Arzneimittel und Therapie

Neue „Karriere“ für Pioglitazon?

Patienten mit nicht-alkoholischer Fettlebererkrankung könnten profitieren

In der Fachzeitschrift JAMA Internal Medicine ist eine Metaanalyse erschienen, nach der die Einnahme von Pioglitazon bei Patienten mit nicht-alkoholischer Fettleber zum Rückgang einer fortgeschrittenen Leberfibrose führen kann. Doch wie stehen die Chancen für eine zukünftige Indikationserweiterung des Diabetes-Medikaments wirklich?

Die Prävalenzen der nicht-alkoholischen Fettleber (non-alcoholic fatty liver disease, NAFLD) und ihrer entzündlichen Form, der nicht-alkoholischen Steatohepatitis (non-alcoholic steatohepatitis, NASH), nehmen gegenwärtig zu. Prognosen zufolge werden sie in den USA im Jahre 2020 die häufigsten Indikationen bei Patienten sein, die auf eine Lebertransplantation warten. Ohne Transplantation ist die Prognose ungünstig, denn etwa jeder zehnte bis fünfte NAFLD-Betroffene ent­wickelt eine höhergradige Fibrose. Spätstadium ist die Leberzirrhose, auch der Übergang in ein hepatozelluläres Karzinom ist möglich.

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Diagnose Fettleber bedeutet nicht zwangsläufig, dass es sich um die Folge eines Alkoholabusus handelt. Auch das metabolische Syndrom ist oft eng mit einer Fettleber vergesellschaftet.

Keine zugelassenen Wirkstoffe

Derzeit sind keine Arzneimittel für NAFLD oder NASH zugelassen. Empfohlen werden hauptsächlich Lebensstiländerungen, insbesondere die Vermeidung von Alkohol sowie Gewichtsreduktion. Laut der aktuellen AWMF-Leitlinie „Nicht-alkoholische Fettlebererkrankungen“ reicht die Datenlage für eine Empfehlung von pflanzlichen Wirkstoffen wie Silymarin oder Nahrungsergänzungsmitteln, z. B. mit Vitamin E, noch nicht aus. Dennoch gebe es Studien, die den Off- label-Gebrauch von Pioglitazon bei Patienten mit gesicherter NASH rechtfertigen können, so die Leitlinienautoren. Derzeit besitzt Pioglitazon nur eine Zulassung als Zweit- und Drittlinien-Therapie des Diabetes mellitus Typ 2. In Deutschland ist die Bedeutung des Wirkstoffs im Versorgungsalltag relativ gering, da die Behandlung nur von privaten Krankenversicherungen erstattet wird.

Pioglitazon eigentlich nicht „leberfreundlich“

Dass ausgerechnet Pioglitazon positiv bei einer Lebererkrankung wirken soll, mag zunächst überraschen. Denn bei Diabetikern mit eingeschränkter Leberfunktion ist der Wirkstoff kontraindiziert; vor und während einer Behandlung müssen die Transaminasen kontrolliert werden. Lebertoxizität ist möglicherweise ein Klasseneffekt der Glitazone. Deren erster Vertreter Tro­glitazon wurde wegen zahlreicher dadurch verursachter Todesfälle vom Markt genommen. Rosiglitazon (seit 2010 nicht mehr im Handel) wurde mit tödlichem Leberversagen in Verbindung gebracht, und unter Pioglitazon sind ebenfalls schwere Leberschäden beschrieben worden. Eine Gewichtszunahme als bekannte Nebenwirkung von Pioglitazon wäre bei NAFLD-Patienten ebenfalls kontraproduktiv, da sie ihr Gewicht reduzieren sollten. Außerdem wurde in Studien über ein erhöhtes Risiko für Harnblasen-, Prostata- und Pankreas-Karzinome sowie für Herzinsuffizienz berichtet. Dennoch spricht einiges für Pioglitazon. Denn der auch als Insulinsensitizer bezeichnete Wirkstoff beeinflusst den Glucose- und Lipidstoffwechsel positiv, indem er den Gamma-Subtyp des Peroxisomal Proliferator-activated Rezeptors (PPARγ) im Zellkern stimuliert. Insulin-Resistenz gilt als wichtiger pathogenetischer Faktor der nicht-alkoholischen Fettleber (s. Kasten).

Wie Insulin-Resistenz die Leber schädigt

Die genaue Pathogenese der nicht-alkoholischen Fettleber (NAFLD) ist noch nicht abschließend geklärt. Als wesentlicher Faktor gilt die Insulinresistenz. Hierbei ist die Wirkung von Insulin in den peripheren Geweben vermindert, vor allem in der Muskulatur, dem Fettgewebe und der Leber. Daraus folgen eine verminderte Glucose-Aufnahme in Muskel- und Fettzellen und eine verminderte Glykogen-Synthese in Leber- und Muskelzellen. Um den dadurch erhöhten Blutzuckerspiegel zu senken, schüttet die Bauchspeicheldrüse mehr Insulin aus, es kommt zur ­Hyperinsulinämie.

Trotz erhöhter Insulinspiegel ist bei Insulin-Resistenz die Lipo­lyse im Fett- und Muskelgewebe gesteigert (statt normalerweise gehemmt). Nach der Multiple-hit-Theorie kommt es dadurch zu einem hohen Einstrom freier Fettsäuren ins Blut, die dann von der Leber aufgenommen werden. Zusätzlich führt die Hyperinsulin­ämie über verschiedene Mechanismen zu einer Zunahme der Triglycerid-Synthese in der Leber – bei gleichzeitiger Hemmung ihres Abtransports als „very low density lipoproteins“ (VLDL) aus den Hepatozyten. Durch die vermehrte Fettspeicherung entsteht die Fettleber.

