Wirtschaft

Abkehr von der Apotheke

Junge Apotheker wollen nicht mehr in die Offizin – und befürchten Apothekenketten

wes | Fast die Hälfte der jungen Apothekerinnen und Apotheker will lieber in der pharmazeutischen Industrie arbeiten als in der Offizin, selbstständig machen möchten sich noch deutlich weniger. Und dass es bis 2030 in Deutschland Apothekenketten geben wird, glauben mehr als zwei Drittel der befragten Pharmazeuten.

Es sind alarmierende Zahlen, die die ApoBank in ihrer Studie „Zukunftsbild Heilberufler 2030“ vorstellt: 43 Prozent der männlichen und sogar 49 Prozent der weiblichen Befragten – Apothekerinnen und Apotheker unter 40 mit drei bis neun Jahren Berufserfahrung – möchten lieber in einer „nicht-kurativen“ Tätigkeit arbeiten als in der öffentlichen Apotheke. Gemeint sind damit Stellen in der pharmazeutischen Industrie oder der Forschung. Besonders unattraktiv erscheint den jungen Pharmazeuten die selbstständige Tätigkeit als „klassischer“ Apotheker in seiner Apotheke (also ohne Filiale): Das ist nur für 3 Prozent der männlichen und 9 Prozent der weiblichen Befragten das präferierte Berufsausübungsmodell. Etwas besser sieht es für Apotheken mit einer oder mehreren Filialen aus (s. Tab.).

Tab.: Fast die Hälfte der Apotheker will nicht als Heilberufler arbeiten.
Präferierte Berufsausübungsmodelle 2030
Männer (n = 30)
Frauen (n = 70)
nicht kurative Tätigkeit (z. B. Industrie, Forschung)
43%
49%
selbstständige Tätigkeit als Apotheker mit mehr als einer Apotheke
20%
11%
Anstellung in Apotheke
17%
23%
selbstständige Tätigkeit als Apotheker in Einzelapotheke
3%
9%
Anstellung in Krankenhaus
17%
9%

Frage: „Aktuell gibt es verschiedene Berufsausübungsmodelle. Wenn Sie an das Jahr 2030 denken, welches Modell wird aus Ihrer Sicht für junge Heilberufler wie Sie am attraktivsten sein?“

Quelle: apoBank/forsa (2017)

Auslaufmodell inhabergeführte Apotheke?

Inwieweit die sinkende Bereitschaft, sich selbstständig zu machen bzw. überhaupt in der Apotheke zu arbeiten, mit den erwar­teten Veränderungen im Gesundheits- und Apothekensystem zusammenhängen, wurde in der Studie nicht erhoben. Auffällig ist aber, dass 71 Prozent der befragten Pharmazeuten (die ApoBank befragte auch Allgemein-, Fach- und Zahnärzte) davon ausgehen, dass im Jahr 2030 private Investoren zunehmend Praxen/Apotheken aufkaufen und bundesweite „Kettenkonzepte“ anbieten werden und 53 Prozent davon ausgehen, dass die inhabergeführte Praxis/Apotheke ein Auslaufmodell sein wird. Dagegen erwarten nur 37 Prozent der Apotheker, dass sich bis dahin die Qualität der Versorgungsleistung verbessert haben wird.

Ein weiterer Grund für die niedrige Quote an Apothekern, die unternehmerisch tätig sein wollen, könnte auch an veränderten Prioritäten in der persönlichen Lebensgestaltung liegen – Stichwort „Generation Y“, der Sinnhaftigkeit, Selbstverwirklichung und Freizeit wichtiger seien als Karriere und Gehalt, wie immer wieder behauptet wird. Ein Indiz dafür könnte die Antwort auf die Frage nach den bevorzugten Arbeitszeitmodellen sein. 47 Prozent der Apothekerinnen (die nach den jüngsten ABDA-Zahlen 70 Prozent der Pharmazeuten stellen) bevorzugen eine Teilzeit-Stelle – ein Arbeitszeitmodell, dass sich mit der Leitung einer Apotheke in den meisten Fällen nicht verträgt. Unter den männlichen Apothekern möchten dagegen 73 Prozent Vollzeit arbeiten.

Nur wenige Teilnehmer

Eingeschränkt wird die Aussagekraft der Studie durch die nied­rige Teilnehmerzahl: Es wurden 100 Pharmazeuten online befragt, 70 Apothekerinnen und 30 Apotheker, alle im Alter zwischen 25 und 40 und seit drei bis neun Jahren im Beruf. Trotzdem sind die Zahlen alarmierend, wie die ApoBank bei der Vorstellung der Studie betonte. Sie verdeutliche, „dass Deutschland mit Blick auf das Jahr 2030 in eine Versorgungslücke hineinläuft“, wie der stellvertretende Vorstandschef Ulrich Sommer sagte. Speziell für die Apothekerschaft gelte es angesichts der Studienergebnisse rasch gegenzu­steuern. Auch wenn die Digitalisierung helfe, Prozesse künftig effizienter und effektiver zu gestalten, brauche es angesichts der demografischen Situation mehr, nicht weniger Heilberufler. „Wenn wir die gewinnen möchten, müssen Politik und Standesorganisationen schon heute an anderen Rahmenbedingungen und Ver­sorgungsstrukturen arbeiten“, forderte Sommer.

Bei den Gehaltswünschen sind die Apotheker übrigens deutlich bescheidener als die Mediziner: Während die meisten Humanmediziner ein Jahreseinkommen zwischen 80.000 und 100.000 Euro angemessen finden, wünschen sie sich zwischen 60.000 und 80.000 Euro. |

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