Foto: Constantin Meyer, Köln

Schwerpunkt Digitalisierung

Eine Oase im Neuland

Warum die Rathaus-Apotheke in Sankt Augustin auf Digitales setzt

Riesen-Videowände, Touchscreens, Touchpads, Automaten – „ist das hier die Apotheke?“, fragten Kunden, als sie zum ersten Mal die neue Rathaus-Apotheke im Huma-Einkaufszentrum von St. Augustin betraten. „Ja! Herzlich willkommen in unserer neuen Oase der Gesundheit“, ruft ihnen Florian Wehren­pfennig entgegen. Der Apotheker hat sich mit der Verwirklichung seiner Vision einer digitalisierten Apotheke einen Traum erfüllt. Den meisten Kunden gefällt das neue Konzept. Technik gepaart mit Emotionalität – und vor allem mehr Zeit für die Beratung. Ich wollte von ihm wissen: Lohnt sich die Investition und würde er es wieder so machen? | Von Peter Ditzel

Die neue Apotheke voller High-Tech war für ihn ein Neustart, ein neues Konzept, sein Konzept: „Natürlich hätte ich auch eine normale Apotheke machen können“, überlegt Wehrenpfennig, „aber erstens habe ich immer Spaß an Neuem und zweitens: Wir leben in einer digitalen Transformation –das wissen die wenigsten in unserer Branche. Mit dieser Information im Hinterkopf konnte ich gar nicht anders als die Apotheke so zu gestalten, wie sie nun ist.“

Die etwas andere Apotheke

Es gibt sie, die Apotheken, die eine besondere Philosophie haben, die außergewöhnliche Ideen verwirklichen oder eine besondere Stellung haben. Kurzum, Apotheken, die anders sind als andere. In unserer Rubrik „Die besondere Apotheke“ stellen wir solche Apotheken vor. Dieses Mal besuchten wir die Rathaus-Apotheke in Sankt Augustin.

Zwei Umbauten und ein Umzug

1994 übernimmt Wehrenpfennig die Rathaus-Apotheke, die seine Mutter 1978 im neu errichteten Huma-Einkaufszen­trum von St. Augustin gegründet hatte. Er baut die Apotheke in den 1990er- und in den 2000er-Jahren um, die Einrichtung wird erneuert und die Freiwahl vergrößert. „Jeder Umbau brachte eine Optimierung der Apotheke, mehr Wachstum“, so der Apotheker.

2010 projektieren die Betreiber des in die Jahre gekommenen Einkaufszentrums einen Neuaufbau. Für Wehrenpfennig ist es klar, dass er dabei ist und die Apotheke in das moderne Einkaufszentrum integriert – was dieses Mal allerdings einen Umzug in neue Räume bedeutet, da das Zen­trum in zwei Bauabschnitten komplett neu gebaut wird. Für den Apotheker steht ein Großprojekt bevor, denn er nimmt den Umzug in neue Räume zum Anlass, sich mit seiner Apotheke neu aufzustellen. Er denkt sogar kurz über eine Namensänderung nach, da die Apotheke nicht mehr in der Nähe zum Rathaus liegt und im Volksmund sowieso schon „Apotheke im Huma“ heißt. Den Namen lässt er dann doch bestehen, aber alles andere soll anders werden: Er möchte seine Vision von einer modernen Apotheke verwirklichen, die im digitalen Zeitalter angekommen ist, optisch und konzeptionell. Für Wehrenpfennig bedeutet das, „die Online-Welt in den Offline-Handel zu holen“. Etwas konkreter heißt dies, viele digitale Möglichkeiten in die Apotheke zu bringen, aber nicht als Spielerei, sondern um Prozesse zu optimieren und mehr Zeit für den Menschen zu haben.

