Arzneimittel und Therapie

Antikoagulation nicht immer nötig

Die Lage der Venenthrombose entscheidet über Nutzen und Risiko

Bei einer isolierten Wadenvenenthrombose ohne Anzeichen für ein Ausbreiten des Thrombus kann auf eine antikoagulative Therapie verzichtet werden, so das Fazit einer multinationalen Studie.

Bei proximalen tiefen Venenthrombosen, in deren Folge die Gefahr einer Lungenembolie besteht, ist eine antikoagulative Therapie unabdingbar. Anders verhält es sich bei einer isolierten distalen Unterschenkel- oder Wadenvenenthrombose. Solange der Thrombus auf der distalen Seite liegt und keine weiteren Anzeichen für eine Ausbreitung vorliegen, scheint das Risiko gering zu sein. Schätzungen zufolge liegt die Wahrscheinlichkeit für eine Aszendierung des Gerinnsels zwischen drei und zwölf Prozent. Da aber keine prädiktiven Faktoren bekannt sind, die eine Risikoeinschätzung erlauben, wird vielfach eine medikamentöse Therapie empfohlen. Diese Empfehlungen sind uneinheitlich und erstrecken sich von keiner Behandlung bis zu einer sechswöchigen oder dreimonatigen antikoagulativen Therapie. Mögliche Folgen einer Pharmakotherapie sind ein erhöhtes Blutungsrisiko und vermehrte Kosten.

Um die Relation zwischen Nutzen und Schaden einer medikamentösen Therapie einschätzen zu können, wurde eine internationale, doppelblinde, Placebo-kontrollierte Studie durch­geführt.

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Welche Thrombose muss behandelt werden? Wann übersteigen die Risiken einer antikoagulativen Therapie deren Nutzen? Bei einer isolierten distalen Wadenvenenthrombose scheint das Risiko für eine Ausbreitung des Thrombus gering zu sein – genau bestimmen kann man es aber nicht.

Kein Nutzen, mehr Blutungen

Von über 700 gescreenten Patienten wurden 259 ausgewählt, die erstmals an einer akuten symptomatischen Wadenvenenthrombose erkrankt waren, aber keine weiteren Thromboserisiken aufwiesen (z. B. Tumorleiden, bereits früher erlittene Thrombosen). Sie enthielten sechs Wochen lang einmal täglich subkutan ein niedermolekulares Heparin oder eine Placebo-Injektion. Allen Studienteilnehmern wurden zusätzlich Kompressionsstrümpfe verordnet. Der primäre Wirksamkeitsendpunkt umfasste die Ausbreitung des Thrombus auf die proximale Seite, ­eine kontralaterale proximale tiefe ­Venenthrombose und das Auftreten ­einer Lungenembolie. Der primäre Sicherheitsendpunkt war das Auftreten klinisch relevanter Blutungen. Im Hinblick auf den Wirksamkeitsendpunkt wurde kein signifikanter Unterschied festgestellt (3% in der Heparin-Gruppe vs. 5% in der Placebo-Gruppe; p = 0,54), wohl aber beim Auftreten von Blutungen, die bei vier Prozent der Probanden der Heparin-Gruppe und bei keinem Teilnehmer der Placebo-Gruppe registriert wurden (p = 0,0255).

Klinische Parameter fehlen

Den Studienautoren zufolge konnte die Gabe von Heparin bei Vorliegen einer isolierten Wadenvenenthrombose und geringem Thromboserisiko mögliche Komplikationen wie das Ausbreiten des Gerinnsels oder thromboembolische Ereignisse nicht verhindern, führte aber zu einem erhöhten Blutungsrisiko. Dieser Ansicht schließt sich auch ein Kommentator der Studie an, weist allerdings darauf hin, dass es sich bei den Studienteilnehmern um eine selektive Subgruppe mit einem geringen Thromboserisiko gehandelt habe. In allen anderen Fällen müssen möglicher Nutzen und Schaden einer Pharmakotherapie sorgfältig gegeneinander abgewogen werden. Derzeit mangelt es aber noch an klinischen Parametern, mit deren Hilfe das Risiko einer Ausdehnung des Thrombus eingeschätzt werden kann. |

Quelle

Righini M et al. Anticoagulant therapy for symptomatic calf deep vein thrombosis (CACTUS): a randomised, double-blind, placebo-controlled trial. Lancet Haematol 2016 published online am 7. November 2016; http://dx.doi.org/10.1016/S2352-3026(16)30131-4.

Schellong S. Low risk is not enough: the dilemma of calf vein thrombosis. Lancet Haematol 2016 published online am 7. November 2016; http://dx.doi.org/10.1016/S2352-3026(16)30164-8.

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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