Management

Filiale im Fokus

Teil 2: Der Vertrag des Filialapothekers

In Teil 2 unserer Serie hat der Apothekeninhaber seinen Idealkandidaten gefunden. Spätestens im Einstellungsgespräch müssen nun beide Seiten kommunizieren, was sie voneinander erwarten, und dies in einen – am besten schriftlichen – Arbeitsvertrag einfließen lassen. Von Iris Borrmann

Der Inhalt eines Arbeitsverhält­nisses wird, neben der öffentlich-rechtlichen Bestimmungs- und Verordnungsseite, durch einen Arbeitsvertrag gestaltet. Es ist zwar – im Gegensatz zur Kündigung – nicht gesetzlich vorgeschrieben, einen schriftlichen Arbeitsvertrag zu verfassen. Im Falle des Filialleiters ist ein schriftlicher Arbeitsvertrag allerdings dringend anzuraten, in einigen Kammerbezirken ist er auch seitens der entsprechenden Genehmigungsbehörden für das Betreiben einer Filiale erforderlich. Ein Schriftformer­fordernis besteht ohnehin immer dann, wenn das Arbeitsverhältnis befristet abgeschlossen werden soll (§ 14 TzBfG) oder der Arbeitgeber ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbaren möchte.

Grundsätzlich gilt: Auch bei Verzicht auf die Schriftform wurde ein Vertrag – wenn auch nur mündlich – zwischen Apothekenleiter und Filialleiter abgeschlossen. Bei einem Streit über dessen Inhalte muss in der Regel derjenige, der sich auf einen bestimmten Inhalt beruft, beweisen, dass dieser auch vereinbart wurde. Insgesamt bietet ein schriftlicher Vertrag also Rechtssicherheit für beide Seiten; nur was im Vertrag zweifelsfrei geregelt ist, kann auch Verantwortlichkeiten schaffen und abgrenzen.

Sollte tatsächlich kein schriftlicher Arbeitsvertrag abgeschlossen worden sein, so kann ein Filial­leiter, der „unversehens“ in diese Situation gestolpert ist, auch noch später einen „Arbeitsnachweis“ verlangen. Nach den Regelungen des Nachweisgesetzes (NachwG) muss der Arbeitgeber einen solchen Nachweis einen Monat nach Beginn des Arbeitsverhältnisses auf Wunsch des Arbeitnehmers ausstellen.

Foto: Colourbox
Auf den Punkt bringen Die organisatorische und finanzielle Verantwortung von Filialleiterin oder -leiter sollte besprochen und im Arbeitsvertrag genau beschrieben werden – dies beugt Unklarheiten im Alltag und Ärger vor.

Arbeitgeber sind danach verpflichtet, die wesentlichen Bedingungen des Arbeitsverhältnisses zu dokumentieren und zu unterzeichnen.

Dies ist natürlich nur ein Notbehelf. Idealerweise findet zunächst ein Gespräch über die Eckpunkte statt, die dann in einen vom Apothekeninhaber formulierten Vertrag einfließen.

Allerdings ist es durchaus auch üblich, dass der Inhaber bereits mit einem fertigen Exemplar des Vertrages aufwartet. Leider muss immer wieder festgestellt werden, dass keine der beiden Parteien weiß, was genau vereinbart wurde. Zwar ist es sehr bequem, sich eines der vielfältig angebotenen Formulare zu bedienen, jedoch sind die Aufgaben des Filialleiters so individuell wie die unterschiedlichen Apotheken. Deshalb sollten sich beide Parteien mindestens mit einigen Eckpunkten aus­einandersetzen.

„Alt-bewährte“ Angestellte als Filialleiter

Bei Filialneugründungen oder aber wenn die Suche nach einem Kandidaten für die Filialleitung keinen Erfolg hatte, wird von vielen Inhabern auf bereits bewährte Angestellte der Hauptapotheke zurückgegriffen. In diesem Fall kann man nicht ganz unauffällig das „alte Arbeitsverhältnis“ fortführen. Denn zum einen ist die Aufnahme der neuen Beschäftigung mit einem Ortswechsel verbunden, da der bisherige Arbeitsvertrag sich (mündlich oder schriftlich) üblicherweise auf einen bestimmten Arbeitsort bezieht – was eine wesentliche Bedingung des Arbeitsverhältnisses ist. Zum andern setzt eine Anstellung als Filialleitung immer die Einigung über den besonderen Verantwortungsbereich voraus. Allein eine Vereinbarung im Arbeitsvertrag, dass der angestellte Apotheker den Inhaber vertreten muss, genügt hier nicht. Eine Vertretung ist gesetzlich nur für die Dauer von 3 Monaten zugelassen (§ 2 ApBetrO), die Übernahme der „Dauervertretung“ als Filialleitung muss explizit vereinbart werden. Um einen entsprechenden Arbeitsvertrag kommt der Inhaber also auch bei der Benennung eines Mitarbeiters aus seinem „Bestand“ nicht herum.

