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Rechtsprechung 2016
Der Nackenschlag aus Luxemburg
Almased ohne Arzt-Empfehlung?
Sowohl im Fernsehen als auch in Printmedien wurde 2016 das Diätprodukt „Almased Vitalkost®“ massiv beworben. Die dabei getroffenen Aussagen waren immer wieder Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Ein Urteil des Landgerichts Lüneburg erklärte eine Werbung für unlauter, in der der Arzt Aloys Berg für das Abnehmprodukt wirbt. Sowohl der Almased-Hersteller als auch Berg wurden auf Unterlassung verurteilt. (AZ 2, S. 3)
Vorsicht bei „Deutsch als Muttersprache“! Verlangt ein Arbeitgeber in einer Stellenausschreibung von den Bewerbern „Deutsch als Muttersprache“, so hat er nach Auffassung des Hessischen Landesarbeitsgerichts gegen das Benachteiligungsverbot des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes verstoßen. Das Auswahlkriterium in der Stellenausschreibung meine nämlich nicht lediglich eine perfekte Beherrschung der deutschen Sprache, sondern stelle „eine unmittelbare Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft“ dar. (AZ 2, S. 6)
„ABDA-Pressesprecher für einen Tag“. „Saublöde Geschichte“ und „Shit happens“ – so bezeichnete ABDA-Präsident Friedemann Schmidt die kürzeste Amtszeit eines ABDA-Pressesprechers aller Zeiten. Noch bevor Sven Winkler seinen Posten antrat, war er ihn schon wieder los. In einem Online-Forum hatte eine Apothekerin schwere Vorwürfe gegen Winkler erhoben. Winkler klagte auf Unterlassung und Schadensersatz – und bekam vor dem Landgericht München I weitgehend Recht. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die beklagte Apothekerin hat gegen die erstinstanzliche Entscheidung Berufung einlegt. (DAZ 2, S. 14)
Ex-KBV-Chef Köhler muss zahlen. Das Landgericht Berlin hat den früheren Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) Andreas Köhler dazu verurteilt, an seinen ehemaligen Arbeitsgeber 94.979,59 Euro nebst Zinsen zurückzuzahlen. So hoch war der Mietkostenzuschuss, den die KBV ihrem Chef seinerzeit rechtsgrundlos gewährt hatte. Im Urteil des Landgerichts heißt es, dass „evidenter Missbrauch der Vertretungsmacht“ des Vorsitzenden der Vertreterversammlung vorgelegen habe. (AZ 4, S. 1)
Anwälte, Ärzte und Apotheker dürfen zusammenarbeiten. Rechtsanwälte dürfen sich auch mit Ärzten und Apothekern als Berufspartner zusammenschließen. Eine Regelung in der Bundesrechtsanwaltsordnung, die für Rechtsanwälte ausschließlich Kooperationen mit Patentanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern erlaubte, hat das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig und nichtig erklärt. (AZ 6, S. 2)
Wer Atteste fälscht, fliegt fristlos. Reicht eine Mitarbeiterin manipulierte ärztliche Bescheinigungen bei ihrem Arbeitgeber ein, so kann ihr nach einem rechtskräftigen Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts fristlos gekündigt werden, da dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten ist. (AZ 6, S. 6)
Abmahnfalle fliegt auf. Wettbewerbsrechtliche Abmahnungen sind ein gängiges Mittel, um unlauter handelnde Mitbewerber in die Schranken zu weisen. Doch manch einer versteht Abmahnungen als lukratives Geschäftsmodell und versucht, von zu Unrecht eingeschüchterten Mitbewerbern Abmahnkosten zu kassieren. Mehrere Apotheker, die Ziel eines solchen Angriffs wurden, konnten vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf einen Erfolg für sich verbuchen. Der Abmahner wurde wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens zur Unterlassung und Zahlung von Schadensersatz verurteilt. (DAZ 6, S. 16)
