Recht

Vorsichtiger Optimismus

Dr. Elmar Mand (Philipps-Universität Marburg) hatte auf der Interpharm 2017 wiederholt auf die Möglichkeit hingewiesen, ein anderes Verfahren zur Arzneimittelpreisbindung vor den EuGH zu bringen. Wir haben bei dem Apothekenrechts-Experten nachgefragt:
Foto: DAZ / Chris Hartlmaier
Dr. Elmar Mand

DAZ: Herr Mand, ist die BGH-Entscheidung aus Ihrer Sicht geeignet, die Frage der Zulässigkeit einer grenzüberschreitenden Arzneimittelpreisbindung erneut vor den EuGH zu bringen?

Mand: Der Fall ist vielleicht nicht optimal, aber durchaus geeignet, eine erneute EuGH-Entscheidung zu erreichen. Die Chancen, dass es zu einem neuen Vorlagebeschluss kommt, sind sogar als recht gut einzuschätzen. Der BGH zeichnet den Weg hierzu nachgerade vor. Allerdings wird es nun darauf ankommen, schnell wirklich qualifizierte ökonomische Gutachten vorzulegen, welche die Auswirkungen der Preisregulierung und etwaiger Alternativen aufzeigen. Dann ist die Bundesregierung am Zug, (1.) die neuen Studien sorgfältig auszuwerten, (2.) darauf basierend ihre abschließende Wertung gut zu begründen und (3.) wie bereits der BGH mit dem gebotenen Nachdruck einzufordern, dass sämtliche EU-Organe im Geiste loyaler Zusammenarbeit die alleinige Regelungszuständigkeit der Mitgliedstaaten für das Gesundheitswesen (Art. 168 Abs. 7 AEUV) tatsächlich respektieren.

DAZ: Wie groß schätzen Sie die Chancen ein, dass die EuGH-Richter in einem zweiten Verfahren die Entscheidung vom Oktober revidieren?

Mand: Selbstverständlich dürfte die Bereitschaft beim EuGH, das gefällte Urteil im Ergebnis vollständig zu kippen, nicht besonders ausgeprägt sein. Dennoch besteht meines Erachtens Anlass zu vorsichtigem Optimismus. Immerhin liegt lediglich eine „Beweislastentscheidung“ einer Kleinen Kammer vor. Abgesehen von der notwendigen, sorgfältigen Begründung für den einheitlichen Apothekenabgabepreis als integralen Bestandteil der komplexen Gesamtregulierung der Arzneimittelversorgung in Deutschland sollte dazu ein Verfahren vor einer Großen Kammer des EuGH angestrebt werden. Denn die Fragestellung hat grundsätzliche Bedeutung für die Kompetenzverteilung zwischen EU und Mitgliedstaaten und für die Interpretation der Warenverkehrsfreiheit im Bereich der Gesundheitsvorsorge.

DAZ: Sehen Sie in der Entscheidung des LG München einen Ansatz, die Preisbindung in Deutschland europarechtsfest zu sichern bzw. wiederherzustellen?

Mand: Das LG München zieht zu Recht das Heilmittelwerbegesetz heran, um die Wertreklame ausländischer Versandapotheken und im konkreten Fall auch die Werbekooperation zwischen einer ausländischen Versandapotheke und einer deutschen gesetzlichen Krankenkasse zu beschränken. § 7 HWG bietet meines Erachtens eine Möglichkeit, zumindest aggressive Rabatt- und Gutscheinwerbung zu untersagen. Verboten ist es z. B., wenn Versicherte aufgrund hoher Bonifikationen auf Rezept Geld verdienen können oder wenn sie durch die Ausgestaltung von Bonusaktionen zu einem nicht bedarfsgerechten Arzneimittelerwerb verleitet werden. Ein solches Verbot ist mit dem Unionsrecht nicht nur vereinbar, sondern sogar durch dieses selbst vorgegeben. Leider hat der BGH diesen Aspekt in der oben zitierten, ansonsten überzeugenden Entscheidung verkannt. Es ist jedoch klarzustellen: Die Anwendung von § 7 HWG auf ausländische Versandapotheken mildert zwar die sich aus der Unanwendbarkeit des Arzneimittelpreisrechts im grenzüberschreitenden Handel ergebende Inländerdiskriminierung; aufgrund der strikteren Vorgaben des Preisrechts beseitigt sie jene jedoch nicht vollständig!

DAZ: Danke für das Gespräch!


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