Mit dieser Vision, mit diesem Konzept geht er bei der Neukonzeption seiner neuen Rathaus-Apotheke in die Planung. Zeitweise kommen allerdings schon ein paar Zweifel in ihm auf, wie er einräumt, vor allem, als er sich vor vier Jahren andere moderne, technikaffine Apotheken angeschaut hatte. „Aber mit der Zeit bin ich vom Saulus zum Paulus geworden, weil ich gesehen habe, welche Möglichkeiten heute da drin stecken. Die Technologie ist in den letzten Jahren rasch vorangegangen, ich kann heute noch mehr an Ideen verwirklichen. Dennoch habe ich darauf geachtet, nicht zu technisch zu wirken, zumal die Mehrzahl meiner Kunden weiblich ist. Ich habe darauf geachtet, bei aller Technik die Emotionalität nicht zu vergessen. Einen Ort zu schaffen, den man gerne aufsucht, der nicht nach Krankheit aussieht, wo man auf empathische und kompetente Menschen stößt, die einen hohen Service bieten.“

Seine neue Apothekenwelt

Ende 2015 ist es dann so weit, er kann mit seiner Rathaus-Apotheke in die neuen Räume im Huma umziehen. „Das war allerdings eine meiner größten Herausforderungen“, erinnert sich Wehrenpfennig. Die technischen Veränderungen katapultieren die Rathaus-Apotheke in eine neue Dimen­sion: ein großer neuer Kommissionierer, zwei Riesen-Video­wände in der Sichtwahl, zwei Touchscreens in der Freiwahl und Touchpads in jedem HV-Tisch, außerdem eine elektronische Preisauszeichnung für die Freiwahl. Sein Architekt, Carl E. Palm aus Köln, hatte zwölf Wochen für die Einrichtung und Installation der Apotheke veranschlagt, „durchgezogen wurde das Projekt in stolzen acht Wochen“, freut sich Wehrenpfennig.

Seit 16 Monaten befindet sich die Rathaus-Apotheke nun in den neuen Räumen des vergrößerten und umgebauten Huma-Einkaufszentrums von St. Augustin. Die Lage seiner 260 Quadratmeter großen Apotheke an einem Eingang des Zentrums ist ein Blickfang, außerdem befinden sich gute Frequenzbringer in unmittelbarer Nähe. Und es wird noch besser: Ende dieses Jahres eröffnen eine Erweiterung des Einkaufszentrums und ein großes Parkhaus. Über 110 Geschäfte wird die Einkaufsmall dann haben. Mit der Kundenzahl ist er schon heute zufrieden, aber weitere Geschäfte und Attraktionen im Huma und noch mehr Parkmöglichkeiten versprechen einen weiter wachsenden Zulauf und noch mehr Frequenz.

Diskrete Beratung, digital unterstützt

Eines der Highlights der Apotheke sind die im Handverkaufstisch eingelassenen Touchpads. Solche Pads oder Tablets kann man sich wie größere iPads vorstellen, die bündig in den HV-Tisch eingelassen sind. „Meine Ausgangsüberlegung war: Fast jeder hat mittlerweile ein Smartphone oder ist es gewöhnt, mit solchen Bildschirmen und Darstellungen auf Bildschirmen umzugehen“, so Wehrenpfennig, „wir haben versucht, das am HV umzusetzen.“

Auf den Touchpads im HV-Tisch ist die gesamte Sichtwahl darstellbar: „Es lassen sich beispielsweise Therapieergänzungen einspielen, die man mit dem Kunden besprechen kann. So ein bisschen Vorbild hierfür sind die Algorithmen, die bei Verkäufen ablaufen, wenn man bei großen Online-Händlern bestellt nach dem Muster: Wer sich für diese Ware interessiert, hat auch Interesse an jener Ware.

Ein gewünschtes Arzneimittel kann man dann vom Tablet aus beim Kommissionierautomaten abrufen.“

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Im HV-Tisch sind große Tablets eingelassen, auf denen Regale mit OTC-Arzneimitteln dargestellt werden. Bei Berühren zeigt das Tablet ergänzende Informationen.

Was Wehrenpfennig noch anstrebt, ist die Vernetzung des Touchpads mit Beratungsprogrammen, die beispielsweise leitliniengerechte Alternativen zur Auswahl anzeigen. „Eigentlich haben wir eine Datenlage in der Apotheke, die ihresgleichen sucht. Wir können nur noch nichts damit anfangen oder sie so aufarbeiten, dass etwas Vernünftiges herauskommt. Das müsste eigentlich mit Hochdruck bearbeitet werden. Leider sind wir hier auch noch nicht soweit. Aber wir haben immerhin die Hardware verbaut, die Software, die solche Daten nutzt und sie vernetzt, wird vielleicht noch kommen“, hofft Wehrenpfennig.