Kölner Vorort ohne Rezeptsammelstelle. Rechtlich auf Granit biss ein Apothekenleiter mit seinem Antrag, eine Erlaubnis zur Einrichtung einer Rezeptsammelstelle im Kölner Stadtteil Merkenich erteilt zu bekommen. Die zuständige Apothekerkammer Nordrhein lehnte den Antrag ab. Zu Recht, wie das Verwaltungsgericht Köln bestätigte. Begründung: In einer Entfernung von jeweils fünf Kilometern gebe es in den umliegenden Stadtteilen Chorweiler, Heimersdorf und Niehl mehrere Apotheken. Maßgeblich für die Entscheidung war vor allem die im Vergleich mit ländlichen Regionen ausgesprochen gute Erreichbarkeit der umliegenden Apotheken mit öffentlichen Verkehrsmitteln. (AZ 8, S. 2)
Für Krankheitskosten darf eine „zumutbare Belastung“ vorgesehen sein. Krankheitskosten einschließlich Zuzahlungen sind außergewöhnliche Belastungen. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs ist es verfassungsrechtlich nicht geboten, bei der einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung dieser Aufwendungen auf den Ansatz der zumutbaren Belastung zu verzichten. (AZ 8, S. 7)
Europa Apotheek bekommt kein Geld zurück. Die Europa Apotheek Venlo ist mit ihrem Antrag, 600.000,- Euro Ordnungsgeld zurückzubekommen, vor dem Bundesgerichtshof abgeblitzt. Die niederländische Versandapotheke hatte versucht, vier Ordnungsgeldbeschlüsse, die aus Rechtsstreitigkeiten mit dem Bayerischen Apothekerverband herrührten, rückwirkend aufheben zu lassen. (DAZ 8, S. 16)
Noch im Januar hielt es der 1. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs für unnötig, dass sich der Europäische Gerichtshof mit der Frage befasst, ob das deutsche Arzneimittelpreisrecht, das auch im Rahmen des grenzüberschreitenden Arzneimittelversandes nach Deutschland gelte, mit Europarecht vereinbar sei. Alle Rechtsfragen zu diesem Thema seien bereits höchstrichterlich geklärt. Der Zivilsenat sah daher auch keinen Anlass, bei ihm anhängige Verfahren auszusetzen. Vielmehr wies er zwei Nichtzulassungsbeschwerden von Doc Morris zurück. (DAZ 9, S. 18)
Zweimal in einem Jahr beim selben Arbeitgeber. Endet das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers in der ersten Jahreshälfte und vereinbaren die beiden Vertragspartner in der zweiten Hälfte, sich erneut zusammenzutun, so sind die Urlaubsansprüche nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts für diese Arbeitsperioden getrennt zu beurteilen. Dies bedeutet: Der Urlaubsanspruch errechnet sich „eigenständig für jedes Arbeitsverhältnis“. Anders ist es allerdings, wenn bereits „vor Beendigung des ersten Arbeitsverhältnisses feststeht, dass es nur für kurze Zeit unterbrochen wird“. (AZ 11, S. 6)
BfArM muss Cannabis-Eigenanbau erlauben. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) muss einem an multipler Sklerose erkrankten 52-Jährigen nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts eine Ausnahmegenehmigung zum Eigenanbau von Cannabis erteilen. Im konkreten Fall war nach Auffassung der obersten Verwaltungsrichter das Ermessen der Behörde „auf Null reduziert“, weil das Betäubungsmittel für die medizinische Versorgung des Klägers notwendig war und eine gleich wirksame und erschwingliche Therapiealternative nicht zur Verfügung stand. (AZ 15, S. 3)
Doc Morris scheitert mit Verfassungsbeschwerde. Auch 2016 ist Doc Morris wieder mit seinen eingelegten Verfassungsbeschwerden gescheitert – Ende März gegen ein Urteil des Bundessozialgerichts, in dem der ausländischen Versandapotheke die Erstattung von Herstellerrabatten für die Jahre 2003 bis 2005 abgesprochen worden war. Die Verfassungsrichter vermochten hierin keine Grundrechtsverletzung zu erkennen. (AZ 16, S. 3)
