Gesundheitspolitik

Wischmopp mit Hundehaaren

PTA belastet Bottroper Zyto-Apotheker schwer

ESSEN (hfd) | Am vergangenen Mittwoch stand beim Landgericht Essen die Aussage einer der beiden Whistleblower an: Die PTA Maria Klein, die zusammen mit dem früheren kaufmännischen Leiter Martin Porwoll die Vorwürfe zur Anzeige gebracht hatte, berichtete über die mangelnde Hygiene im Zyto- Labor und schilderte, wie sie einen offenbar wirkstofflosen Beutel zur Polizei brachte.

Klein war schon in den 1980er-Jahren während ihrer Ausbildung für ein Praktikum in der Apotheke, im März 2015 begann sie dort als PTA. Anfangs habe sie sich über die Anstellung gefreut, auch da die Apotheke ein „Aushängeschild“ in der Stadt sei. S. habe sich „finanziell sehr großzügig gezeigt“ – mit einem Netto-Gehalt von etwas über 1900 Euro, hinzu kam ein 13. Monatsgehalt.

Die Atmosphäre in der Apotheke sei durchwachsen gewesen: Einerseits habe oft ein freundschaftlicher und lockerer Ton geherrscht, auch S. habe sich gegenüber Mitarbeitern oft positiv gegeben. Gleichzeitig habe er sich jedoch auch „soziopathisch“ verhalten, zum „Herrscher über Leben und Tod“ aufgespielt, wie die PTA bereits in der polizeilichen Vernehmung ausgesagt hatte: Er habe Mitarbeiter vorgeführt und bloß­gestellt. „Nach außen hin stellt er sich als Gutmensch dar“, hatte Klein erklärt – nach innen sei er „menschenverachtend“ gewesen.

Gewundert hat sie sich über das Zyto-Labor, das sie in der Apotheke vorfand: Es sei klein gewesen und die Standards seien deutlich schlechter gewesen als in einer Klinikapotheke, in der sie zuvor ge­arbeitet hatte. Die Räumlichkeiten besserten sich laut Klein, nachdem S. ein neues Labor eröffnet hatte – doch eines habe sich nicht geändert: Während die PTAs in der ­Zyto-Herstellung nach dem Vieraugenprinzip gearbeitet hätten, habe S. „alleine gearbeitet“, sagte Klein, in Straßenkleidung und teils mit Handy in der Hand. „Er geht jetzt spielen“, habe es unter Mitarbeitern geheißen, wenn der Apotheker ­Zytostatika herstellte. Auf einer Schutzmatte seien dabei Abdrücke seiner Straßenschuhe deutlich sichtbar gewesen, im Wischmopp hätten sich Hundehaare gefunden.

Ihr seien im Laufe der Zeit „immer mehr Dinge“ aufgefallen, erklärte Klein vor Gericht: Handschuhe ­seien nicht regelmäßig gewechselt, Abfallbehälter mit Zyto-Abfall durchwühlt und das Labor nur einmal die Woche mit unzureichendem Material gereinigt worden. Aufgrund eines streng hier­archischen Denkens habe sie sich nicht getraut, dies zu hinterfragen. Alles sollte möglichst schnell gehen. „Es kann nicht richtig sein, was du da siehst“, habe sie sich oftmals gedacht. „Es war ein schleichender Prozess, wo mir Zweifel kamen, ob das, was ich erlernt hatte, überhaupt richtig war.“

Rückläufer umetikettiert

Die PTA bestätigte frühere Vorwürfe: Rückläufer seien für andere Patienten umetikettiert worden, dabei seien Dosisabweichungen von 3 bis 5 Prozent akzeptiert worden.

S. habe Immuntherapien sowie Hochpreiser immer selber hergestellt, erklärte Klein. In der Dokumentation seien diese später von Mitarbeitern mit seinem Kürzel versehen worden. Infusionsbeutel hätten teils nicht die richtige Färbung gehabt, betonte die PTA. Auf die Frage, wie es einer Mutter von kleinen Kindern – die S. persönlich kannte – ginge, habe der Apotheker mit ihrem Infusionsbeutel in der Hand gesagt, dass sie es diesmal nicht schaffen werde. Im vergangenen Jahr sei der frühere kaufmännische Leiter Porwoll eines Tages gekommen, um die PTAs zu bitten, die Zytostatika für eine Verwandte von ihm selber herzustellen, ohne dies näher zu begründen. „Ich möchte, dass es wirkt“, habe der kaufmännische Leiter nur gesagt.

Klein berichtete nicht nur von Zytostatika, die teils mehrere Tage im Voraus hergestellt wurden, sondern auch von „riesigen Minusbeständen“ in der Warenwirtschaft, die laut ihrem Vorgesetzten auf Anweisung von S. im Buchungssystem gelöscht werden sollten. Auf Nachfrage des Richters beschrieb Klein für mehrere Dutzend Mitarbeiter, welche Rolle diese in der Apotheke hatten und wie das Zyto-Team aufgebaut war. Der Teamleiter habe sich selber als „rechte Hand und Kopf“ von S. gesehen, er habe auch normalerweise die Zytostatika bestellt. Einen Bezug über den Schwarzmarkt, wie die Verteidigung es erwähnt hatte, könnte sie sich nicht vorstellen, sagte die PTA vor Gericht.

Die PTA schilderte ihre Beweggründe auf eindrückliche Weise: Sie habe nicht mehr mit ansehen können, was Patienten angetan werde, „die ihre letzte Hoffnung in diese Therapien stecken“. Eines Tages schritt sie selber zur Tat, obwohl sie wusste, dass es sie wohl ihren Job kosten wird: Als sie einen Rückläufer-Beutel einer Antikörpertherapie in den Händen hielt, der nicht schäumte und in dem sie keine Einstichstelle fand, versteckte sie diesen – und brachte ihn am nächsten Morgen zur Polizei. Daraufhin kam es später zur Razzia sowie der Verhaftung von ihrem Ex-Chef.

Kurz nach der Verhaftung von S. sei ihr fristlos gekündigt worden, ohne Angabe von Gründen. Im Prozess, in dem sie gegen die Kündigung vorging, habe ein Anwalt von S. ihr vorgeworfen, „durch den Diebstahl eines Beutels seinen Mandanten ins Gefängnis gebracht zu haben“, erklärte Klein.

Ihre Vernehmung soll am heutigen Montag fortgesetzt werden. Der Apotheker schweigt bislang zu den Vorwürfen. |

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