Besondere arbeitsrechtliche Stellung

Der Filialleiter ist laut Apothekengesetz zur „persönlichen Leitung der Apotheke in eigener Verantwortung“ verpflichtet. Dies lässt die Frage aufkommen, inwieweit diese „leitende Funktion“ sich mit dem Weisungs- bzw. Direktionsrecht, welches ein Arbeitgeber üblicherweise innehat, vereinbaren lässt.

Zwar wird ein Filialleiter nicht als leitender Angestellter im arbeitsrechtlichen Sinne eingestuft, schon weil er u. a. nicht selbstständig Mitarbeiter einstellen und entlassen kann. Dennoch darf die „eigene Verantwortung“ in ihrem Kern nicht durch Weisungen des Inhabers beschränkt werden.

Doch welche Weisungen sind bindend? Wenn der Filialleiter pharmazeutisch die „persönliche Leitung“ in eigener Verantwortung übernommen hat, obwohl er arbeitsrechtlich ein weisungsgebundener Angestellter ist, muss im Arbeitsvertrag klar unterschieden werden, wo er vertraglich und auch inhaltlich Weisungen unterliegt und wo dem seine Eigenverantwortung entgegensteht.

Hier muss man zwischen der organisatorischen, der finanziellen und der pharmazeutischen Verantwortung unterscheiden. Will man es klar auf den Punkt bringen, so ergeben sich die organisatorische und die finanzielle Verantwortung aus dem Arbeitsvertrag, sind also bis an die Grenze der arbeitsrechtlichen Schutzgesetze und der pharmazeutischen Vorschriften verhandelbar. Die Weisungsge­bundenheit eines angestellten Filial­leiters ergibt sich direkt aus dem arbeitgeberseitigen Direk­tionsrecht.

Der Arbeitsort eines Filialapothekers wird bereits durch die Verantwortung für eine bestimmte Filiale festgelegt.

Beispiel: Ein Inhaber, dessen Vertretungs-Approbierter der Hauptapotheke längerfristig krankheitsbedingt ausfiel, hatte einen drei­monatigen Auslandsaufenthalt mit seiner Familie geplant. In Ermangelung eines weiteren Vertreters wies er den Filialleiter seiner Filiale an, die Urlaubsvertretung in der Hauptapotheke zu übernehmen. Die Filialapotheke, so der Inhaber, würden in der Zeit schon die geringfügig tätige Approbierte der ­Filiale (10 Stunden) und seine seit 30 Jahren beschäftigte PTA übernehmen.

Im vorliegenden Fall enthielt der Arbeitsvertrag nicht die Klausel: „Der Arbeitnehmer kann auch in weiteren Apotheken des Inhabers eingesetzt werden.“ Daher war schon aufgrund des Arbeitsvertrages klar, dass der Inhaber nicht berechtigt war, eine solche Umsetzung durch einfache Weisung vorzunehmen. Im Übrigen sollte dringend davon abgeraten werden, eine – auch nur vorübergehende – Versetzungsbefugnis in den Vertrag eines Filialleiters aufzunehmen, da dieser dann die Verantwortung für „seine“ Filiale nur noch begrenzt wahrnehmen kann.

Geht es um die Weisung im Blick auf die Arbeitszeit, so hat dieses Thema mehrere Facetten. Üblicherweise muss im Arbeitsvertrag eine bestimmte oder zumindest bestimmbare Arbeitszeit festgeschrieben sein, da ansonsten von dem Angestellten nicht überblickt werden kann, wie lange er denn für das vereinbarte Geld arbeiten muss. Eine Regelung, die – auch bei übertariflicher Bezahlung – die Ableistung von der Anzahl nach nicht begrenzten Überstunden vorsieht, ist nicht hinreichend bestimmt und daher unwirksam.