Werbeversprechen müssen belegt sein. Werbeversprechen zu rezeptfreien Arzneimitteln sind nur dann zulässig, wenn sie gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen. Wie weit darf deshalb die Werbung für homöopathische Komplexarzneimittel gehen? In Anzeigen hatte die Firma Hevert damit geworben, dass Sinusitis Hevert® sowohl bei akutem Schnupfen als auch bei chronischer Sinusitis „schnell und effektiv“ helfe und „abschwellend, entzündungshemmend und regenerierend auf die Nasenschleimhaut“ wirke. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Koblenz war die Werbung irreführend, weil „die behauptete therapeutische Wirkung der Präparate vom zugelassenen Anwendungsgebiet nicht umfasst und auch nicht durch eine wissenschaftliche Abhandlung zweifelsfrei nachgewiesen“ sei. (AZ 17, S. 3)
Karlsruhe bleibt hart. Die Doc Morris-Anwälte sind auch mit ihrer Verfassungsbeschwerde abgeblitzt, die sie für den Versandhändler Otto wegen einer Doc Morris-Empfehlungswerbung aus dem Jahre 2006 eingelegt hatten. Das Bundesverfassungsgericht befand, dass der Bundesgerichtshof Otto nicht seinem gesetzlichen Richter entzogen hatte und auch nicht verpflichtet war, das anhängige Verfahren auszusetzen und den Europäischen Gerichtshof anzurufen. (AZ 17, S. 3)
„Produkt des Jahres“ geht nicht.Erneute Schlappe für den Bundesverband Deutscher Apotheker (BVDA), einen privatrechtlichen Mini-Verband. Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt darf mit dem BVDA-Siegel „Produkt des Jahres“ auch nicht für die „Apothekers Original Pferdesalbe Gold“ geworben werden. Zuvor war schon eine entsprechende Werbung für Wick MediNait untersagt worden. (DAZ 18, S. 16)
Gute Aussichten für Apotheker.Immer wieder sind Nahrungsergänzungsmittel und Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke wegen unrichtiger Kennzeichnung Ziel von Abmahnungen. Dabei geraten neben den Herstellern auch Apotheker, die diese Produkte vertreiben, ins Visier streitbarer Mitwettbewerber und ihrer Anwälte. In der Vergangenheit hatten Apotheker dabei regelmäßig schlechte Chancen: Gerichte bejahten fast durchgängig auch ihre Verantwortung für falsche Kennzeichnungen. Diese Praxis scheint sich nun zu wandeln. Auf der Grundlage einer Ende 2014 in Kraft getretenen EU-Verordnung hat das Oberlandesgericht Düsseldorf allein den Herstellern die diesbezügliche Verantwortung zugewiesen. (AZ 19, S. 3)
Gefängnisstrafen für Rx-Onlinehändler. „Apotheker spielen“ und reich werden – das hatten sieben Angeklagte über drei Jahre hinweg versucht. Und tatsächlich sollen sie Einnahmen von mehreren Millionen Euro durch den illegalen Online-Verkauf von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln erzielt haben. Im Mai wurden deshalb zwei Haupttäter zu Haftstrafen in Höhe von jeweils fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Ein weiterer Täter bekam eine Haftstrafe von zwei Jahren und neun Monaten. Vier Täter, die sich der Beihilfe schuldig gemacht hatten, kamen mit Bewährungsstrafen davon. In ihrer Urteilsbegründung warnten die Strafrichter des Landgerichts Essen eindringlich vor den Gefahren illegaler Online-„Apotheken“. (AZ 20, S. 8)
