Arzneimittel und Therapie

Und da ist sie wieder: die Vogelgrippe!

Welche Fragen Deutschland jetzt beschäftigen

Seit Anfang des Monats überschlagen sich wieder die Meldungen zur Vogelgrippe – diesmal mit H5N8. Erst wurden tote Wildvögel am Bodensee und auf der Ostseeinsel Riems gefunden. Dann mussten letzte Woche 30.000 (!) Hühner aus einem eigentlich hermetisch abgeschlossenen Stall gekeult werden, weil sie mit dem hoch-pathogenen Influenza-Virus H5N8 infiziert waren. War das nötig?

Das Virus H5N8 hat Deutschland bereits vor ziemlich genau zwei Jahren „heimgesucht“. Damals wurden hierzulande, in Großbritannien und in den Niederlanden fast 200.000 Puten, Lege­hennen und Enten getötet.

Ist das Virus neu?

Wie vor zwei Jahren wird vermutet, dass das Virus im Körper von Zugvögeln die weite Strecke von Korea nach Europa zurücklegte. Bereits im März dieses Jahres wurden die Zahlen mit H5N8 infizierter Vögel aus Südkorea an die World Organisation for Animal Health (OIE) gemeldet [1]. Und doch hat sich die aktuelle H5N8-Variante gegenüber 2014 verändert, wie die ersten Untersuchungen vermuten lassen. Allerdings ist das auch nicht weiter verwunderlich, schließlich besteht das Genom der Influenza-Viren aus einzelsträngiger RNA. Für die Virusvermehrung wird eine sehr fehlerhaft arbeitende, virale RNA-Polymerase genutzt, die für Veränderungen in der viralen RNA und damit auch in den viralen Proteinen verantwortlich ist, was sich wiederum auf die Pathogenität der Viren auswirken kann. Das derzeit kursierende Virus mit den antigenen Komponenten Hämagglutinin 5 und Neuraminidase 8 wird zu den hochpathogenen Virusstämmen (high pathogenic avian influenza, HPAI) gezählt, die bei Vögeln sehr starke Erkrankungen auslösen und häufig zum Tod der Tiere führen.

Anhand der Meldungen, die beim OIE im Laufe des Jahres aus den verschiedenen Ländern zu H5N8 eingegangen sind, wird vermutet, dass infizierte Zugvögel mindestens zwei verschiedene Flugrouten eingeschlagen haben: eine nordbaltische Route, die über Polen und Norddeutschland verläuft, sowie eine zentraleuropäische Route über Kroatien, Ungarn und Süddeutschland [2]. Sicherlich wird es auch zukünftig immer wieder Fälle von Vogelgrippe-Epidemien geben. Wir können uns daran gewöhnen und mit geeigneten Maßnahmen vor den Gefahren schützen.

Foto: countrypixel - Fotolia.com
Auf die Weihnachtsgans muss trotz Vogelgrippe nicht verzichtet werden: Die Zubereitung erfordert eine Kerntemperatur von 90 Grad. Dieser Hitze hält das Virus H5N8 - sollte das Fleisch tatsächlich infiziert sein - nicht stand.

Ist das Virus für Geflügel­betriebe gefährlich?

Oh ja, wie man an dem Stall im Kreis Schleswig-Flensburg gesehen hat: Obwohl die Anlage in sich abgeschlossen war und sicherlich keine infizierten Wildvögel eindringen konnten, haben sich Hühner mit H5N8 angesteckt. Damit sich keine Viren von diesem Hof weiter ausbreiten können, wurden alle Tiere des Bestands getötet, die Ställe wurden gereinigt und desinfiziert, und um den Hof wurden ein Sperrbezirk von drei Kilometern und ein Beobachtungsgebiet von weiteren sieben Kilometern eingerichtet. Überall dort, wo Feuchtgebiete und Rastgebiete von Zug- und Wildvögeln in der Nähe sind und eine gewisse Gefahr für eine Infektion mit eingeschleppten Viren besteht, wird eine Stallpflicht für Geflügel angeordnet. Wie gut die Tiere in den Ställen geschützt sind, hängt von der Ausstattung der Ställe zur Biosicherheit und von den Sicherheitsvorkehrungen der darin arbeitenden Menschen ab. Das Friedrich-Loeffler-Institut stellt auf seiner Internetseite (www.fli.de) aktuelle Informationen zur Epidemiologie der Vogelgrippe zur Verfügung und gibt Empfehlungen zur Geflügelhaltung [3]. Die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut empfiehlt Personen mit engem Kontakt zu Geflügel, sich jährlich gegen Influenza impfen zu lassen. Außerdem sind seit 2006 Empfehlungen des RKI publiziert, welche Schutzmaßnahmen Personen mit einem erhöhten Expositionsrisiko gegenüber aviären Influenza-Viren ergreifen können [4]. Damit soll das Zusammentreffen von Influenza-A-Viren aus dem Menschen mit solchen aus infiziertem Geflügel möglichst verhindert werden. Denn sonst könnte es dazu kommen, dass sich neue, sogenannte Reassortanten aus zwei Virus-Typen mit unvorhersehbaren Folgen für die Pathogenität und Infektiosität – auch für den Menschen – bilden. Derzeit kursieren in Deutschland keine anderen Vogelgrippe- oder Schweinegrippeviren, sodass die Gefahr einer weiteren Mischung momentan gering ist.

