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Beratung

Urlaubsfieber

Auch im Sommer sorgen Viren für grippeähnliche Beschwerden

Die Symptome sind typisch, doch sie werden gern ignoriert: Kratzen im Hals, verstopfte Nase und leichte Kopfschmerzen zählen zu den Vorboten eines grippalen Infekts im Sommer, der auch als Sommergrippe bezeichnet wird. Ärgerlich, wenn sie aus­gerechnet wenige Tage vor Beginn des langersehnten Sommerurlaubs ausbricht. Der folgende Beitrag beinhaltet Möglichkeiten der Prävention und der symptoma­tischen Behandlung. | Von Claudia Bruhn

Die Aktivität der Erreger grippaler Infekte schwankt im Jahres­verlauf. Erkältungskrankheiten im Herbst und Winter werden meist von Rhino- und Coronaviren verursacht. Die Inzidenz von Infektionen mit Respiratorischen Synzytial-Viren (RSV) ist nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) in Mitteleuropa von November bis April am höchsten; in den übrigen Monaten kommen sie nur sporadisch vor. Erkrankungsgipfel können sich jedoch auch verschieben. So wird beispielsweise bei den RSV-Viren gegenwärtig ein jährlicher Wechsel zwischen einer Saison im Winter und einer früheren Saison im September und Oktober beobachtet.

Für grippeähnliche Symptome in den Sommermonaten sind meist Echo- oder Coxsackie-Viren verantwortlich, da sie bei höheren Temperaturen und höherer Luftfeuchtigkeit aktiver sind. Es handelt sich dabei um sphärische, unbehüllte RNA-Viren, die taxonomisch zum Geschlecht der Enteroviren aus der Familie der Picorna-Viren zählen. Die Virusübertragung erfolgt fäkal-oral, entweder von Mensch zu Mensch oder über Gegenstände, Nahrungsmittel oder Wasser. Eine Ansteckungsgefahr besteht bereits zwei bis drei Tage vor Ausbruch der Erkrankung sowie während der Dauer der klinischen Symptome. Mit dem Stuhl können die Viren mehrere Wochen lang ausgeschieden werden.

Nicht übertreiben

Während im Herbst und Winter trockene Heizungsluft den Nasen- und Rachenschleimhäuten Feuchtigkeit entzieht und damit ihre Barrierefunktion schwächt, werden im Sommer zu niedrig eingestellte Klimaanlagen und Zugluft dafür verantwortlich gemacht. Zudem können anstrengende körperliche Betätigung bei hohen Temperaturen und ausgedehnte Sonnenbäder das Immunsystem schwächen. An sehr heißen Tagen verschaffen Baden und Schwimmen zwar die ersehnte Abkühlung, doch der häufige Temperaturwechsel kann empfindliche Menschen gesundheitlich überfordern. Durch verstärktes Schwitzen steigt der Flüssigkeitsbedarf des Körpers. Dem muss durch Erhöhung der täglichen Trinkmenge Rechnung getragen werden. Die letzten Reisevorbereitungen vor dem wohlverdienten Sommerurlaub können zu Stressreaktionen führen und ebenfalls das Immunsystem schwächen. Nicht selten werden dann die ersten Urlaubstage von Sommergrippe-Symptomen begleitet. Aus diesen Fakten lassen sich eine Reihe von Präventionsmöglichkeiten für einen grippalen Infekt im Sommer ableiten (s. Kasten).

Sommergrippe: 10 Tipps zur Prävention

  • Ausreichend trinken – bei hochsommerlichen Temperaturen bis zu 2,5 bis 3 Liter, dabei eisgekühlte Getränke meiden.
  • Auskühlung des Körpers, z. B. durch Zugluft oder zu langen Aufenthalt im Wasser, vermeiden.
  • Verschwitzte Kleidung bzw. nasse Badebekleidung schnellstmöglich wechseln, Haare trocknen.
  • Klimaanlagen nicht zu niedrig einstellen. Optimal sind 21 °C bzw. ein maximaler Unterschied von 5 bis 6 °C zur Außentemperatur.
  • Keine langen Sonnenbäder
  • Gesunde Ernährung mit reichlich Obst und Gemüse
  • Bei zu geringer Aufnahme von Vitaminen und Mine­ralstoffen gegebenenfalls Nahrungsergänzungsmittel nehmen.
  • Bewegung und Sport zur Stärkung des Immunsystems
  • Vor einer Reise genug Vorbereitungszeit einplanen, um Stresssituationen zu vermeiden.
  • Durch gründliche Händehygiene Ansteckungsgefahr reduzieren.

Schwangere, deren Entbindung in wenigen Tagen bevorsteht, müssen den Kontakt zu an Sommergrippe Erkrankten unbedingt meiden. Denn Entero-Viren, die durch Schmier- und Tröpfcheninfektion leicht übertragbar sind, können bei Neugeborenen schwere Infektionen (z. B. Hirnhautentzündungen) hervorrufen.

