Schwerpunkt Personalakquise

Personalmisere

Wie man gute Mitarbeiter findet

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Wer hätte vor fünfzehn Jahren – Deutschland war der „kranke Mann Europas“ und Dinge wie die Hartz-Reformen wurden verabschiedet – an Vollbeschäftigung und Arbeitskräftemangel geglaubt? Nun, in Apotheken waren gute Mitarbeiter immer gesucht und knapp. Gerade Landapotheken mussten schon lange um Mitarbeiter buhlen – insbesondere um Vertretungen und pfiffige PTA. Inzwischen ist die Personalnot sogar in etlichen Metropolen angekommen. | Von Reinhard Herzog

Tatsächlich wurde in den 1980er- und 1990er-Jahren noch eine Ärzte- und auch Apothekerschwemme prognostiziert. Im Grunde ist beides sogar eingetreten! Dennoch klagen wir über einen Mangel an qualifiziertem Personal für Praxen und Apotheken. Wie passt das zusammen?

Die Zahlenrealität

Richten wir deshalb zuerst den Blick auf die Zahlenrealität, was bereits manch Facette aufdeckt. Das sind nüchterne Apotheken- und Beschäftigtenzahlen, weiterhin Gehaltsvergleiche mit anderen Branchen und Betätigungsfeldern sowie am Ende Kennzahlen zur Produktivität und Wertschöpfung. Werden Apothekenmitarbeiter tatsächlich so schlecht bezahlt, bei gleichzeitig (wie verifizierten?) hohen Arbeitsbelastungen? Ist der Arbeitsplatz Apotheke tatsächlich zunehmend unattraktiv? Kann man überhaupt noch guten Gewissens junge Menschen dorthin locken, vor dem Hintergrund der gewaltigen Disruptionen, vor welche uns die Digitalisierung, aber auch noch weniger „auf dem Radarschirm“ befindliche medizinisch-technologische Umbrüche stellen werden? Viele Revolutionen in den „Life Sciences“ haben gerade erst begonnen, mit Sicherheit nicht ohne langfristige Auswirkungen auf den künftigen Personalbedarf …

62.948 Apotheker(innen) waren 2016 nach Angaben der ABDA berufstätig, davon 50.123 (79,6%) in öffentlichen Apotheken, jeweils einschließlich Inhaber. 6136 Kolleginnen und Kollegen finden in der Industrie ihr Auskommen, das sind knapp 10%. An Position drei liegen mit 2307 Apothekerstellen die Krankenhäuser, der Rest verteilt sich im niedrig vierstelligen bis dreistelligen Bereich auf Universitäten bzw. Lehranstalten, Behörden, Prüfinstitute, Bundeswehr u. a. m.

2007 hatten wir noch 56.719 berufstätige Apotheker(innen), davon 47.766 (84,2%) in der Offizin. Die Quote derjenigen, die in der Apotheke arbeiten, hat also auf den ersten Blick abgenommen, während sich die Zahl der Apotheker um 11,0% erhöht hat.

Bei näherer Betrachtung liegen die Verhältnisse nochmal anders. Hatten wir 2007 noch 21.570 Apothekenbetriebsstätten, davon 2356 Filialen und 430 oHG (was sich auf etwa 19.650 Inhaber umrechnen lässt), sehen wir Ende 2016 insgesamt 20.023 Betriebsstätten, 4416 Filialen und 689 oHG, was sich zu etwa 16.300 Inhabern saldiert.

Hatten wir demzufolge in 2007 noch rund 27.920 angestellte Apotheker(innen) in den Offizinen, sind es 2016 etwa 33.730, ein Plus von 21% oder gut 5800 Köpfen. Eine Flucht aus der Apotheke sieht anders aus. Auch von den vermeintlich so raren PTA gibt es so viele wie nie zuvor in den Apotheken – gut 65.600 (inklusive Praktikanten) gegenüber 49.900 noch in 2007 und 39.800 im Jahre 2000. Im langjährigen Schnitt kamen hier Jahr für Jahr 1500 bis 2000 neu hinzu. Einen deutlichen Rückgang erfahren die PKA (von 38.100 in 2000 bis auf etwa 33.200 aktuell), zudem hinterlassen die Pharmazieingenieure und Apothekerassistenten (2000: 10.800, 2007: 8.400, aktuell: rund 5.800) eine gewisse Lücke. Diese wird jedoch durch die zusätzlichen Approbierten überkompensiert.

