Therapien im Gespräch

Damiana für die Dame ...

... und weitere pflanzliche Produkte, die für Schlagzeilen sorgten

du | Phytopharmaka erfreuen sich nach wie vor großer Beliebtheit und gerne wird bei gesundheitlichen Beschwerden auch auf Tees zurückgegriffen. Die Evidenz ist oft genug gering, die Wirk-Versprechungen dafür um so vollmundiger. Und dann gibt es auch noch Risiken.

Seit dem 1. Juli 2016 ist mit Remisens® ein Präparat auf dem Markt, das die Libido der Frau unterstützen und das nachlassende sexuelle Verlangen wieder aufleben lassen soll.

Placebo-Aphrodisiakum?

Dr. Ilse Zündorf und Prof. Dr. Robert Fürst vom Pharmazeutischen Institut der Universität Frankfurt haben sich dieses neue, rein pflanzliche Produkt näher angeschaut. Remisens ist ein traditionelles pflanzliches Arzneimittel, das als solches vom BfArM regis­triert wurde. Es enthält einen Turnera-diffusa-Extrakt, dessen Inhaltsstoffe über eine Aromatase-Hemmung den Testosteron-Spiegel erhöhen und damit das sexuelle Verlangen steigern sollen. Ob der postulierte Wirkmechanismus tatsächlich eine Rolle spielt, ist nach Zündorf und Fürst unklar. Ordentlich durchgeführte klinische Studien fehlen, sie sind für eine Registrierung auch nicht notwendig. Damit ist die Evidenz für die Anwendung von Remisens® sehr gering. Will eine Kundin jedoch unbedingt etwas gegen ihren Libidoverlust einnehmen, muss man bei der Abgabe dieses Präparats keine allzu großen Bedenken haben, denn gerade auf dem Gebiet der Aphrodisiaka ist der Placebo-Effekt nicht zu vernachlässigen, so das Fazit der Autoren (DAZ 28, S. 58).

Foto: Stephan von Mikusch – Fotolia.com
Blüte der Damiana-Pflanze Turnera diffusa

Probleme mit Johanniskraut

Schon 2015 traten immer wieder Lieferengpässe bei Johanniskraut-Präparaten auf. Besonders betroffen war der Marktführer unter den Johanniskraut-Präparaten, Laif® 900. Anfang 2016 spitzte sich die Situation zu. Es stellte sich die Frage, gegen welche verfüg­baren Präparate ausgetauscht werden kann. Da Laif® das einzige Johanniskraut-Präparat ist, das einen mit 80%igem Ethanol hergestellten Trockenextrakt enthält, musste geprüft werden, welches verfügbare Produkt am besten für einen Austausch geeignet war. Prof. Dr. Theo Dingermann und Dr. Ilse Zündorf gaben folgende Empfehlung (DAZ 11, S. 32):

  • Es sollte in jedem Fall ein Extrakt-Präparat verwendet werden. Dieses sollte möglichst mit dem gleichen Extraktionsmittel hergestellt worden sein wie das nicht lieferbare Laif® 900.
  • Es sollte das gleiche oder ein sehr ähnliches Droge-Extrakt-Verhältnis (DEV) deklariert sein.
  • Die Tagesdosis sollte so gewählt werden, dass sie bei vergleichbaren Spezifikationen der von Laif® 900 entspricht.
  • Der Extrakt sollte klinisch geprüft sein.

Das Rohstoffproblem ...

Über die Gründe der Lieferprobleme des inzwischen wieder verfügbaren Johanniskraut-Präparats wurde heftig spekuliert. Der Hersteller Bayer gab als Erklärung eine unzureichende Rohstoffqualität an. Aber auch die Pyrrolizidinalkaloid-Problematik wurde diskutiert. Denn zum 1. März 2016 hatte das BfArM verbindlich festgeschrieben, unter welchen Voraussetzungen welche Pyrrolizidin-Grenzwerte einzuhalten sind.

Das Kreuz mit dem Kreuzkraut

Besonders Johanniskraut-haltige Präparate sind prädestiniert für Pyrrolizidinalkaloid-Kontaminationen, da bei der Wildsammlung eine große Verwechslungsgefahr mit dem ebenfalls gelb blühenden Schmalblättrigen Kreuzkraut und verwandten Spezies besteht. Nur wenige dieser Pyrrolizidinalkaloid-haltigen Pflanzen können ganze Drogenchargen unbrauchbar machen.