Ähnliche Symptome, ähnliche Empfehlungen

Eine Sommergrippe beginnt wie ein grippaler Infekt im Winter mit allgemeinem Krankheitsgefühl, Kratzen und Schmerzen im Hals und einem geröteten Rachen. Die Nasenatmung ist behindert; ein Schnupfen ist anfangs wässrig, nach drei bis vier Tagen purulent. Daran schließt sich häufig ein trockener, später produktiver Husten an. Zusätzlich können Kopf- und oder Ohrenschmerzen sowie leichtes Fieber auftreten.

Maßnahmen und Empfehlungen ähneln daher denen bei einem grippalen Effekt im Herbst oder Winter.

Für die Selbstmedikation bei Halsbeschwerden können Lutschtabletten, Gurgellösungen und Sprays mit schmerzstillenden und entzündungshemmenden Wirkstoffen (z. B. Flurbiprofen in Dobendan® Direkt Flurbiprofen Spray, Lutschtabletten), Antiseptika (z. B. Hexetidin in Hexoral® Spray), Lokalantibiotika wie Tyrothricin (z. B. in Dorithricin® Halstabletten) oder entsprechende Kombinationen, z. B. mit Lokalanästhetika wie Lidocain (z. B. in Lemocin® gegen Halsschmerzen) empfohlen werden. Auch Ambroxol (z. B. Mucoangin® gegen Halsschmerzen Minze) wirkt bei Hals­beschwerden entzündungshemmend und schmerzlindernd.

Geeignete Phytopharmaka gegen Halsbeschwerden enthalten Extrakte unter anderem aus Salbei (z. B. Cevitt®), Lindenblüten (z. B. Em-eukal PRO®), Primelwurzel (z. B. Ipalat®) oder Isländischem Moos (z. B. Isla Moos® Pastillen). Auch homöopathische Kombinationspräparate sind verfügbar (z. B. Tonsipret® Tabletten).

Bei behinderter Nasenatmung und Schnupfen richtet sich die Präparateempfehlung nach der Schwere der Symptomatik. Bei leichten Symptomen wie Trockenheitsgefühl während der Arbeit im klimatisierten Büro können Konservierungsmittel-freie Nasensprays mit Kochsalzlösung empfohlen werden (z. B. Nasenspray Pur® ratiopharm plus). Abschwellende Nasensprays, die wegen der Gefahr eines Rebound-Effekts bekanntlich nicht länger als etwa eine Woche angewendet werden dürfen, empfehlen sich bei behinderter Nasenatmung, z. B. mit Xyometazolin (in Otriven®) oder Oxymetazolin (in Nasivin®). Zur Pflege geschädigter Nasenschleimhaut ist ein Dexpanthenol-Zusatz sinnvoll (z. B. XyloDuo®).

Dekongestiva können auch systemisch angewendet werden (Pseudoephedrin z. B. in Aspirin® complex®, Phenylephrin z. B. in GeloProsed® Tabletten). Ein 2016 publizierter Cochrane-­Review fand keine Unterschiede bezüglich des Sicherheitsprofils zwischen lokal und systemisch applizierten Sympathomimetika. Bei kurzzeitiger Anwendung gegen akute Rhinosinusitis wurden sie als gut verträglich bewertet.

Kunden, die über festsitzenden Schleim in der Nase, den Nebenhöhlen und zusätzlich in den Bronchien klagen, können Präparate mit ätherischen Ölen wie Cineol (z. B. Soledum®Kapseln forte) oder Myrtol (z. B. Gelomyrtol®) oder eine Fünffach-Kombination mit Extrakten aus Enzian, Schlüssel­blume, Sauerampfer, Holunder und Eisenkraut (Sinupret®, Solvo Hexal®) empfohlen werden.

Husten ist meist das Erkältungssymptom, das nach Abklingen aller anderen Beschwerden am längsten anhält. An eine kurze Phase mit trockenem Reizhusten schließt sich häufig ein längerer Zeitraum von mehreren Tagen bis Wochen an, in dem Bronchialsekret abgehustet wird. Diese Phase kann durch schleimlösende Wirkstoffe wie Bromhexin (z. B. Bisolvon® Tabletten), Ambroxol (z. B. Mucosolvan® Tropfen) oder Acetylcystein (z. B. ACC® akut) unterstützt werden. Hustenstiller können empfohlen werden, wenn der Reizhusten so stark ist, dass er das Ein- oder Durchschlafen be­einträchtigt (z. B. Dextromethorphan in Hustenstiller®ratiopharm, Pentoxyverin in Silomat® Pentoxyverin). Viele Kunden bevorzugen bei Hustensymptomen Phytopharmaka, z. B. mit Efeuextrakt (Prospan® Saft), Thymianextrakt (z. B. Neo­Tussan® Hustenlöser) oder Kombinationen (z. B. Bronchipret® TP Filmtabletten).