Ist das Virus für Menschen gefährlich?

Im Prinzip ja, weil Influenza-A-Viren mit Hämagglutinin 5 auch menschliche Zellen infizieren können, das aber sehr viel schlechter als die Zellen von Vögeln. In den vergangenen Jahren wurden zwar Fälle gemeldet, dass sich Menschen mit Vogelgrippeviren infiziert hatten. Allerdings waren dies Infektionen mit den Virus-Typen H5N1 und H7N9, die jeweils durch den direkten Umgang mit Geflügel aufgetreten sind. Eine direkte Übertragung der aviären Grippeviren von Mensch zu Mensch ist bisher dagegen nicht dokumentiert. Deshalb ist derzeit die Gefahr für Menschen (noch) sehr gering.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat nach den Meldungen über die Grippefälle bei Vögeln sofort reagiert und eine Bewertung zum Infektionsrisiko beim Verzehr von Geflügelfleisch und Geflügelprodukten veröffentlicht (siehe Kasten). Demnach ist eine Virusübertragung auf diesem Weg eher unwahrscheinlich. Vorsichtshalber sollte man jedoch die üblichen allgemeinen Hygienemaßnahmen, die im Übrigen auch bezüglich einer Kontamination mit Salmonellen wichtig sind, beachten. Vorsichtig sollten allerdings jene Personen sein, die direkten Kontakt zu Geflügel haben, sowohl was die (unwissentliche) Übertragung von Vogelgrippeviren angeht, als auch hinsichtlich des eigenen Risikos, infiziert zu werden [5].

Sechs Hygieneregeln

  • rohe Geflügelprodukte und andere Lebensmittel getrennt lagern und zubereiten
  • Gerätschaften und Oberflächen, die mit rohen Geflügelprodukten in Berührung gekommen sind, gründlich mit warmem Wasser und Spülmittelzusatz reinigen
  • Verpackungsmaterialien, Auftauwasser u. ä. sofort entsorgen
  • Hände mit warmem Wasser und Seife waschen
  • Geflügelspeisen gründlich durchgaren, d. h. es muss eine Kerntemperatur von 70 °C über mindestens zwei Minuten erreicht werden
  • Eier sollten vor dem Verzehr gekocht werden, bis Eiweiß und Eigelb fest sind

Fazit

Die Vogelgrippe gehört zu den immer wiederkehrenden Gefahren, ähnlich wie Überschwemmungen oder Stürme. Wir müssen uns damit auseinandersetzen und frühzeitig geeignete Maßnahmen ergreifen, um Schlim­meres zu verhindern. Dazu gehört dann leider auch, dass eventuell 30.000 Hühner getötet werden müssen. Die Alternative wäre sonst, dass 30.000 Hühner als Brutstätten für Billionen neuer Viruspartikel dienen, die sich unter günstigen Bedingungen weiterverbreiten und ob ihrer großen Anzahl und ihres gefährlichen Variabilitätspotenzials gegebenenfalls auch Menschen infizieren können. Zudem würden die mit einem hochpathogenen (HPAI)-Virus infizierten Tiere mit großer Wahrscheinlichkeit sowieso an der Vogelgrippe versterben.

Beruhigend ist, dass die Überwachungsmaßnahmen und der internationale Datenaustausch gut funktionieren, sodass frühzeitig auf drohende Gefahren reagiert werden kann. Durch die Transparenz dieser Daten wird auch die Bevölkerung informiert, wobei durch die Information durch kompetente Stellen sichergestellt ist, dass die Informationen auf einer wissenschaftlich-basierten Gefahreneinschätzung beruhen und weder verharmlost noch dramatisiert werden. |

Quellen

[1] http://www.oie.int Update on highly pathogenic avian influenza in animals (Type H5 and H7)

[2] https://www.gov.uk Research and analysis – Avian influenza (bird flu) in Europe. 11 November 2016: Avian Influenza (H5N8) in Europe.

[3] https://www.fli.de Risikoeinschätzung zum Auftreten von HPAIV H5N8 in Deutschland

[4] http://www.rki.de Empfehlungen des Robert Koch-Instituts zur Prävention bei Personen mit erhöhtem Expositionsrisiko durch (hochpathogene) aviäre Influenza A/H5 Stand: 2.3.2006

[5] http://www.bfr.bund.de Aktueller Vogelgrippe-Ausbruch: Virusübertragung (H5N8) durch den Verzehr von Geflügelfleisch und Geflügelfleischprodukten unwahrscheinlich

Dr. Ilse Zündorf

Prof. Dr. Theo Dingermann


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.