Haben die Kunden Probleme mit dem virtuellen Arzneiangebot? Wehrenpfennig kennt das Argument von Marketing­leuten, dass es den Abverkauf unterstützen kann, wenn ein Kunde die Packung in die Hand nehmen kann, wenn er sie nicht nur virtuell sieht, sondern be-greifen kann. Für Wehrenpfennig ist dies nicht mehr vorrangig: „Die Kunden sind es mittlerweile gewöhnt, mit virtuellen Angeboten umzugehen, der Kaufwunsch stellt sich trotzdem ein. Vor zehn Jahren mag das noch anders gewesen sein. Und wenn der Kunde eine Packung doch real sehen möchte, kann man sie rasch aus dem Automaten anfordern.“

Er ist davon überzeugt: „Die Idee, Touchpads für die virtuelle Sichtwahl in die HV-Tische zu integrieren, unterstützt die diskrete Beratung, denn ich muss mich während des Beratens nicht vom Patienten abwenden, muss ihm nicht den Rücken zudrehen. Im Gegenteil, wir stellen uns sogar oft neben ihn, um gemeinsam auf das Tablet zu schauen. Kein anderer Kunde kann sehen, was wir gemeinsam auf dem Touchpad anschauen – die Diskretion ist dadurch optimal gewährleistet.“

Die Vertraulichkeit wird zudem dadurch erhöht, dass zwischen den HV-Tischen Trennwände aus satiniertem Glas eingebaut sind, „das schafft keine Schalter-Atmosphäre, sondern eine offene und zugleich vertrauliche Atmosphäre“. Und eine schwarze Linie auf dem Fußboden signalisiert den Kunden, Abstand vom HV-Tisch zu halten, wenn ein Kunde bedient wird.

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Auf diskrete Beratung legt die Rathaus-Apotheke in Sankt Augustin großen Wert. Die Beratungsplätze sind durch satinierte Glaswände voneinander abgetrennt, auf dem Boden sind Markierungen, die den Kunden signalisieren, Abstand zu halten.

Sein Beratungskonzept heißt „ABZ“, nämlich aktiv beraten, bewusst zuhören und Zeit nehmen: „Das ist das, auf das jeder unserer Mitarbeiter eingeschworen wird“, so Wehrenpfennig, „es ist natürlich ein relativ teures Konzept, aber die Leute quittieren das, indem sie wiederkommen.“

Vielleicht Deutschlands größte Apotheken-Videowände

Der Blickfang in der Offizin sind allerdings die beiden Videowände, vermutlich die größten, die derzeit in einer Apotheke in Deutschland installiert sind. Jeweils acht große Monitore sind zu einer Bildschirmwand verbunden. Im vorprogrammierten Wechsel werden hier großflächige Fotos im Breitwandformat gezeigt, es laufen Videoclips ab, es werden eine virtuelle Sichtwahl, Wareninformationen und Sonderangebote gezeigt. „Hier können wir das ins Blickfeld des Kunden rücken, was uns wichtig ist“, erklärt Wehrenpfennig das Konzept hinter der Videowand.

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Zwei große Videowände, vorne und rechts, geben der Offizin einen eigenen Charakter. Auf ihnen können z. B. emotionale Bilder und Videos laufen, …
… aber auch eine große virtuelle Sichtwahl dargestellt und einzelne Präparate groß beworben werden.

„Jeden Monat haben wir ein anderes Emotionsbild, das im Wechsel mit einem Sichtwahlregal, ausgewählten Preis­angeboten und anderen Informationen gezeigt wird.“ Als emotionales Großbild ist Anfang Februar beispielsweise eine Traum-Winterlandschaft abgebildet, die eine Wohlfühl-Atmosphäre erzeugen soll. Wie kommt das bei den Kunden an? „Ja, es gab anfangs natürlich den einen oder anderen Kunden, der damit nicht so klargekommen ist. Da wurde schon mal die Frage gestellt, ob das überhaupt eine Apo­theke ist. Aber mittlerweile sind die Menschen daran gewöhnt und freuen sich über die großen Bilder.“