Darüber hinaus verstärken freie Fettsäuren in der Leber die Lipidperoxidation, sie generieren hochreaktive Sauerstoff­spezies und stimulieren die Expression etwa von Tumornekrosefaktor alfa. Eine Reihe komplexer Interaktionen zwischen Hepatozyten, Kupffer-Zellen, Entzündungs­mediatoren wie TNF‑α und Interleukinen sowie Sauerstoffradikalen unterhält einen inflammatorischen und zellschädigenden Prozess: Es kommt zur Steatohepatitis (NASH).

Für die Entwicklung einer Fibrose im Rahmen einer NAFLD spielen wahrscheinlich auch extrahepatische Faktoren eine Rolle, vor ­allem Produkte von Darmbakterien und sogenannte Adipokine aus viszeralen Fettgewebszellen. Adiponectin z. B. ist ein antidiabetisch und antiinflammatorisch wirkendes Polypeptid, dessen Spiegel bei NAFLD und vor allem NASH vermindert ist. Folgerichtig wird auch neben Pioglitazon und weiteren Glitazonen der Einfluss anderer Antidiabetika auf die nicht-alkoholische Fettleber und die Steatohepatitis untersucht.

Auszug aus: C. Bilharz: Nicht-alkoholische Fett­lebererkrankung: Die hepatische Manifestation des metabolischen Syndroms. DAZ 2016, Nr. 1, S. 50

Fibrosegrad verbessert

Die aktuelle Metaanalyse hatte acht randomisierte klinische Studien mit insgesamt 561 Patienten und einer Dauer zwischen sechs und 24 Monaten eingeschlossen. Ziel war es, die verfügbare Evidenz für einen positiven Einfluss einer Behandlung mit Pioglitazon (5 Studien, Tagesdosis 30 – 45 mg) oder Rosiglitazon (3 Studien) auf fibrotische Leberveränderungen darzustellen. Evaluiert wurde der Fibrosegrad, also das Ausmaß des Umbaus von Leber- zu Bindegewebe. Primärer Endpunkt war die Reduktion von Stadium F3 – F4 (hochgradige Fibrose bis Zirrhose) auf Stadium F0 – F2 (keine bis mittelgradige Fibrose). Die sekundären Endpunkte bildete eine Fibrose-Verbesserung jeglichen Grades sowie eine Rückbildung der NASH. Die Hauptaussage der Metaanalyse: eine Behandlung mit Pioglitazon führte – auch bei Nichtdiabetikern – zu signifikanten Verbesserungen bei primären und sekundären Endpunkten, insbesondere in den Pioglitazon-Studien.

Option bei fortgeschrittener Fibrose und NASH

Im Editorial der Fachzeitschrift weist Hal F. Yee, Medizinischer Direktor des County Department of Health Services in Los Angeles, Kalifornien, darauf hin, dass die Metaanalyse lediglich bei histologischen Merkmalen signifikante Verbesserungen gezeigt hat. Ob Pioglitazon auch in der Lage ist, klinische Endpunkte wie Aszites oder Enzephalopathie, die Notwendigkeit einer Lebertransplantation oder den leberbedingten Tod zu verbessern, bleibt unklar. Daher ist es nach Ansicht des Kommentators zu früh, Pioglitazon für NASH zu empfehlen.

Allenfalls könnte der Wirkstoff eine Option für Diabetiker sein, die an NASH und fortgeschrittener Fibrose erkrankt sind, denn bei diesen Patienten wurden Nutzen und Risiko von Pioglitazon umfangreich untersucht. |

Quelle

Musso G et al. Thiazolidinediones and advanced liver fibrosis in nonalcoholic steatohepatitis. A Meta-analysis. JAMA Intern Med, online publiziert am 27. Februar 2017, doi:10.1001/jamainternmed.2016.9607

Yee HF The role of pioglitazone in the management of nonalcoholic steatohepatitis. Are we there yet? JAMA Intern Med, online publiziert am 27. Februar 2017, doi:10.1001/jamainternmed.2016.9669

Schwere Leberschäden unter Pioglitazon (Actos). arznei-telegramm 2002 33;4:42

Nicht-alkoholische Fettlebererkrankungen. S2k-Leitlinie, Stand Januar 2015, AWMF-Register-Nr. 021-025. Hrsg. Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten, http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/021-025l_S25_NASH_Nicht_alkoholische_Fettlebererkrankung_2015-01.pdf, Abruf am 3.3.17

Weiß J et al. Nichtalkoholische Fettlebererkrankung. Epidemiologie, Verlauf, Diagnostik und Therapie, Dtsch Arztebl Int 2014; 111(26): 447-52; DOI: 10.3238/arztebl.2014.0447

Lewis JD et al. Pioglitazone use and risk of bladder cancer and other common cancers in persons with diabetes. JAMA 2015;314(3):265-77

US Food and Drug Administration Drug Safety Communications. http://www.fda.gov/downloads/Drugs/DrugSafety/UCM532691.pdf, Dezember 2016

Erdmann E et al (PROactive Investigators) Pioglitazone use and heart failure in patients with type 2 diabetes andpreexisting cardiovascular disease: data from the PROactive study (PROactive 08). Diab Care 2007;30(11):2773-8

Apothekerin Dr. Claudia Bruhn

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