Glücklose Verfassungsbeschwerde gegen BSG-Zyto-Urteil. Das Urteil des Bundessozialgerichts vom November letzten Jahres, demzufolge das Wirtschaftlichkeitsgebot das Recht des Patienten auf freie Apothekenwahl verdrängt, hat Bestand. Apotheker, die Versicherte der AOK Hessen mit onkologischen Zubereitungen versorgt haben, obwohl sie keinen Exklusiv-Vertrag mit der Krankenkasse geschlossen hatten, müssen Retaxationen hinnehmen. Eine Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Bundessozialgerichts zu den Zytostatika-Ausschreibungen der AOK Hessen nahm das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung an. (AZ 20, S. 8; DAZ 20, S. 20)
Gemeinsamer Bundesausschuss: BPI darf Namen erfahren. Nach einem rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin hat der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) das Recht, vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) Auskünfte über Namen, Titel, akademischen Grad sowie Beruf- und Funktionsbezeichnung der Mitglieder des Unterausschusses Arzneimittel zu verlangen. (DAZ 20, S. 14)
Kein Strafverfahren gegen Boehringer. Die Staatsanwaltschaft Mainz hat die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens gegen Boehringer Ingelheim abgelehnt. Die Strafanzeige stammte von Roland Holtz, einem Pharmakritiker, der lange Jahre selbst im Vertrieb und Marketing verschiedener pharmazeutischer Unternehmen gearbeitet hatte. Sein Vorwurf: Boehringer habe Patienten gefährdet und getäuscht, weil es gegenüber der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) interne Erkenntnisse über seinen Blutgerinnungshemmer Pradaxa® verschwiegen habe. (AZ 21, S. 2)
Kein Beweis für unzulässige Arzt-Apotheker-Vernetzung. Die Wettbewerbszentrale musste sich vor dem Oberlandesgericht Naumburg geschlagen geben: Ihre Klage gegen einen Arzt, der Patienten eine digitale Rezeptübermittlung an eine mit ihm vernetzte Apotheke angeboten hatte, blieb erfolglos. Auch die Berufungsinstanz ließ sich nicht von einem Verstoß gegen die ärztliche Berufsordnung überzeugen. Hinreichende Beweise für eine unerlaubte Absprache seien nicht erbracht worden. (AZ 21, S. 3)
Heimversorgung aus externen Lagerräumen. Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist es Apotheken erlaubt, den externen Lagerraum einer Apotheke, der der Arzneimittelversorgung von Heimbewohnern dient, nicht nur zur Aufbewahrung von Arzneimitteln zu nutzen, sondern auch für andere heimversorgende Tätigkeiten, sofern diese Tätigkeiten rechtlich nicht besonderen Räumlichkeiten der Apotheke zugeordnet sind. Mit seiner Entscheidung bestätigte das Bundesverwaltungsgericht ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen. (AZ 22, S. 3)
Geldstrafe auf Bewährung wegen 326 Kilogramm Lidocain. Eine PTA, die über mehrere Jahre hinweg 326 Kilogramm des Lokalanästhetikums Lidocain aus der Apotheke beschafft und gutgläubig an ihren früheren Ehemann weitergegeben hatte, ist vom Amtsgericht Husum zu einer vergleichsweise milden Strafe von 90 Tagessätzen à 50,- Euro auf Bewährung verurteilt worden. Staatsanwaltschaft und Gericht berücksichtigten bei der (beantragten) Strafzumessung Geständnis und Reue der Angeklagten. (AZ 24, S. 3)
Keine Retaxation bei Verwürfen. Apotheken, die anwendungsfertige Zytostatika herstellen, hatten auch 2016 immer wieder mit Retaxationen von Krankenkassen zu kämpfen, wenn es um die Abrechnung von Verwürfen ging. Das Sozialgericht Würzburg hat nun zugunsten eines Apothekers entschieden: Anders als von der Krankenkasse vertreten, sei für die Haltbarkeit eines Anbruchs die vom pharmazeutischen Hersteller zur Verfügung gestellte Fachinformation maßgeblich, da sich darauf die Zulassung des Arzneimittels beziehe (DAZ 24, S. 18)
