere Patienten. Er fordert daher: „Um Patienten mit seltenen Krankheiten eine sichere Arzneimitteltherapie anbieten zu können, muss der G-BA in begründeten Einzelfällen auch bei Orphan Drugs das Nutzen- und Schadenpotenzial vollständig prüfen dürfen. Hier ist eine Rechtsänderung dringend notwendig.“ |

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