An der Zahl der Studienanfänger sowie letztlich der jährlich erteilten Neuapprobationen hat sich in den letzten Jahren auch nicht viel geändert: Jedes Jahr streben 1700 bis gut 2000 Neukolleginnen und -kollegen auf den Markt. Die Zahl der Studierenden hat sich letzthin sogar deutlich erhöht; waren es über viele Jahre stets um die 12.000, sind es zwischenzeitlich um die 15.000 geworden. Diese Zahlen verwundern angesichts eines NC-beschränkten Pharmaziestudiums nicht. Die Zahl der Bewerber für einen Studienplatz ist immer noch erheblich höher als die Zahl der Plätze, wenn auch nicht so stark wie bei den Medizinern.

Strukturelle Betrachtungen

Eine Ursache für den Personalmangel vor allem bei Approbierten ist immer noch die „Filialitis“, selbst wenn sich das Wachstumstempo hier abgeschwächt hat. Filialen müssen schließlich entsprechend ihrer Öffnungszeiten personell abgedeckt sein. Eine Vollabdeckung mit einer jeweiligen Funktion erfordert bei einer klassischen Apotheke (2800 Öffnungsstunden p. a.) bereits rund 1,6 bis 1,7 Stellen, in einer Center-Apotheke (3700 Std. offen p. a.) schon 2,1 bis 2,2. Notdienste kommen ggf. noch obenauf. Der klassische „Apotheker in seiner Apotheke“ konnte viel mehr selbst kompensieren, Filialisten können sich schließlich nicht teilen und benötigen entsprechend Fremdpersonal.

Andererseits hält der Trend zu größeren Apotheken an; dies sollte erhebliche Rationalisierungspotenziale und „Skalen­effekte“ erwarten lassen. Werden demzufolge die Mitarbeiter produktiver (vgl. dazu Tabelle 1)?

Tab. 1: Kennzahlen des Apothekenmarktes
2007
2016
+/- in %
Anzahl Apotheken in D:
21.570
20.023
-7,2%
… davon Filialen:
2.356
4.416
+87,4%
Umsatz aller Apotheken in D:
36,7 Mrd. €
~ 48,5 Mrd. €
+32%
… je Apotheke statistisch*:
1.700 T€
2.420 T€
+42%
Rohertrag aller Apotheken in D ca.:
9,75 Mrd. €
~ 11,8 Mrd. €
+21%
Rohertrag je Apotheke ca.:
452.000 €
589.000 €
+30%
Apothekenbeschäftigte inkl. Inhaber („Headcount“):
143.585
156.428
+8,9%
… davon Inhaber inkl. oHG ca.
19.850
16.400
-17,4%
Angestellte in Apotheken („Headcount“):
123.740
140.030
+13,2%
… davon Apotheker(innen):
27.920
33.730
+20,8%
… davon PTA inkl. Praktikanten:
49.870
65.660
+31,7%
… davon PKA:
36.020
33.190
-7,9%
Angestellte je Apotheke („Headcount“):
5,74
6,99
+21,8%
Absolute Lohnkosten inkl. AG-Anteile ca.
4,1 Mrd. €
5,1 Mrd. €
+23%
… pro Kopf (Angestellte):
~ 33.500 €
~ 36.500 €
+9%
Umsatz pro Kopf inkl. Inhaber:
255.500 €
307.500 €
+20,4%
Rohertrag pro Kopf inkl. Inhaber:
68.000 €
74.500 €
+9,5%
Personalkosten in % vom Rohertrag:
~ 41,5%
~ 43,5%
+5%

* die durchschnittliche Offizin-Apotheke liegt fast 10% niedriger, da ihr die Versand- und Spezialumsätze (Zyto-Rezepturen etc.) fehlen. Beschäftigtendaten nach ABDA.