Bestätigung für Open-House-Verträge. Der Europäische Gerichtshof hält die von vielen Krankenkassen genutzten Open-House-Verfahren zum Abschluss von Rabattverträgen für zulässig. Allerdings müssen dabei der Transparenzgrundsatz und das Gleichbehandlungsprinzip beachtet und eingehalten werden. Ob das bei den Open-House-Verträgen der DAK der Fall ist, muss nun das Oberlandesgericht Düsseldorf prüfen. Die Krankenkasse sieht ihr Modell aber schon jetzt bestätigt. (AZ 25, S. 3)
Pharmagroßhändler dürfen für verschreibungspflichtige Arzneimittel Preisnachlässe von maximal 3,15 Prozent des Herstellerabgabepreises gewähren. Außerdem darf der Festzuschlag von 70 Cent pro Arzneimittelpackung nicht angetastet werden. Ob es sich bei diesen Preisnachlässen um Rabatte oder Skonti handelt, ist unerheblich. Dies hat das Oberlandesgericht Bamberg festgestellt und die Konditionen des Großhändlers AEP für rechtswidrig erklärt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. AEP hat dagegen Revision eingelegt. (AZ 27, S. 1; DAZ 27, S. 16)
Gericht billigt Eurim-Smiles. Das Bonusprogramm „EurimSmiles®Plus“ des Arzneimittelimporteurs Eurimpharm ist nach Auffassung des Landgerichts Traunstein wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden. Eine Klage des Wettbewerbsverbands Integritas hat das Gericht deshalb abgewiesen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. (DAZ 28, S. 17)
Wann kann ein Kammermitglied Austritt verlangen? Ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer ließ auch Apotheker aufhorchen. Danach können Kammermitglieder von ihrer Berufsvertretung verlangen, den gemeinsamen Dachverband zu verlassen, wenn dieser seine Kompetenzen überschreitet – etwa indem er zu allgemein politischen Themen Stellung nimmt. Politische Meinungen dürfen danach nur geäußert werden, wenn sie einen Bezug zum jeweiligen Kammerberuf aufweisen. Die beruflichen Belange der Pflichtmitglieder müssen dabei im Vordergrund stehen. (AZ 29, S. 1, 3)
Pflichthinweis: Zwei Millimeter sind zu wenig. Wirbt eine Apotheke für nicht rezeptpflichtige Arzneimittel oder Medizinprodukte, muss sie die Vorgaben des Heilmittelwerbegesetzes einhalten. Dazu zählt bei OTC-Arzneimitteln der Pflichthinweis zu Risiken und Nebenwirkungen. Er muss gut lesbar und von den übrigen Werbeaussagen deutlich abgesetzt und abgegrenzt angegeben werden. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Köln ist bei den Pflichthinweisen eine Schriftgröße von 6-Punkt erforderlich. Dies entspricht einem Schriftgrad von 2,117 Millimetern. Außerdem gilt das Heilmittelwerbegesetz auch für Medizinprodukte. Sie dürfen deshalb nur dann zusammen mit Zuwendungen oder Werbegaben abgegeben werden, wenn ein Ausnahmetatbestand des § 7 Heilmittelwerbegesetz vorliegt. (AZ 30, S. 3)
Doc Morris: Rechtswidrige Zuzahlungsquittungen. Doc Morris darf seinen Kunden keine Quittungen über Zuzahlungen ausstellen, die diese gar nicht geleistet haben. Im konkreten Fall hatte Doc Morris einer Kundin für die Abgabe eines Arzneimittels eine Zuzahlungsquittung über 5,71 Euro zur Vorlage bei ihrer Krankenkasse ausgestellt. Tatsächlich hatte die Kundin aber nur eine Zuzahlung von 2,85 Euro geleistet. Nach einem Urteil des Landgerichts Ravensburg hat Doc Morris damit eindeutig gegen die Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Kaufmanns verstoßen. (AZ 31/32, S. 3)
