Die Seite 3

Die Sprache und das Denken

Foto: DAZ/Kahrmann
Dr. Benjamin Wessinger, Chefredakteur der DAZ

Von der Kammerversammlung in Bayern kam in der vergangenen Woche der Vorschlag, die Forderung nach einem „Rx-Versandverbot“ durch die nach einer „Beschränkung des Versands auf OTC-Arzneimittel“ zu ersetzen. Das klinge weniger bedrohlich für die Bevölkerung, die bei Verbot gleich Angst habe, man wolle ihr etwas wegnehmen. Bei der Kammerversammlung in Nordrhein am Tag darauf kritisierte ein Delegierter, dass von der Sicherung der Vergütung gesprochen wurde – entscheidend sei doch die Sicherung der Versorgung. (Ausführliche Berichte von den Kammerversammlungen der letzten Tage finden Sie ab S. 82.)

Diese berechtigten Einwände bzw. Vorschläge erinnern daran, dass es für die Wirkung des Gesagten manchmal durchaus auf die Wahl des richtigen Begriffs ankommt. Gerade in der Diskussion um das Rx-Versendver … pardon, in der Diskussion um die Beschränkung des Arzneimittelversands auf nicht verschreibungspflichtige Präparate gibt es dafür viele Beispiele.

So handelt es sich bei den Preisnachlässen der ausländischen Versender für einen Gelsenkirchener Kollegen gar nicht um „Boni“. Eigentlich seien das Provisionen (oder gar „Kick-back-Zahlungen“) dafür, dass das Rezept umständlich ins Ausland verschickt wird. Ökonomisch betrachtet, könnte man die Bonigewährung auch als Honorarsenkung ansehen. Wie Reinhard Herzog in der aktuellen Ausgabe des „AWA“ vorrechnet, sogar als eine kräftige: Nur ein Euro Bonus (die Versender gewähren aktuell mindestens zwei Euro) führt in der durchschnittlichen Apotheke zu einem Rohertragsverlust von 37.000 Euro. Und da mit diesem Rückgang keine Kostensenkungen verbunden sind, führt er zu einem Rückgang des Betriebsergebnisses in derselben Höhe!

Oder „Versandapotheke“. Wenn man mit dem Begriff der Apotheke weiterhin die altehrwürdige Offizin meint, in der es gut riecht, Kinder einen Traubenzucker bekommen und hochkompetentes Fachpersonal persönliche Beratung anbietet – dann sollte man diesen Begriff nicht im Zusammenhang mit Online-Händlern verwenden. Die österreichischen Kollegen sprechen übrigens konsequent vom „Fernabsatz“.

Auch beim Honorar sollten wir unsere Formulierungen überdenken. Der Apotheker bekommt nur in unter 10 Prozent der Abgaben tatsächlich 8,35 Euro Fixhonorar – nämlich wenn der Kunde privat bezahlt. In über 90 Prozent der Rx-Abgaben wird der „Kassenabschlag“ fällig (der bei den Krankenkassen übrigens „Apothekenabschlag“ heißt). Vielleicht sollte man aufhören, von „den 8,35 Euro“ zu reden. Die Honorierung beträgt nur 6,86 Euro! (Der Kassenabschlag beträgt 1,77 Euro brutto, ohne Mehrwertsteuer also 1,49 Euro.)

Das Wort „Kunde“ ist ein besonders schwieriger Fall. Zumindest bei Abgaben zulasten der GKV ist der Kunde eigentlich die Krankenkasse, die ja die Rechnung bezahlt. Vor dem HV-Tisch steht ein Patient! Es spricht viel dafür, auch in Fällen der Selbstmedikation lieber von Patienten als von Kunden zu sprechen – „Verbraucher“ oder gar „Konsument“ hört man eigentlich nur von Nicht-Apothekern. Schon vor Jahren sagte ein Arzt auf der Interpharm, dass er es bemerkenswert finde, dass der Mensch auf dem Weg von der Arztpraxis zur Apotheke vom Patienten zum Kunden werde …

Man muss bestimmt nicht so weit gehen, dass Wort „Apotheke“ ob seines altgriechischen Ursprungs als „Lagerraum“ abzulehnen. Aber ein sorgfältiger Umgang mit den Begrifflichkeiten schärft nicht nur beim Zuhörer, sondern auch beim Sprecher das Bewusstsein – und prägt das Denken!


Benjamin Wessinger

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