Die Betrachtung der Kennzahlen ist über alle Apotheken hinweg ernüchternd. Die Zahl der Mitarbeiter je Apotheke hat stark zugenommen – um fast 22%. Dagegen ist der Rohertrag je Beschäftigtem deutlich unterproportional gewachsen – nur um gut 9% seit 2007, während der Gesamtrohertrag je Apotheke um rund 30% zugelegt hat, und das trotz Margenverfall. Neben der Umsatzsteigerung geht hier statistisch die „Friedhofsdividende“ geschlossener Apotheken mit ein. Desweiteren ist die Beschäftigtenzahl mit 9% stärker gewachsen als die Zahl der Arzneimittelpackungen, diese ist nur minimal gestiegen. Unschön für die Mitarbeiter: Pro Kopf haben sich die Lohnkosten recht wenig fortbewegt.

Entscheidend für eine detaillierte Beurteilung der Produk­tivität und Wertschöpfung in den Apotheken wäre jedoch eine Erfassung der Arbeitsleistung auf Basis der effektiv geleisteten Arbeitsstunden, wie es in der Arbeitsmarktforschung schon seit jeher geschieht. Das geben die derzeitigen, offiziellen Apotheken-Beschäftigtenzahlen nicht her, da sie lediglich einen nicht stundengewichteten „Headcount“ ausweisen. Unterstellen wir, dass sich die Teilzeitquoten in wenigen Jahren nicht allzu stark verändert haben, erscheint der Headcount als Bezugsgröße jedoch näherungsweise zulässig.

Verfälschend wirkt weiter die Tatsache, dass die Branchenumsätze schon seit geraumer Zeit nicht mehr den Offizin-Apothekenmarkt widerspiegeln. An die 10% kommen in den „normalen“ Apotheken gar nicht an, dies sind neben dem Versandgeschäft u. a. die Spezialrezepturen im Wert von rund 3 Mrd. Euro.

Für die Arbeitsproduktivität verheißt das jedoch nichts Gutes: Nimmt man diese überproportional gewachsenen Spezialumsätze heraus, setzt dafür aber eine unterproportionale Anzahl von Mitarbeitern an (Versand und Speziallabore setzen pro Kopf weit mehr um), verschlechtern sich die spezifischen Werte der Offizin-Mitarbeiter weiter.

Es bleibt daher als Fazit, dass die Umsatz- und noch mehr die Ertragsleistung der Mitarbeiter der Marktentwicklung hinterherhinken. Das deutet eher auf ein Rationalisierungspotenzial hin und nicht auf Personalmangel.

Als Kollege kennt der Autor natürlich die ganz wesentliche Ursache für diese Misere – die gerade im betrachteten Zeitraum enorm angeschwollene Regulierungsdichte und Bürokratie. Pharmazieferne Tätigkeiten sind geradezu explodiert. So fallen die Rabattverträge just in die Zeit nach 2007, dergleichen die neue Apothekenbetriebsordnung, der Retax-Irrsinn und vieles mehr …

Ein Trost mag darin liegen, dass abgesehen von Discountern die Lebensmittel-Vollsortimenter, Drogeriemärkte und viele andere Fachgeschäfte regelhaft Personalkosten deutlich über 10% vom Umsatz, nicht selten 12% und mehr aufweisen. Selbst rohertragsbezogen hinken sie den Apotheken hinterher – vielleicht weil dort allen Ernstes besser bezahlt und trotzdem weniger geleistet wird als in der Apotheke? Gemessen an anderen „kleinen und mittleren Unternehmen“ (KMU) ist die Leistung der Apotheke mit 307.500 Euro Nettoumsatz und etwa 74.500 Euro Rohertrag je Beschäftigtem (inklusive Inhaber) nämlich beachtlich hoch. „Kleinstunternehmen“ (immerhin bis 9 Mitarbeiter bzw. 2 Mio. Euro Umsatz) erzielen auf vergleichbarer Basis im Schnitt 74.000 Euro Pro-Kopf-Umsatz, „kleine Unternehmen“ (10 bis 49 Mitarbeiter, bis 10 Mio. Euro Umsatz) erwirtschaften 109.000 Euro Umsatz pro Kopf. Selbst dm-Drogeriemärkte erzielen diesbezüglich „nur“ etwa 170.000 Euro (und auch ein Drittel weniger Rohertrag pro Kopf als wir).