Die konkrete Tätigkeit zählt. Viele Apotheker, die in der pharmazeutischen Industrie arbeiten, müssen mit der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) in Berlin kämpfen, um ihre Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zugunsten ihres berufsständischen Versorgungswerks zu erhalten. Mit immer gleichen Argumenten verweigert die DRV die Befreiung, obwohl immer mehr Gerichte die Bescheide der DRV aufheben. Auch ein Urteil des Hessischen Landessozialgerichts zur Befreiung eines Industrieapothekers von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht stärkt Apothekerinnen und Apothekern jetzt den Rücken. Dem in vielen Befreiungsverfahren von der DRV vorgebrachten Argument, nur eine „approbationspflichtige Tätigkeit“ eines angestellten Apothekers könne zu einer Befreiung führen, erteilen die Richter eine deutliche Absage. (AZ 33/34, S. 3)
Kick-back für Rabatt? Wegen Verdachts auf gewerbsmäßigen Betrug mit „Kick-back-Zahlungen“ durchsuchten Polizeibeamte im August dreizehn Objekte in Bayern und Hamburg. Drei Beschuldigte werden verdächtigt, rabattierte Arzneimittel an Apotheken verkauft zu haben, von denen sie Rückzahlungen erhalten habe sollen. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft Hamburg liegt darin ein Verstoß gegen § 78 Absatz 3 des Arzneimittelgesetzes, der den einheitlichen Herstellerabgabepreis regelt. Im Gegenzug soll eine Firma der Beschuldigten von der belieferten Apotheke fingierte Rechnungen für nicht erbrachte Leistungen erhalten haben. Der Norddeutsche Rundfunk zitierte einen Polizeisprecher, dem zufolge auch Steuerbetrug im großen Stil vorliegen soll. (AZ 35, S. 2)
Wer ist die Größte? Sanicare darf nicht mehr behaupten die „größte Versandapotheke“ in Deutschland zu sein. Im Streit um die Werbeaussage einigten sich die Wettbewerbszentrale und die Versandapotheke. Sanicare konnte den Superlativ nicht mit aktuellen Zahlen belegen und verzichtet künftig auf die Werbeaussage. (AZ 35, S. 2)
„Kassenpreis“ mit Abschlag. Die Preiswerbung für OTC-Arzneimittel hat ihre Tücken. Dem eigenen Preis den „einheitlichen Abgabepreis zur Verrechnung mit der Krankenkasse“ gegenüberzustellen, ist nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs wettbewerbsrechtlich unzulässig. Dies gilt zumindest dann, wenn nicht deutlich gemacht wird, dass die Apotheke der Krankenkasse auf diesen Preis noch fünf Prozent Rabatt zu gewähren hat. (AZ 35, S. 3)
Fünf Jahre Haft für Abrechnungsbetrug. Das Landgericht Hamburg hat einen Apotheker und einen Arzt wegen Betrugs zulasten von Krankenkassen zu Haftstrafen von fünf und viereinhalb Jahren verurteilt. Die beiden Angeklagten hatten Röntgenkontrastmittel in Millionenhöhe unrechtmäßig abgerechnet. (AZ 35, S. 3)
Obergrenzen gelten auch im Direktgeschäft. Nach einem Urteil des Saarländischen Oberlandesgerichts gelten im Direktgeschäft zwischen pharmazeutischem Unternehmer und Apotheken dieselben Obergrenzen für Rabatte wie für Großhändler. Die Richter erklärten deshalb das Bonusprogramm des Importeurs Kohlpharma für unzulässig. In seiner Begründung folgten die Saarländischen Richter der Argumentation des Oberlandesgerichts Bamberg. (AZ 36, S. 2)
Plausibilitätsprüfung sticht Patientenwillen. Ändert eine Apotheke nach einer Plausibilitätsprüfung und Rücksprache mit dem Arzt eine Verordnung über eine Rezeptur, so muss sie dies dem Patienten gegenüber nicht erklären. Vielmehr ist der Patient nach einem Urteil des Amtsgerichts München verpflichtet, das hergestellte Rezepturarzneimittel auch in der Zusammensetzung anzunehmen, die nicht mehr der ursprünglichen Verordnung entspricht. (AZ 37, S. 3)