Digitale Hilfen für die Freiwahl

Die Freiwahl und das Kosmetikregal hat Wehrenpfennig mit zwei großen Touchscreens bestückt. „Hier arbeiten wir weniger mit virtuellen Darstellungen, denn die Haptik, die Emotion, die beispielsweise eine Kosmetikpackung ausstrahlt, spielt eine ungleich größere Rolle als bei einer Arzneimittelpackung“, begründet es der Apotheker. „In der Freiwahl und im Kosmetiksortiment haben wir die Möglichkeit, auf den Bildschirmen im Wechsel Produkte zu zeigen, die nicht ausgestellt sind, z. T. auch solche, die erst kurzfristig beschafft werden. Schon jetzt ist es möglich, dass der Kunde auf dem Bildschirm ein Produkt auswählt, seine Auswahl auf einem kleinen Zettel ausdruckt, der unterhalb des Bildschirms ausgegeben wird, und damit zum HV-Tisch geht, um sich die Ware aushändigen zu lassen und zu bezahlen. Um ehrlich zu sein, da ist noch Luft nach oben, die Menschen trauen sich noch nicht alleine ran, um Produkte aufzurufen. Aber perspektivisch wird hier die Nutzung noch intensiver werden“, ist Wehrenpfennig überzeugt.

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In der Freiwahl findet sich zwischen den Regalen ein Touchscreen, auf dem wechselnde Freiwahl-Regale abgebildet und bei Berühren weitere Informationen zu einzelnen Präparaten angezeigt werden können.

Ein weiteres Modul der Digitalisierung in der Rathaus-Apotheke ist die digitale Preisauszeichnung in der Freiwahl. Wehrenpfennig hat sich für die neuen und sehr gut lesbaren elektronischen Preisschilder entschieden, die mit zweifarbiger elektronischer Tinte funktionieren. Über Wlan kann jedes Preisschild elektronisch angesteuert und per PC verändert werden – „das waren zwar nicht die günstigsten Schilder, aber sie sind dafür hervorragend lesbar und in der Entwicklung ganz vorne“.

Großes Konzept, kleiner Übervorrat

Sein Kommissionierer gehört zu den größeren Geräten seiner Art, der höchste, den der Hersteller anbietet — die hohen Räume seiner Apotheke machten dies möglich. Rund 20.000 Produkte fasst der Automat. „Einen großen Kommissionierer zu nehmen, war sicher ein Stück weit mutig. Aber so konnte ich Lager und Logistik optimieren. Aufgrund der virtuellen Sichtwahl haben wir sämtliche OTC- und Rx-Arzneimittel im Automaten. Manche meinten, das könnte von der Aus­lagerungsgeschwindigkeit zu Problemen führen, aber es funktioniert, zumindest bis zu einem gewissen Punkt. Mit vier Ausgabestellen kann die Arzneimittelabgabe entspannt bewältigt werden.“ Einen Übervorrat an Arzneimitteln gibt es so gut wie nicht. In seinem kleinen Vorratsraum lagern nur noch Kosmetika oder Großpackungen, die der Automat nicht aufnehmen kann. Eins ist allerdings klar: „Der Strom darf bei uns nicht ausfallen.“

Sein Konzept zur Digitalisierung der Apotheke hat er selbst entworfen. Schon seit vielen Jahren hat er sich mit fortschrittlichen Ideen befasst, „das ist in mir gewachsen. Ich habe mir andere Apotheken angesehen, habe die Szene verfolgt, war auf zahlreichen Veranstaltungen. Mein Architekt hat mir schließlich gut zugehört und das umgesetzt, was mir vorschwebte. Hinzu kommt: Ich bin gut vernetzt, auch über die Elac-Kooperation, bei der ich Mitglied bin, und mit meiner Frankfurter Erfa-Gruppe (Dr. Herzog ). Hier habe ich viel Know-how erfahren und viele gute Gespräche geführt.“ Wehrenpfennig arbeitet mit dem IT-Haus Awinta zusammen, der Kommissionierer stammt von Rowa und alle Bildschirme für die Sichtwahl/Freiwahl/HV von Optimum Media: „Keiner konnte alle meine Ideen allein umsetzen, da musste ich auf weitere IT-Fachleute von xmedia Systems und dem Apothekenfachkreis zurückgreifen und auch Kompromisse machen.“

