Prisma

Opioid-Analgetikum ohne Suchtpotenzial

Molekülvariation des Fentanyls an Ratten getestet

cel/cae | Wissenschaftler an der Charité Berlin haben ein atypisches Opioid mit einem peripheren Wirkungsmechanismus entwickelt, das nur im entzündeten Gewebe seine schmerzstillende Wirkung entfaltet.
Fentanyl und sein fluoriertes Derivat NFEPP, das bei Ratten als Analgetikum getestet wurde.

Die Forschungsgruppe um den Anästhesisten Christoph Stein suchte mit dem Mathematiker Marcus Weber nach einem Opioid, das seine Wirkungen nur in entzündetem Gewebe entfaltet. Dabei gingen sie vom Fentanyl aus. Dieses besitzt als zentralen Baustein ein Ethylpiperidin, dessen nukleophiles N-Atom ihm in Lösungen eine starke Aciditätskonstante verleiht, indem es ein Proton addiert (pKa = 9,82). Um den pKa-Wert zu verkleinern, substituierte Weber in einer Computersimulation jeweils eins von 13 H-Atomen am Ethylpiperidin durch ein F-Atom und erhielt überwiegend Verbindungen mit pKa-Werten < 4. Aufgrund verschiedener vorhergesagter Eigenschaften wählten die Forscher für pharmakologische Tests das Molekül mit einem F-Atom am C3: (±)-N-(3-fluoro-1-phenethylpiperidin-4-yl)-N-phenyl-propionamid (kurz: NFEPP; pKa = 6,73). Fentanyl wird nach seiner Applikation schnell protoniert und bindet danach an µ-Opioid­rezeptoren, wo immer sie sich im Körper befinden. Dagegen wird NFEPP nur in entzündetem Gewebe protoniert und aktiviert, weil dort pH‑Werte < 7 (bis 5) herrschen.

An Ratten mit entzündeten Pfoten testeten die Forscher die Wirkungen von Fentanyl und NFEPP jeweils in Dosierungen von 2 bis 12 µg pro kg Körpergewicht. Während die Analgesie beider Stoffe vergleichbar war, traten die Opioid-typischen Nebenwirkungen nur bei Fentanyl auf. Toxizitätstests mit sehr hohen NFEPP-Dosen lösten keine erkennbare Sedierung oder Atemdepression aus. Die zusätzliche Gabe des Opioidrezeptor-Antagonisten Naloxon-Methyliodid (NLXM) hob erwartungsgemäß den analgetischen ­Effekt von NFEPP auf. Insgesamt bestätigten die präklinischen Tests die Hypothese der Wissenschaftler, dass NFEPP lediglich µ-Opioidrezeptoren im entzündeten Gewebe stimuliert.

Vergleichende Tests mit klassischen nicht-opioiden Analgetika wurden nicht durchgeführt. Insofern gibt es noch keine Hinweise, ob NFEPP als Alternative infrage kommt oder ob eine Kombinationstherapie vorteilhaft wäre. |

Quelle

Spahn V, et al. A nontoxic pain killer designed by modeling of pathological receptor conformations. Science 2017;355(6328):966-969

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