Wie sicher muss die Offizin sein? Im Winter kann der Offizin-Fußboden schon mal rutschig sein. Was muss die Apotheke tun, um Kunden vor einem Sturz zu bewahren? Das Amtsgericht München hat in einem Urteil klargestellt: Apotheken treffen geringere Verkehrssicherungspflichten als beispielsweise Kaufhäuser. In Apotheken herrsche nämlich regelmäßig kein vergleichbarer Publikumsandrang, der die Einsehbarkeit des Bodenbereichs für Kunden signifikant einschränke. (AZ 38, S. 2)
Schmerz rechtfertigt Heroinkonsum nicht. Eigenmächtige Schmerzbehandlung mit Heroin? Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs ist dies zwar nicht generell ausgeschlossen, doch bedarf es hierfür einer Ausnahmeerlaubnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). In einem Strafprozess wegen Heroin-Beschaffung schützte der Hinweis des Angeklagten auf seine Erkrankung jedenfalls nicht vor einer Bestrafung. Auf Straffreiheit wegen einer Notstandssituation kann ein erkrankter Heroin-Konsument deshalb nicht setzen. (AZ 41, S. 2)
Wann liegt eine Unzweckmäßigkeit vor? In einer Grundsatzentscheidung hat das Bundessozialgericht Maßstäbe für den Verordnungsausschluss von Arzneimittel gesetzt. Danach ist das homöopathische Arzneimittel Otovowen® zur Behandlung von Ohrenleiden unzweckmäßig. Deshalb müssen Krankenkassen hierfür die Kosten auch dann nicht tragen, wenn das Homöopathikum bei Kindern oder Jugendlichen zur Anwendung kommen soll. Mit seiner Entscheidung bestätigte das Bundessozialgericht die Auffassung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). (AZ 41, S. 3)
Schwerer Schlag für deutsche Apotheken: Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Oktober 2016 kommen für ausländische Arzneimittelversender beim grenzüberschreitenden Arzneimittelhandel die für deutsche Apotheken geltenden Vorschriften zur Arzneimittelpreisbindung nicht zur Anwendung. EU-ausländische Versandapotheken wie Doc Morris dürfen Kunden in Deutschland deshalb beim Kauf verschreibungspflichtiger Arzneimittel Preisvorteile und Boni gewähren. Damit sind die Luxemburger Richter dem Schlussantrag des polnischen Generalanwalts Maciej Szpunar gefolgt und haben die deutsche Rx-Preisbindung für ausländische Versandapotheken gekippt. Die bemerkenswerte Begründung der EuGH-Richter: Da sich Doc Morris aufgrund des apothekenrechtlichen Fremdbesitzverbots in Deutschland nicht niederlassen und dadurch nicht durch besondere Dienstleistungen profilieren könne, müsse die niederländische Kapitalgesellschaft beim grenzüberschreitenden Arzneimittelversand preisrechtlich privilegiert werden, um „den unmittelbaren Zugang zum Markt zu finden und auf diesem konkurrenzfähig zu bleiben“. Für die Behauptung, dass die deutsche Regelung in geeigneter Weise dem Schutz der Gesundheit diene, seien die erforderlichen Beweise nicht beigebracht worden. Mit ihrem Urteil haben die Luxemburger Richter die bisherige EuGH-Rechtsprechung auf den Kopf gestellt und ihre Kontrollbefugnis gesundheitspolitischer Regelungen der Mitgliedstaaten komplett neu justiert und ausgedehnt. Zudem hat die Kleine Kammer des EuGH ohne weitere Begründung die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes zur – auch unionsrechtlichen – Zulässigkeit des deutschen Arzneimittelpreisrechts für obsolet erklärt. Die Folgen des EuGH-Urteils für öffentliche Apotheken in Deutschland dürften dramatisch sein, wenn der deutsche Gesetzgeber keine regulatorischen Gegenmaßnahmen ergreift. Diskutiert werden mehrere Modelle, um die Auswirkungen der Luxemburger Entscheidung zu minimieren. (AZ 43, S. 1; DAZ 43, S. 3, 17 ff. DAZ.online Spezial „EuGH-Urteil – Rx-Versandverbot“)