Strategie gegen Online-Handel

Bei seinen Kunden wirbt er dafür, dass die Rathaus-Apotheke die Arzneimittel innerhalb von einer Stunde beschafft. Wehrenpfennig erklärt es so: „Im Idealfall bringt der Kunde sein Rezept zu Beginn seines Aufenthalts im Einkaufszentrum in die Apotheke. Sollte ein Arzneimittel nicht vorrätig sein, besorgen wir es ihm in kürzester Zeit, damit er es am Ende seiner Einkaufstour bei uns abholen und mitnehmen kann.“ Da sein Großhändler in der Nähe sitzt, ist eine stündliche Belieferung, so es mal notwendig sein sollte, machbar: „Das ist meine Strategie gegen den Online-Versandhandel. Ich versuche damit, gegen ‚amazon fresh‘ oder ‚amazon prime now‘, die eine Lieferung nach nur wenigen Stunden versprechen, anzutreten.“ Außerdem können seine Kunden schon im Voraus über E-Mail oder WhatsApp bestellen, so dass ihre gewünschten Arzneimittel rechtzeitig zur Abholung bereitliegen — „das haben wir alles schon auf die Wege gebracht. Das Beste ist natürlich, man hat jedes gewünschte Produkt vorrätig, das wird man aber nicht schaffen. Und so ist unser Angebot für die Kunden eine echte Alternative“.

Eine hohe Lieferfähigkeit ist auch Teil seines Konzepts, das im Logo seiner Apotheke anklingt: „Oase der Gesundheit“. „Der Slogan ist in den neunziger Jahren entstanden, als das Schlagwort von der Servicewüste in Deutschland umherging. Wir haben uns damals gesagt: Wir sind keine Service-Wüste, sondern genau das Gegenteil, eine Oase“, erklärt es Wehrenpfennig. Er kommuniziert dies über seine Homepage, über Facebook, über Werbung auf den Einkaufswagen des benachbarten Supermarkts.

Übrigens, eine Motivation, auf neue Technik und Modernität zu setzen, war für den Apotheker auch, sich sichtbar im Markt zu positionieren, attraktiv für neue Mitarbeiter zu sein. „Es hat funktioniert“, wie er gesteht. So sind bereits zwei PTAs auf die Rathaus-Apotheke aufmerksam geworden, die nun bei ihm arbeiten.

Das Team ist dabei

Eine große Herausforderung war, sein Team mit dem digitalen Konzept vertraut zu machen. Die gesamte Technik, die Bildschirmwände, die Touchpads und Touchscreens, die Preisauszeichnung bis hin zum Kommissionierautomaten, war für alle neu, d. h. alle Mitarbeiter mussten rechtzeitig geschult werden, um unmittelbar nach dem Umzug damit starten zu können. Etwa ein Jahr vor dem Umzug kommunizierte der Apotheker sein Vorhaben in Team-Abenden. „Es hat funktioniert“, freut sich Wehrenpfennig, „selbst aus dem arbeitsintensiven Umzug von der alten Offizin in die neuen Räume konnten wir ein Team-Event machen. Freilich mussten sich manche auch erst an die Modernität gewöhnen, aber jetzt, nach 16 Monaten, sind wir alle angekommen.“ Und er fügt hinzu: „Wir versuchen auch heute, unseren modernen und nüchternen Stil in der Offizin einzuhalten. Wir achten darauf, dass nicht überall Aufsteller herumstehen. Die Arbeitsabläufe gestalten sich mit der Technik wesentlich ruhiger, haben wir festgestellt. Wir haben mehr Zeit für unsere Kunden, müssen nicht nach hinten rennen, um Arzneimittel zu holen. Die Effektivität ist wesentlich höher“, so sein erstes Resümee.

Sein Team – das sind über 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, darunter vier Approbierte. Drei Viertel des Teams sind bereits über zehn Jahre in der Rathaus-Apotheke, zwei sind sogar schon dreißig Jahre dabei. „Da ich selbst nur noch selten ‚vorne‘ bin und Zeit für den Handverkauf habe, ist mir bewusst, dass meine Mitarbeiter das ‚Gesicht‘ der Apotheke sind.“

Wann Apotheken in Zukunft eine Chance haben…

Hat der Rathaus-Apotheker weitere Pläne für die Zukunft? Er ist überzeugt, dass die digitale Entwicklung rasant voranschreiten wird. Er kann sich durchaus noch eine Stufe mehr vorstellen, nämlich ganz frei im Raum zu sein, das heißt, sich mit dem Kunden an kleinen in der Offizin verteilten Tischen zusammenzustellen oder -zusetzen, mit einem Tee oder Kaffee, und die gesundheitlichen Probleme zu besprechen. Die Ware wird dann an einem naheliegenden Ausgabepunkt ausgegeben. „Wenn wir das umgesetzt hätten, wäre womöglich der eine oder andere Kunde nicht mit klargekommen“, lacht Wehrenpfennig.

