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Wirtschaft
Innovationen in der Kritik
TK-Innovationsreport: Neue Arzneimittel werden teurer, aber nicht besser
Die Techniker Krankenkasse (TK) meint, dass Präparate, die der frühen Nutzenbewertung unterzogen wurden, auch eine Spätbewertung nötig haben. Sie hat daher 32 der 46 Neueinführungen des Jahres 2014 einer neuerlichen Bewertung im „Real Life“ zugeführt – darunter auch Sofosbuvir (Sovaldi®). Welche neuen Studien oder Beobachtungen wurden nach Einführung der Arzneimittel publiziert? Kam es in der Versorgung zu unerwünschten Wirkungen? Gab es Rote-Hand- oder Blaue-Hand-Briefe? Wie haben sich die neuen Präparate überhaupt in den Markt eingefügt? Unter Berücksichtigung dieser neuen Erkenntnisse haben die Autoren untersucht, ob die Arzneimittel tatsächlich eine bestehende Therapie verbessern, einen Zusatznutzen für die Patienten haben und ob die Kosten im Rahmen bleiben. Diese drei Kriterien wurden einzeln per Ampelschema bewertet. Am Ende wurde ein Gesamt-Score – ebenfalls in Ampel-Darstellung – gebildet.
Keine einzige grüne Ampel
TK-Chef Jens Baas und die Herausgeber der TK-Reports, der Bremer Versorgungsforscher Prof. Gerd Glaeske und der Onkologe und Vorsitzende der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Prof. Wolf-Dieter Ludwig, stellten die Ergebnisse am 20. September vor. Zum ersten Mal in fünf Report-Jahren gab es keine einzige „grüne“ Gesamtampel. 17 Präparate wurden mit „gelb“ bewertet und 15 – darunter vier Orphan Drugs – erhielten eine „rote“ Gesamtampel. Der Grund war in der Regel der hohe Preis. Aber auch die Therapiefortschritte ließen den Autoren zufolge zu wünschen übrig: In der Einzel-Kategorie Zusatznutzen leuchtete die Ampel kein einziges Mal grün. Und so gab es auch für Sovaldi® letztlich nur ein Gelb. Obwohl Baas das Hepatitis-C-Arzneimittel durchaus für einen beachtlichen Fortschritt hält. Allerdings sei bei ihm nicht nur der Preis kritisch, sondern auch der Umstand, dass es auch in Patientengruppen eingesetzt werde, für die es gar nicht bestimmt ist.
Angesichts der mageren Innovationskraft wurmen die hohen Preise besonders. Baas verwies darauf, dass sich die durchschnittlichen Preise für neue Arzneien schon im vergangenen Jahr verdoppelt hätten. Aktuell sei der durchschnittliche Preis pro Packung noch einmal um etwa 1000 Euro auf rund 2500 Euro gestiegen (+ 73%). Die Umsätze der neuen Arzneimittel im Jahr nach der Markteinführung hätten sich fast verfünffacht. Baas geht davon aus, „dass die Industrie in den kommenden Jahren die Preise noch weiter nach oben treiben wird“. Daher müsse die Politik gleich zu Beginn der neuen Legislaturperiode kostendämpfende Maßnahmen ergreifen. Damit meint er eine Anhebung des Herstellerabschlags von 7 auf 10 Prozent. Es sei auch nötig, Lücken im AMNOG-Verfahren zu schließen, etwa bei Orphan Drugs, deren Zusatznutzen heute schon mit der Zulassung als belegt gilt. Doch Baas ist sich im Klaren, dass solche Maßnahmen nicht so schnell Sparwirkung zeigen.
Glaeske griff überdies das Argument der Pharmaverbände auf, dass der Preisindex für Arzneimittel in den letzten Jahren recht stabil geblieben sei. „Das ist nur die halbe Wahrheit“, so Glaeske. Die Stabilität sei darauf zurückzuführen, dass die wachsenden Ausgaben für neue Arzneimittel durch sinkende für Festbetragsarzneimittel kompensiert worden seien. Doch hier sieht Glaeske keinen Spielraum mehr. Die Preise für Festbetragsarzneimittel sind bereits auf sehr niedrigem Niveau. Nun müsse man an anderer Stelle eingreifen. Hoffnung setzt er in Biosimilars. Dank vieler Patentabläufe werde sowohl ihre Bedeutung wachsen, als auch die Möglichkeit, mit ihnen zu sparen. Die TK hält Einsparungen von bis zu 500 Mio. Euro für die GKV in den nächsten Jahren für machbar.
Missachtung mit System
Die Kritik am Report folgte prompt: Die TK habe einen verzerrten Blick auf die Patientenversorgung, erklärten der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) und der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH). „Neue Arzneimittel unterliegen einem strengen Prozess, um ihr vorteilhaftes Nutzen-Risiko-Verhältnis zu beweisen. Zusätzliche Bewertungen mit fragwürdiger Methodik, die den Nutzen und die Kosten von Arzneimitteln nur ausschnitthaft zeigen, können kein Maßstab sein“, sagte etwa der stellvertretende BAH-Hauptgeschäftsführer Hermann Kortland. Und Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin des Verbands der forschenden Pharma-Unternehmen (VfA) erklärte: „Jedes Jahr hören wir von den Kassen, dass es angeblich nichts wirklich Neues in der Arzneimitteltherapie gibt. Doch wer über mehrere Jahre hinschaut, sieht sehr relevante Therapiefortschritte, die für Patienten längeres Überleben und oft eine Rückkehr in ihren gewohnten Alltag bedeuten. Dazu passt das Lamentieren der Kassen nicht. Das Missachten des medizinischen Fortschritts hat System“. |
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