Regelungen zur Defektur-Herstellung sind unionrechtskonform. Dass von Apotheken in begrenzter Menge selbst hergestellte Arzneimittel in Deutschland nicht zulassungspflichtig sind, steht im Einklang mit geltendem Europarecht. Im Rahmen eines vom Bundesgerichtshof in Gang gesetzten Vorlageverfahrens hat der Europäische Gerichtshof die deutschen Regelungen zur Defekturherstellung bestätigt. (AZ 44, S. 2)
Hohe Hürden für Pick-up-Stellen. Eine Apothekerin, die in einem Edeka-Markt eine Sammelbox für Rezepte aufgestellt hatte, ist vor Gericht gescheitert. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen untersagte die Rezeptsammlung, da es sich bei der Sammelbox um eine unerlaubte Rezeptsammelstelle im Sinne von § 24 Apothekenbetriebsordnung handle. (AZ 47, S. 4)
Vorsicht bei Rabattgutscheinen. Ein Apotheken-Gewinnspiel, bei dem Gutscheine für „20 Prozent Rabatt für einen Artikel Ihrer Wahl“ verlost wurden, hatte ein juristisches Nachspiel: Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Jena ist es irreführend, wenn dabei nicht eindeutig zum Ausdruck kommt, dass damit ausschließlich Artikel aus dem nicht preisgebundenen Segment gemeint sind. (DAZ 47, S. 28)
Graumarkt macht Vichy zu schaffen. Es ist kein Geheimnis, dass apothekenexklusive Kosmetika immer wieder in fremde Handelskanäle, etwa in Drogeriemärkte oder Internet-Shops, gelangen. Ein Hersteller, der seine Kosmetiklinien trotz dieses Wissens als „apothekenexklusiv“ bewirbt, macht sich rechtlich angreifbar und verhält sich wettbewerbswidrig. Das Landgericht Hamburg verurteilte Vichy deshalb dazu, die „objektiv unrichtige Werbeaussage“ in Zukunft zu unterlassen. (AZ 48, S. 3)
BGH erlaubt Zuzahlungsverzicht. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Werbung mit einem Verzicht auf die gesetzliche Zuzahlung bei medizinischen Hilfsmitteln zulässig ist. Die gesetzlichen Zuteilungsregelungen dienten nämlich der Kostendämpfung im Gesundheitswesen und nicht dem Schutz der Mitbewerber. Die Einhaltung dieser Regelung könne daher nicht mit den Mitteln des Wettbewerbsrechts durchgesetzt werden. Auch sehen die BGH-Richter im Zuzahlungsverzicht keine verbotene Heilmittelwerbung. (AZ 49, S. 12; DAZ 49, S. 18)
Eine Apotheke ist kein Reisebüro. Eine Urlaubsreise mit dem Stammapotheker als Reisebegleitung? Für manche Kunden scheint dies durchaus attraktiv zu sein - aber ist es auch rechtlich zulässig? Das Verwaltungsgericht sagt dazu Nein und untersagte einem Apotheker aus Bünde, auf Flyern und Apothekenwebsites sowie in seiner Kundenzeitschrift für derartige Kundenreisen zu werben. Bei der Reiseberatung und Reisevermittlung handle es sich nämlich nicht um eine apothekentypische Dienstleistung im Sinne der Apothekenbetriebsordnung. (AZ 50, S. 3)
Ist der G-BA verfassungsfest? Die Befugnisse des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) sind sehr weitreichend und betreffen einen höchst sensiblen Bereich. Regelmäßig wird deshalb die demokratische Legitimation des Gremiums infrage gestellt. Auch das Bundesverfassungsgericht deutet immer wieder rechtliche Zweifel am Konstrukt des G-BA an. Allerdings hatten die höchsten deutschen Richter bislang noch keine Gelegenheit, die brisante Frage in extenso zu beleuchten. Aus formalen Gründen ist abermals eine Verfassungsbeschwerde gescheitert, die für eine Klärung hätte sorgen können. (AZ 50, S. 3) |
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