Gesundheitspolitik

Wann wird Cannabis erstattet?

Kasse muss bei schwerer Erkrankung und positiver Einwirkung bezahlen

STUTTGART (wes) | Gesetzlich Krankenversicherte haben seit März Anspruch auf eine Versorgung mit Cannabis. Die Krankenkasse muss diese Behandlung aber nur erstatten, wenn eine schwerwiegende Erkrankung vorliegt und die Behandlung einen positiven Einfluss auf den Krankheitsverlauf erwarten lässt. Das hat das Hessische Landessozialgericht nun in drei Fällen entschieden. (Urteil des Hessischen LSG vom 16.10.2017, Aktenzeichen: L 8 KR 366/17 B ER, L 8 KR 255/17 B ER, L 8 KR 288/17 B ER)

Schmerzpatienten können nur dann eine Versorgung mit Cannabis auf Kassenrezept verlangen, „wenn eine schwerwiegende Erkrankung und ausreichende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung der Cannabis-Therapie vorliegen“, hat das Hessische Landessozialgericht in Darmstadt entschieden, wie das Gericht in der vergangenen Woche mitteilte.

Schmerzen alleine nicht ausreichend

Im Fall eines 57-jährigen Fibro­myalgie-Patienten hatte die Krankenkasse diese Voraussetzung als nicht gegeben eingeschätzt: Schwerwiegende Symptome seien nicht dokumentiert, außerdem gebe es für den Einsatz von Cannabis bei Fibromyalgie keine ausreichende Evidenz. Mit dem Argument des Fehlens einer schwer­wiegenden Erkrankung hatte die Kasse auch die Kostenübernahme bei einem 55-jährigen Mann mit Schmerzsyndrom verweigert. In beiden Fällen gab das Gericht der Kasse nun recht: Eine schwerwiegende Erkrankung werde von der Rechtsprechung angenommen bei fortgeschrittenen Tumorerkrankungen, einem Restless-Legs-Syndrom mit massiven Schlafstörungen, bei Multiple Sklerose sowie einer schweren Verlaufsform der Neurodermitis. Der bloße Verweis auf ein Schmerzsyndrom genüge nicht. Die Betroffenen hätten auch nicht glaubhaft gemacht, dass „eine anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung ­stehe oder im Einzelfall nicht zur Anwendung kommen könne“, schreibt das Gericht.

Anders schätzt das Gericht dagegen den Fall eines Patienten mit chronischen schweren Bauchschmerzen wegen rezidivierender Pankreatitis und Pankreatiko­jejunostomie ein. Da auch höhere Dosen von Morphium und Novaminsulfon die Schmerzen nicht ausreichend lindern konnten, gaben die Richter dem Eilantrag des Patienten statt: die Kasse muss die Versorgung mit Sativex® erstatten.

Zwei von drei Anträgen werden abgelehnt

Das Urteil, das nicht anfechtbar ist, hat weitreichende Bedeutung. Die „Frankfurter Rundschau“ zitiert einen Sprecher der AOK Hessen, wonach seine Kasse pro Monat rund 50 Anträge auf Kostenübernahme von Cannabis erreichten. Davon würde etwa ein Drittel genehmigt. Die anderen Anträge erfüllten die gesetzlichen Vorgaben nicht oder seien zumindest nicht ausreichend und nachvollziehbar dokumentiert.

Nach Zahlen der ABDA wurden im ersten Halbjahr 2017 über 10.000 Einheiten Cannabisblüten in deutschen Apotheken abgegeben. Die Zahl der Verordnungen sei seit Inkrafttreten des Cannabisgesetzes im März von Monat zu Monat kräftig gestiegen, hieß es im Oktober. Dazu kämen etwa 12.500 Cannabinoid-haltige Fertigarzneimittel wie Sativex®. Vor der Neuregelung hatten rund 1000 Patienten eine Ausnahmegenehmigung zum Erwerb von Cannabis für medizinische Zwecke. |

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