Deutscher Apothekertag 2016

Nichteinmischungsdoktrin?

Ein Kommentar von Christian Rotta

Dr. Chris­tian Rotta, Geschäftsführer des Deutschen Apotheker Verlags

Wenn es konkret wird, ist es mit dem Selbstbewusstsein der „verfassten Apothekerschaft“ so eine Sache. Deutlich wurde dies in der Hauptversammlung bei der Debatte über einen Antrag der Apothekerkammer Bremen zum Einsatz von Reserve­antibiotika in der Veterinärmedizin. Dabei ist die Faktenlage klar: Die Entstehung und Ausbreitung von Resistenzen gegen Antibiotika stellt inzwischen weltweit eine ernste Gesundheitsgefährdung dar, wobei in Deutschland im Jahr 2013 von Tierärzten doppelt so viele Antibiotika zum Verbrauch verabreicht wurden wie von Ärzten im humanmedizinischen Bereich. Zwar sank der Antibiotika-Einsatz in der Tierhaltung in den letzten Jahren, gleichzeitig stieg jedoch die Abgabe und Anwendung der für die Humanmedizin so wichtigen Antibiotika-Gruppen der Fluorchinolone und Cephalosporine (3. und 4. Generation) stark an. Der Dosisvergleich zeigt, dass der Rückgang bei der absoluten Abgabemenge durch Wirkstoffe (Reserveantibiotika) mit geringeren Dosierungen überkompensiert wird. Zwar haben inzwischen sowohl Deutschland mit der Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie (DART 2020) und einigen Verschärfungen im Arzneimittelgesetz als auch die Europäische Union Initiativen ergriffen, um der Problematik Herr zu werden. Gleichwohl bestehen auch heute noch insbesondere im Hinblick auf den Antibiotika-Einsatz bei Masttieren bedenkliche Regelungslücken.

So weit, so schlecht. Dass die Apothekerkammer Bremen vor diesem Hintergrund einen Antrag an den Gesetzgeber stellte, seine Anstrengungen gegen Antibiotika-Resistenzen an der Nahtstelle von Human- und Tiermedizin konsequent fortzusetzen und zu forcieren, war deshalb sehr zu begrüßen. Immerhin ist das Antibiotika-Thema im Kernbereich pharmazeutischer Kompetenz angesiedelt. Und immerhin dürfte der massen­hafte Einsatz von Antibiotika in der Tiermedizin nicht zuletzt Folge eines tierärztlichen Dispensierrechts sein, das die „Gewaltenteilung“ von Tierarzneimittelverschreibung, Tierarzneimittel­abgabe und Tierarzneimittelanwendung aufhebt und damit missbrauchsanfällige Anreize für ­einen Mehr- und Fehlgebrauch von Antibiotika setzt. Vor einigen Monaten hatte auch der niedersächsische Landwirtschaftsminister Christian Meyer auf diesen Zusammenhang hingewiesen (DAZ 2016, Nr. 8, S. 20). Doch auf der Hauptversammlung wurden diese fachlichen und strukturellen Gesichtspunkte weitestgehend ausgeblendet. Stattdessen war bestimmend, es sich mit den Tierärzten und ihren Berufsvertretungen nur nicht verscherzen zu wollen. Nichteinmischungsdoktrin pur. Ein ceterum censeo zum tierärztlichen Dispensierrecht: Fehlanzeige. Selbst ein Kammerpräsident mit Tierarzt-Tochter stieg in die Bütt und plädierte für die Ablehnung des Antrags. Ob umgekehrt aufseiten der Tierärzte auch solche Sensibilitäten bestünden? Sichtbares Vertrauen in die eigene Kompetenz sieht anders aus.

Immerhin: Nachdem der Versuch, den Antrag still und leise aus dem Blickfeld zu bugsieren und in einen Ausschuss zu verweisen, gerade noch verhindert werden konnte (mit 178 zu 160 Stimmen), führte die Debatte doch noch zu einem guten Ende: Der Bremer Antrag wurde mit deutlicher Mehrheit angenommen. Alles andere wäre auch kaum vermittelbar gewesen. Weder nach innen noch nach ­außen.


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