Apotheker Florian Wehrenpfennig: „Ich hatte irgendwie die Idee im Kopf, die modernste Apotheke in Deutschland zu werden.“

Die rasante Entwicklung im Apothekenmarkt motivierte ihn, vor elf Jahren der Apothekenkooperation Elac (Guten-Tag-Apotheken) beizutreten – „das habe ich keinen Tag bereut; mittlerweile sind wir 460 Apotheken und haben dadurch mehr Möglichkeiten, vielleicht ist das ein kleines Schutzschild für Veränderungen. Wenn nun mit dem EuGH-Urteil weitere Veränderungen auf uns zukommen, wenn das elektronische Rezept kommt, dann hat man als Einzelapotheker kaum noch Chancen“, ist sich Wehrenpfennig sicher, „aber vielleicht als Mitglied einer Kooperation. Letztlich entscheidet die Gesellschaft, ob sie die Apotheken, wie sie heute sind, braucht oder nicht.“ Seine Zukunftsvision: „Wir müssen nah am Kunden sein, nah an seinen Bedürfnissen. Dann haben wir eine Chance, in Zukunft dabei zu sein. Für mich gibt es dann drei Möglichkeiten: Entweder wir haben eine Preisführerschaft oder wir besetzen eine Nische oder auf Qualität. Ich würde mich für Nische und Qualität entscheiden, eine Preisführerschaft werden wir nicht erreichen können.“

Eine richtige Entscheidung?

Wehrenpfennig ist sich bewusst: Seine Apotheke würde nicht überall funktionieren (aber in einem Einkaufszentrum). Durch den Standortwechsel hat er viele neue Kunden hinzugewonnen, weil die Apotheke besser wahrgenommen wird: „Wir bekommen ein sehr gutes Feedback. Natürlich sind im Einkaufszentrum auch mehr jüngere Menschen anzutreffen, die das Konzept schick finden oder gar nicht weiter darüber nachdenken.“

Und wie hoch waren die Investitionen? „Knapp unter siebenstellig waren sie schon“, rechnet der Apotheker zusammen. Aber bereut hat er es nicht, „ich würde es wieder so machen – es war aber auch alternativlos für mich, in diese Räume zu gehen, da der alte Mietvertrag auslief“. Ohne modernste Technik, ohne Automaten, ohne Bildschirme etc. hätte er vielleicht 200.000 Euro einsparen können, aber das war ihm der Schritt in die Zukunft wert. Und wenn er die Einsparmöglichkeiten durch die Technik und den Mehr­umsatz gegenrechnet, blickt er für seine Rathaus-Apotheke optimistisch in die Zukunft.

Wehrenpfennig hat vier Kinder, eine Nachfolge für die Apotheke wird allerdings nicht dabei sein, sie haben sich schon für andere Berufe entschieden: „Ist vielleicht auch gut so“, meint der Apotheker, „wer weiß, wie es mit der Pharmazie weitergeht.“

Das Konzept auf eine andere Apotheke zu übertragen, kann er sich gut vorstellen. Ob er allerdings selbst eine Filiale machen will, da winkt er eher ab, auch angesichts des EuGH-Urteils: „Der Flaschenhals ist die Personalsituation. Lieber arbeite ich an einem Standort und verleihe ihm Strahlkraft als mich zu verzetteln.“

Ist er eigentlich selbst ein Computernerd, ein Technikfreak? „Ehrlich gesagt nein“, versichert er mir, „mit der EDV kam ich erst in Kontakt, als ich ins Berufsleben eintrat, Anfang der Neunziger. Ich sehe einfach die Chancen und Möglichkeiten und versuche, sie zu nutzen. Ich hatte irgendwie die Idee im Kopf, die modernste Apotheke in Deutschland zu werden.“ Das dürfte er wohl erreicht haben.

Ohne alle technisch aufgerüsteten Apotheken in Deutschland zu kennen: Mit seiner Rathaus-Apotheke spielt er mit Sicherheit in der obersten Liga mit. Sie dürfte technisch gesehen eine der zehn modernsten Apotheken sein, wenn nicht sogar die Modernste. |

Autor

Peter Ditzel ist Herausgeber der DAZ – Deutsche Apotheker Zeitung

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