Aus den Ländern

Gelassen bei Cannabis – besorgt um Nachwuchs

Kammerversammlung in Schleswig-Holstein

KIEL (tmb) | Das herausragende Diskussionsthema bei der Kammerversammlung der Apothekerkammer Schleswig-Holstein am 21. Juni in Kiel waren die langfristigen Nachwuchsprobleme in allen Apothekenberufen. Sehr gelassen zeigten sich die Verantwortlichen der Kammer dagegen zur Ankündigung der neuen „Jamaika-Koalition“, die Freigabe von Cannabis prüfen zu wollen.

Kammerpräsident Gerd Ehmen wies auf einen Satz in der Koalitionsvereinbarung hin. Demnach wolle die neue Landesregierung die „Möglichkeit zur kontrollierten Freigabe von Cannabis prüfen“ (siehe AZ 2017, Nr. 26, S. 2). Ehmen nahm inhaltlich nicht zu diesem Satz Stellung, weil derzeit nicht bekannt sei, was sich die Regierung genau darunter vorstelle. Er erinnerte jedoch daran, dass vor etwa zwanzig Jahren eine solche Idee der damaligen Landesgesundheitsministerin Heide Moser an den bundesrechtlichen Regelungen und an der Intervention des damaligen Bundesgesundheitsministers Horst Seehofer gescheitert war.

Arzneimittelabgabe: Beratung statt Boni

In seinem Bericht erklärte Ehmen, die Sinnhaftigkeit der Verordnung und die richtige Anwendung von Arzneimitteln seien wichtiger als Rabatte und Boni. Er warnte vor systemzerstörenden Entwicklungen, aber Veränderungen wie die Digitalisierung sollten möglich sein. Die ABDA habe ver­standen, dass die Apotheker sich dort einbringen müssen, um nicht zum Spielball der anderen zu werden. Die heilberufliche Tätigkeit der Apotheker werde von den Patienten geschätzt, aber im Wettbewerb werde ein Arzneimittelmarkt von 40 Milliarden Euro gesehen. Diese Komplexität gelte es den Politikern zu vermitteln, so ­Ehmen.

Personalmangel als „Sargnagel“

Zur Nachwuchsentwicklung berichtete Kammergeschäftsführer Frank Jaschkowski, die Zahl der neuen PKA-Ausbildungsverträge im Land sei von früher 120 auf jetzt 40 bis 50 pro Jahr zurückgegangen. Bei den PTA-Schülern nehme die Abbrecherquote zu. Aus PTA-Schulen sei zu hören, dass die Zahl der Bewerber zurückgehen werde, wenn die Anforderungen nicht ­gesenkt werden.

Der Delegierte Dr. Kai Christiansen beklagte, dass im Norden Schleswig-Holsteins praktisch keine PKA mehr ausgebildet werden können, nachdem in Flensburg keine neue Berufsschulklasse für PKA mehr beginne. Nach Einschätzung des Landapothekers Christiansen ist der Personalmangel der „Sargnagel“ für die Apotheken: „Der Personalmangel wird uns umbringen.“ In fünf Jahren würden Apotheken nicht nur geschlossen, wenn es keinen Nachfolger gibt, sondern auch, wenn ein junger Apotheker keine PTA mehr findet. Der Personalmangel sei aus seiner Sicht viel gefährlicher als Rabatte ausländischer Versender. Eine Ursache dafür sehen die Delegierten auch im „Jammern“ der Apotheker.

Ehmen beklagte, die Apothekenberufe seien in der Öffentlichkeit und sogar bei den Arbeitsagenturen zu wenig ­bekannt. Letztlich bestand in der Kammverversammlung Konsens, mehr um Nachwuchs zu werben. ­Neben Berufsmessen bieten sich dazu auch die Internetseiten der einzelnen Apotheken an.

Foto: DAZ/tmb
Justiziar Dr. Stefan Zerres, Kammerpräsident Gerd Ehmen und Geschäftsführer Frank Jaschkowski (v. l.).

Testkäufe zu zwei Szenarien

Jaschkowski berichtete über 307 Testkäufe der Apothekerkammer Schleswig-Holstein im Jahr 2016:

  • Die Ergebnisse zur „Pille danach“ seien „ziemlich gut“. Dort haben in zwei Drittel der Fälle Approbierte beraten. Die Testerinnen haben zwei Drittel dieser Beratungen als „umfassend und angemessen“ eingestuft.
  • Bei einem Präparatewunsch gegen Heuschnupfen habe die Tester nur 30 Prozent der Beratungen so positiv bewertet. Insbesondere die Grenzen der Selbstmedikation seien bei der klar erscheinenden Indikation kaum abgefragt worden.

In einem weiteren Tagesordnungspunkt verabschiedete die Kammer­versammlung Änderungen der QMS-Satzung, insbesondere um die DIN EN ISO 9001 in der Fassung von 2015 zu berücksichtigen.

Renten und Anwartschaften erhöht

Dr. Stefan Zerres, Justiziar der Kammer und Geschäftsführer der Apothekerversorgung Schleswig-Holstein, legte einen erfreulichen Jahresabschluss 2016 vor, bei dem das Versorgungswerk insbesondere von steigenden Aktienkursen profitiert habe.

Daraufhin folgte die Kammerversammlung der Beschlussvorlage und erhöhte die Renten um ein Prozent und die Anwartschaften um 1,2 Prozent. Doch Zerres betonte, dass die Senkung des Rechnungszinses auf zwei Prozent ab Anfang 2017 richtig gewesen sei, um niedrigen Zinsen und Ausfallrisiken bei Kapitalanlagen zu begegnen. |

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