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Geld fürs Nichtstun?
Von Reverse Payments profitieren Original- und Generikahersteller – die Gesellschaft zahlt
Um Originalpräparate zu schützen, lassen sich Pharmaunternehmen einiges einfallen. Gängige Praxis ist es etwa, dass zusätzlich zum Hauptpatent, dem Wirkstoffpatent, weitere Patente beantragt werden, z. B. für das Herstellungsverfahren oder für weitere Indikationen. Meist werden Zusatzpatente erst Jahre nach dem ursprünglichen Patent beantragt – und der Schutz für das Arzneimittel damit verlängert. Allerdings ist der Bestand derartiger Zusatzpatente umstritten – und Generikahersteller stellen sie häufig infrage, um Nachahmerpräparate auf den Markt bringen zu können. Sie sind dabei durchaus erfolgreich: Laut einer Untersuchung der Europäischen Kommission siegten Generikahersteller in 62 Prozent der Patentrechtsverfahren, die von einem Gericht entschieden wurden. In diesen Fällen durften die Unternehmen ihre Generika dann vermarkten.
Deal statt Gerichtsverfahren
In vielen Fällen kommt es jedoch erst gar nicht zu einer gerichtlichen Entscheidung. Oftmals legen forschende Pharmaunternehmen und Generikafirmen ihren Streit nämlich per Vergleich bei: Das forschende Unternehmen zahlt – und der Generikahersteller verzichtet im Gegenzug darauf, sein Produkt auf den Markt zu bringen. Die beteiligten Unternehmen profitieren beide bei derartigen Deals – die Gesellschaft trägt die Kosten. Denn die Krankenkassen und damit letztlich die Versicherten müssen höhere Preise für Arzneimittel zahlen als nötig.
Anreize für gerichtliche Verfahren schaffen
Eine Lösung wäre Fischmann zufolge, dass erst gar keine angreifbaren Patente erteilt werden. Doch das hält er in der Praxis nicht für machbar. Denn es würde eine intensivere Prüfung von Patentanträgen und damit noch längere Verfahren nach sich ziehen. Stattdessen plädiert er dafür, fehlerhaft erteilte Patente verstärkt durch Einspruchsverfahren beziehungsweise Nichtigkeitsverfahren zu korrigieren. Dazu müssten jedoch stärkere rechtliche Anreize zur Einleitung derartiger Verfahren geschaffen werden. Die Gerichte wiederum sollten dafür sorgen, dass Personen und Einrichtungen, die aufgrund der Absprachen einen Schaden erlitten haben, angemessenen Ersatz erhalten. Die gerichtlichen Verfahren sollten laut Fischmann zudem vom Gesetzgeber beschleunigt werden. Schließlich spricht er sich auch dafür aus, Zertifikate einzuführen, die darüber informieren, welche Patente gründlich überprüft wurden und welche nicht. Damit würde weniger Ungewissheit über die Qualität von Patenten bestehen.
Härtere Sanktionen nötig
Auch ohne solche Maßnahmen sanktionieren die Kartellbehörden bereits heute Reverse Payments. Für die betroffenen Unternehmen ist dies oftmals schmerzhaft, denn die Bußgelder betragen teilweise mehrere Millionen Euro. So hat die Europäische Kommission im Dezember 2013 z. B. Johnson & Johnson ein Bußgeld von 10,8 Millionen Euro und Novartis von 5,5 Millionen Euro auferlegt, weil sie einen Generikahersteller im Rahmen eines Co-Promotion-Agreements bezahlt hatten. Damit sollte der Markteintritt des Fentanyl-Generikums verzögert werden.
Allerdings erfolgen derartige Sanktionen aus Fischmanns Sicht zu selten – und noch immer nicht hart genug. Der Jurist hofft, dass eine härtere kartellrechtliche Sanktionierung von Reverse Payments nicht nur entstandene Schäden wiedergutmacht, sondern auch einen abschreckenden Charakter entfaltet. Für die Pharmahersteller könnte es dann richtig teuer werden. |
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