Gesundheitspolitik

Der Medikationsplan als Phantom

Sowohl Ärzte als auch Apotheker halten wenig vom Papier-Medikationsplan

BERLIN (bro) | Seit dem 1. Oktober 2016 haben GKV-Versicherte, die drei oder mehr Arzneimittel zugleich einnehmen, das Recht auf einen Medikationsplan auf Papier. Erstellt wird dieser vom Arzt. Der Apotheker darf den Plan nur auf Wunsch des Patienten um OTC-Präparate ergänzen und aktualisieren. Bei einer Veranstaltung vergangene Woche auf dem Hauptstadtkongress ließen Vertreter der Ärzte, Apotheker und Kliniken kein gutes Haar an der derzeitigen Version des Medikationsplanes.

Ulrich Weigeldt, Chef des Deutschen Hausärzteverbandes, bezeichnete den Plan als „Phantom der Oper“, weil es ihn schlichtweg kaum gebe. Vielmehr kommunizierten die meisten Ärzte und Apotheker weiterhin per Fax. Weigeldt: „Diese Fax-Kommunikation interessiert keinen Datenschützer. Aber wenn wir nur ein digitalisiertes Projekt planen, scheitert das sofort an denen.“

Weil der Medikationsplan nur auf Papier ausgestellt werden könne, nannte der das E-Health-Gesetz „P-Health-Gesetz“. Weigeldt weiter: „Wir können doch solch ein großes Strukturdefizit nicht über ein Stück Papier lösen.“ Das Ziel müsse sein, eine zentrale, bundesweite, elektronische Patientenakte zu schaffen, wie sie in vielen anderen europäischen Ländern bereits existiert. Auch gegen die Speicherung des Medikationsplanes auf der eGK sprach sich Weigeldt aus: „Das ist Old-School. Was ist denn, wenn der Patient im Notfall seine Karte nicht dabei hat?“ Ein wenig überraschend war, dass Weigeldt nicht die Funktion der Apotheker hinterfragte. Er hatte sich schon mehrfach dagegen ausgesprochen, Pharmazeuten im Zusammenhang mit dem Medikationsplan neue Kompetenzen einzuräumen.

Fink wirbt für ARMIN

Das Urteil von Stefan Fink, Chef des Thüringer Apothekerverbandes, fiel ebenso vernichtend aus. Er geht davon aus, dass nicht mehr als „hunderte“ papierne Medika­tionspläne bislang ausgestellt wurden. „Dieser Plan ist nicht existent.“ Wenn doch einmal ein Medikationsplan in der Apotheke lande, sei er oft schwer entzifferbar, etwa durch handschriftliche Eintragungen. Fink wies auch darauf hin, dass eine reine Auflistung der Medikamente nicht reiche. Er zitierte eine ABDA-Analyse, nach der nur bei 7 bis 24 Prozent der Patienten mit einem Medikationsplan keine Diskrepanzen zwischen dem Plan und den tatsächlich eingenommenen Präparaten auftauchten. Deswegen sei es so wichtig, dass auch Apotheker ihren Teil zur Medika­tionsberatung beitragen. Erneut warb er daher für das Arzneimittel-Projekt ARMIN in Sachsen und Thüringen. Es sei „ideal“, dass Ärzte und Apotheker dort Hinweise im Plan hinterlassen und somit gut kommunizieren könnten. Außerdem gebe es bei ARMIN eine klare Aufgabenteilung zwischen Ärzten und Apothekern. Fink legte Umfragezahlen vor, nach denen 90% der beteiligten Apotheker und Ärzte meinten, dass sich der Zeitaufwand für ARMIN lohne. Und: 80% der Ärzte halten demnach die Ersterfassung der Medikation durch den Apotheker für sinnvoll. Eine Nachfrage aus dem Publikum, ob es stimme, dass die Ärzte in Sachsen sich dem Projekt weiterhin verweigerten, verneinte Fink. Allerdings gebe es noch technische Probleme: Die globalen Player im Bereich der Praxissoftware verhinderten, die ARMIN-Software in die Praxiscomputer zu implementieren. |

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