Mit dem Pyrrolizidinalkaloid-Problem kämpfen nicht nur Arzneimittelhersteller, sondern auch Hersteller unterschiedlicher Teesorten. So sorgte zuletzt ein Öko-Test-Bericht für Schlagzeilen, der viele Stilltees unter anderem der Firmen Weleda, H&S, Bombastus und Aurica wegen eines zu hohen Pyrrolizidin-Gehalts mit mangelhaft bis ungenügend bewertete. Darauf angesprochen beteuerten diese Firmen, dass bei eigenen Kontrollen der kritisierten Chargen die Grenzwerte eingehalten worden seien. Für Dingermann ein Scheingefecht zwischen Öko-Test und den Herstellern, das nach einem Schiedsrichter verlange. Denn über Messwerte könne nicht gestritten werden. Einer der Kontrahenten müsse schlampig gemessen haben oder womöglich die Unwahrheit sagen. Das sei nicht akzeptabel! (DAZ 48, S. 40)

Fotos: Ilse Zündorf
Kontaminationsgefahr mit katastrophalen Folgen: Hypericum perforatum (Fam. Hypericaceae, links) mit einem Kreuzkraut, hier Senecio jacobaea (Fam. Asteraceae).

Cranberry-Zubereitungen enttäuschen

Zubereitungen aus Cranberry-Früchten werden zur Prävention und teilweise auch zur begleitenden Therapie unkomplizierter Harnswegsinfektionen (uncomplicated urinary tract infections, UTI) eingesetzt. Nach neueren Befunden scheint klar, dass oral eingenommene Cranberry-Zubereitungen antiadhäsive Wirkungen gegenüber uropathogenen E.coli aufweisen, allerdings lediglich gegen Typ-1-Fimbrien-dominierte Stämme, so Prof. Dr. Andreas Hensel und Dr. Nasli Melner in der DAZ-Serie Phytoforschung. Als Wirkstoffe werden jedoch nicht mehr Proanthocyanidine angesehen. Derzeit wird versucht durch gezielte analytische Untersuchungen des Urins behandelter Probanden die Wirkstoffe zu identifizieren (DAZ 21, S. 58). Eine im Oktober 2016 publizierte randomisierte klinische Studie bestätigte, dass Cranberry-Proanthocyanidine ältere Frauen nicht vor Harnwegsinfektionen schützen können (Juthani-Mehta M, et al. JAMA 2016; published online 27. Oktober 2016). Prof. Dr. Martin Smollich, Rheine, sieht darüber hinaus keinen Nachweis dafür, dass andere Cranberry-Zubereitungen zur Prävention von Harnwegsinfektionen geeignet sind. Für ihn ist die neue Studie überzeugend und stimmt mit früheren Untersuchungen überein, nach denen entsprechende Zubereitungen in dieser Indikation unwirksam sind. In der Beratung sollte auf Basis der wissenschaftlichen Evidenz deshalb auch nicht suggeriert werden, dass diese Produkte „möglicherweise“ wirksam sind – vielmehr sollte aufgrund der ­erwiesenen Unwirksamkeit von ihrer Anwendung abgeraten werden, so sein Plädoyer (DAZ 46, S. 30). |

DAZ-Serie Phytoforschung

Durchwachsener Wasserhanf –  Extrakte wirken antiinflammatorisch, antiviral und antiplasmodialDAZ 51, S. 42

Süßholzwurzel – Ein Multitalent unter den pflanzlichen Arzneidrogen DAZ 47, S. 70

Eibischwurzel – Inhaltsstoffe der Droge und ihre molekularen Targets DAZ 43, S. 57

Orthosiphonblätter – Wässriger Extrakt hemmt die Adhäsion patho­gener Bakterien im Harntrakt DAZ 39, S. 54

Kreuzkümmel – Eine traditionelle Droge mit Potenzial DAZ 34, S. 37

Kümmel – Potenzial als Antiadipositum und Bioenhancer DAZ 29, S. 62

Safran –  gegen Depressionen – Der Metabolit Crocetin greift am NMDA-Rezeptor von Neuronen an DAZ 25, S. 46

Cranberry-Früchte –  gegen Blasenentzündung – Verhinderung der Adhäsion von E. coli an das Epithel der unteren Harnwege DAZ 21, S. 58


Alles zur Phytotherapie unter www.deutsche-apotheker-zeitung.de – Pharmazie – Beratung – Phyto­therapie

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