Dominieren bei der Sommergrippe Kopf- und/oder Gliederschmerzen, ist die kurzfristige Anwendung von analgetischen Wirkstoffen wie Paracetamol (z. B. ben-u-ron® Tabletten) oder Ibuprofen (z. B. Nurofen®) hilfreich.

Für Kunden, die zur Vorbeugung oder bei akuten Erkältungssymptomen ein Immunstimulans einnehmen möchten, stehen Monopräparate mit Extrakten aus Purpur­sonnenhut (z. B. Echinacin® Tropfen) oder Kombinationen (z. B. Esberitox®) zur Verfügung.

Wenn es keine Sommergrippe ist …

Bei der Beratung von Kunden mit Sommergrippe-Symptomen sollte bedacht werden, dass auch eine schwerwiegendere Erkrankung oder eine Allergie die Ursache sein kann. In diesen Fällen ist eine Abklärung durch den Arzt wichtig.

So treten beispielsweise nach dem Stich einer FSME-infizierten Zecke in der ersten Erkrankungsphase zunächst Symptome wie Kopfschmerzen, Fieber und allgemeines Krankheitsgefühl auf. Nach einem symptomfreien Intervall von ca. einer Woche folgt eine zweite Phase mit hohem Fieber, Kopfschmerzen, Übelkeit und ggf. Nackensteifigkeit infolge der neurologischen Manifestation. Diese zweite Phase kann auch ausbleiben.

Auch ein erstmalig auftretender Heuschnupfen kann als Sommergrippe fehlgedeutet werden, insbesondere wenn die Allergie-Symptome nur mäßig ausgeprägt sind und keine Augenbeteiligung vorhanden ist. In Deutschland fällt in die Monate Juni bis August die Hauptblüte von Gräsern, Spitzwegerich, Roggen, Brennnessel, Beifuß und Ambrosia.

Ohrenschmerzen sind bei einer Sommergrippe ein Symptom von untergeordneter Bedeutung. Dafür kann auch eine unspezifische Entzündung des äußeren Gehörganges, die sogenannte Badeotitis (Otitis externa diffusa), die Ursache sein. Sie tritt gelegentlich nach häufigem Baden, Schwimmen oder Tauchen auf, Erreger sind verschiedene Bakterien und Pilze. Empfehlenswert sind Glycerol-haltige Ohrentropfen (Otodolor® soft), die abschwellend und schmerzlindernd wirken. Alternativ können die Ohren nach der Wasseraktivität mit Essigsäure-haltigen Ohrentropfen mit bakterizider und fungizider Wirkung nach einer Vorschrift des Neuen Rezeptur Formulariums (NRF 16.2) gespült werden.

Fieber an heißen Sommertagen kann auch auf einen Hitzschlag oder Sonnenstich hindeuten. Weitere Symptome sind Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit oder beschleunigter Puls. Betroffene müssen sofort an einen kühlen und schattigen Ort gebracht werden, gegebenenfalls ist der Notarzt zu verständigen. |

Quelle

Webseiten des Robert Koch-Instituts Berlin, www.rki.de

Labordiagnostik schwangerschaftsrelevanter Virusinfektionen. S2k-Leitlinie, AWMF Registernummer 0093/001, Hrsg. Deutsche Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten (DVV e. V.) Gesellschaft für Virologie (GfV e. V.) u. a. Fachgesellschaften

Lennecke K et al. Selbstmedikation für die Kitteltasche, 6. Aufl. 2016, Deutscher Apotheker Verlag

Was tun bei Sommergrippe? www.bionorica.de/rund-um-ihre-gesundheit/nasennebenhöhlen-und-schnupfen/was-tun-bei-sommergrippe.html

Husten. DEGAM-Leitlinie Nr. 11 AWMF-Leitlinien-Register Nr. 053/013, Stand Februar 2014

Halsschmerzen DEGAM-Leitlinie Nr. 14 (in Überarbeitung) AWMF-Leit­linien-Register Nr. 053/010

Rhinosinusitis. S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin und der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals- Chirurgie e. V., Stand: 7. April 2017, gültig bis 6. April 2022

Mullol WJ, Fokkens VJ, Lund J et al. EPOS 2012: European position paper on rhinosinusitis and nasal polyps 2012. Rhinology 2012;50(23):1-298

Deckx L et al. (2016) Nasal decongestants in monotherapy for the common cold. Cochrane Database Syst Rev 10:CD009612, doi:10.1002/14651858.CD009612.pub2

Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst, www.pollenstiftung.de, ­Abruf am 9. Mai 2017

Bruhn C. Gesund wieder auftauchen Dtsch Apoth Ztg 2015;24:2336-2340

Autorin

Dr. Claudia Bruhn ist Apothekerin und arbeitet als freie Medizinjournalistin. Sie schreibt seit 2001 regelmäßig Beiträge für die DAZ.

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