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Die Seite 3
Zeitgeist oder was?
„Es ist alleine dem Zeitgeist geschuldet, dass wir den Rx-Versandhandel nicht einfach abschaffen können“ – sagt die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion Hilde Mattheis. Da hat sie also den Schuldigen gefunden: Der Zeitgeist ist’s, der den Versandhandel um jeden Preis will. Wer ist eigentlich dieser Zeitgeist und will er das wirklich? Will er auch den Versand von zum Teil hochkomplizierten, beratungsbedürftigen und daher verschreibungspflichtigen Arzneimitteln? Ich bin mir da ganz sicher: Nein, das will dieser Zeitgeist nicht. Im Gegenteil: Wenn man den Zeitgeist beobachtet und ernst nimmt, dann ist es genau das Gegenteil, was derzeit in den Fokus rückt: Die Menschen informieren sich zwar online, suchen im Netz, aber es ist ein deutlicher Trend zu sehen, dass die Kunden wieder Nähe und Beratung suchen, vor allem bei Waren, die ein Erlebnis versprechen, bei denen man mehr Infos möchte, oder bei Waren im persönlichen Bereich wie Kosmetik und Gesundheit, also auch bei Arzneimitteln. Was Mattheis und einige andere Politiker dagegen unter dem Zeitgeist verstehen, sind zu Modeschlagwörtern verkommene Assoziationsketten wie Versandhandel, Digitalisierung, Telematik und E-Health, die einfach nur nachgeplappert werden – ohne nachzudenken.
Diejenigen, die glauben, dem Zeitgeist huldigen zu müssen, sollten sich einfach kurz die Zeit nehmen und die Begriffe ordnen. Allen voran: Der Versandhandel hat nicht unbedingt mit Digitalisierung zu tun. Versandhandel gab’s schon vor 50 Jahren und länger, er ist durch digitale Medien vielleicht ein wenig einfacher geworden, mehr aber nicht.
Und alles andere, was man in diesem Zusammenhang sonst noch unter „Zeitgeist“ subsumieren könnte, sollte man sich genauer ansehen. Das haben wir mit unserem Schwerpunkt-Thema in dieser DAZ-Ausgabe unter dem Thema Digitalisierung und Apotheke versucht. Was wir gefunden haben: Der Begriff der Digitalisierung ist nicht einheitlich definiert. Meist versteht man darunter die digitale Revolution, die digitale Wende, Informationen jeder Art als Daten zu verarbeiten, Big Data und Vernetzung. Unsere Beiträge zeigen, was Digitalisierung für die Apotheke bedeuten kann, wie sie die Wettbewerbsposition stärken kann, wie man sich von einer Analog-Apotheke zur Online-Offizin wandelt, was uns in Zukunft erwartet und was die ABDA in Sachen Telematik entwickelt. Wir haben auch zwei Apotheken besucht, die Vorreiter in Sachen Digitalisierung sind und sie nutzen, um mehr Zeit für ihre Kunden zu haben. Diese Apotheken zeigen auch, was Digitalisierung nicht ist – nämlich nur schicke Touchscreens an die Wand zu hängen – das reicht nicht. Worüber wir uns auch im Klaren sein sollten: Die Digitalisierung und das Internet gehen nicht mehr weg.
Vielleicht werfen Mattheis und Co. einen Blick in diese DAZ. Unsere Zeitgeist-Politiker könnten stolz sein auf den Fortschrittsgeist, der in Apotheken anzutreffen ist. Und wir hätten gleich noch einen Vorschlag an die Politik: Statt sich für den Versandhandel mit Verschreibungspflichtigem stark zu machen, wäre es besser, sich für den Ausbau eines schnellen und stabilen Datennetzes einzusetzen. Das will der Zeitgeist!
Peter Ditzel
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