Bei der pauschalen Abgeltung von Überstunden muss für den Filialleiter transparent sein, auf wie viel Vergütung er verzichtet. Dies ist in der Regel nur dann der Fall, wenn eine Obergrenze für pauschal ab­gegoltene Überstunden vereinbart und die darüber hinaus geleistete Mehrarbeit bezahlt wird. Statt der häufig in Verträgen mit Filialleitern verwendeten Klausel „Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt 40 Wochenstunden. Eventuell anfallende Überstunden, die über die regelmäßige Arbeitszeit hinausgehen, sind mit dem Gehalt abgegolten“, sollte folgende Klausel verwendet werden: „Die Arbeitszeit beträgt 40 Stunden in der Woche. Bis zu 8 Überstunden in der Woche sind mit dem übertariflich gezahlten Gehalt abgegolten.“ Allerdings können hier, je nach inhaltlicher Ausgestaltung, Arbeitszeitgesetze verletzt werden, z. B. wenn 28 Überstunden bei einer 40-Stunden-Woche gefordert werden.

Gesetzliche Beschränkungen des Weisungsrechtes

Neben den Begrenzungen des Weisungsrechts aus vertraglicher Sicht sind noch gesetzliche Beschränkungen zu beachten. An erster Stelle sind hier die Grenzen zu nennen, die das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) zieht. Die danach vorgesehenen 8 Stunden pro Tag an 6 Tagen in der Woche können ausgedehnt werden auf 10 Stunden pro Tag (§ 3 ArbZG). Es wäre damit theoretisch möglich, dass der Filialleiter 60 Stunden in der Woche arbeitet.

Natürlich sieht das Gesetz dies nur als Ausnahmefall vor: Die im Verhältnis zum Arbeitsvertrag zu viel gearbeiteten Stunden müssen binnen 6 Monaten oder 24 Wochen so ausgeglichen werden, dass sich wieder 8-Stunden-Tage (bzw. 48-Stunden-Wochen) ergeben.

Aber auch andere gesetzliche Vorschriften begrenzen die Weisungsmöglichkeiten des Inhabers. So gibt es nach dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) kein Arbeitsverhältnis ohne Urlaubsanspruch.

Tarifvertrag teilweise nicht anwendbar

Auch bei beiderseitiger Tarifbindung kann sich der Filialleiter nicht darauf berufen, eine Höchstarbeitszeit von 40 Stunden in der Woche leisten zu müssen. Denn die Arbeitzeitregelung (§ 3 BRTV), aber auch die Regelung über die Vergütung von Nacht–, Sonn- und Feiertagsarbeit (§§ 7,8 BRTV) des Bundesrahmentarifvertrags gelten nicht für Filialleiter. Allerdings, so der Tarifvertragstext, geschieht dies „zugunsten einzelvertraglicher Regelungen“. In der Praxis bedeutet dies beispielsweise, dass Filialleiter Tantiemen oder Gewinnbeteiligungen zur Kompen­sation aushandeln.

Einer der gerade für den Inhaber wichtigsten Bestandteile des Tarifvertrages ist die Notdienstregelung. Sind Apothekeninhaber und Filialleiter nicht tarifgebunden, so ist sowohl die generelle Verpflichtung zum Dienst als auch die Bezahlung einzelvertraglich zu regeln. Dabei gilt, dass Bereitschaftsdienst (also auch Notdienste) vollumfänglich als Arbeitszeit betrachtet werden muss (Urteil des EuGH vom 3. Oktober 2000, Az. C-303/98).

Pharmazeutische Beschränkung des Weisungsrechtes

Der approbierte Filialleiter, der in eigener Verantwortung persönlich die Filiale leitet, kann schon aufgrund seiner Approbation im Hinblick auf den pharmazeutischen Kernbereich nicht weisungsgebunden sein. Das bedeutet, dass das Weisungsrecht hier durch Gesetze, nämlich apotheken-, arzneimittel– und heilmittelrechtliche Vorschriften, begrenzt ist und damit nicht der arbeitsvertraglichen Disposi­tionsfreiheit der Vertragspartner unterliegt. Jedwede pharmazeutische Weisung ist daher unzulässig und im arbeitsrechtlichen Verhältnis kein Grund für eine Abmahnung oder Kündigung.

Insgesamt ist festzuhalten, dass ein genauer, die Verantwortungsbereiche und die Rahmenbedingungen konkret regelnder Arbeitsvertrag eine wesentliche Voraussetzung für eine langfristige und erfolgreiche Zusammenarbeit ist. |

Iris Borrmann, Rechtsanwältin


„Teil 1: erfolgreiche Zusammenarbeit durch eine eindeutige Stellenbeschreibung“ finden Sie in AZ 2017, Nr. 19, S. 6


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