Lohnlücken

Damit sind wir beim nächsten entscheidenden Baustein angekommen, um dem Thema Personalknappheit auf die Spur zu kommen: Wie sieht es mit den Gehältern in der Apotheke im Vergleich der Branchen und Betätigungsfelder aus? Lassen wir zuerst wieder die Zahlen sprechen.

Nach dem noch aktuellen Apothekentarif ab 1.Januar 2016 bewegt sich der Brutto-Tarifstundenlohn (40 Stundenwoche, 173 Std. pro Monat) ohne Sonderzahlungen und Sonderleistungen im Bereich von:

  • 9,88 Euro bis 12,11 Euro für PKA,
  • 11,38 Euro und 14,73 Euro für PTA,
  • 18,96 Euro und 22,99 Euro für Approbierte.

Auf vergleichbarer Basis sehen wir in anderen Branchen folgende Stundenlöhne, wobei noch nach Männern (m) und Frauen (w) differenziert wird (Quelle: Wochenberichte des Statistischen Bundesamtes, Stand 4. Quartal 2016):

  • Handel: 20,06 Euro im Schnitt (m: 21,32 Euro w: 17,40 Euro),
  • Gesundheits- und Sozialwesen: 21,62 Euro (m: 25,51 Euro w: 19,37 Euro),
  • Baugewerbe: 18,52 Euro (m: 18,53 Euro, w: 18,34 Euro),
  • Gastgewerbe: 13,15 Euro (m: 13,94 Euro, w: 12,22 Euro),
  • Finanzdienstleister / Versicherungen: 29,55 Euro (m: 32,99 Euro, w: 24,34 Euro).

Immer wieder überraschend ist die große Lohnlücke zwischen Männern und Frauen, wobei die Ursachen vielschichtig sind; für tatsächlich gleiche Arbeit ist die Differenz weitaus geringer. Ein „Gender-Gap“ dürfte in Apotheken, ja eine Frauendomäne, weniger ein Thema sein.

Tab. 2: Blick in andere Branchen, Vergleichsebene PKA/PTA (BJ = Berufsjahr)
Einstufung
Monatsgehälter brutto
Med.-technische Fachangestellte (MTA)
Tätigkeitsgruppe I:
1.725 € – 2.267 € ab 17. BJ
Tätigkeitsgruppe II:
1.855 € – 2.437 € ab 17. BJ
Tätigkeitsgruppe III:
1.941 € – 2.550 € ab 17. BJ
Tätigkeitsgruppe IV:
2.070 € – 2.720 € ab 17. BJ
Tätigkeitsgruppe V:
2.243 € – 2.947 € ab 17. BJ
Tätigkeitsgruppe VI:
2.588 € – 3.400 € ab 17. BJ
Einzelhandel (Baden-Württemberg)
Auffülltätigkeiten:
10,18 € je Stunde
Auszubildende:
755 € (1. Jahr) – 965 €
Gruppe I:
1.660 € – 1.931 € ab 6. BJ
Gruppe II (Verkäufer, Kassierer):
1.737 € – 2.471 € ab 6. BJ
Gruppe III („erste Kräfte“):
2.257 € – 2.776 € ab 6. BJ
Gruppe IV (Substitute, Verwalter):
2.578 € – 3.202 € ab 6. BJ
Verkaufsstellenleiter nach Mitarbeiterzahl:
2.879 € (bis 5) – 4.073 € (über 24),
größere Center weit darüber
Zum Vergleich:
PTA - Apothekentarif:
1.968 € – 2.549 € ab 15. BJ
PKA - Apothekentarif:
1.710 € – 2.095 € ab 14. BJ

Betrachten wir weiterhin einmal vergleichbare Tätigkeiten für unsere PKA und PTA (siehe Tabelle 2). So sind „Arzthelferinnen“ (MTA, am ehesten mit unseren PKA vergleichbar) je nach Qualifikationsstufe tariflich deutlich höher eingestuft. Höhere Tätigkeitsgruppen setzen u. a. Fortbildungsmaßnahmen (Größenordnung: 40 Std. bis 600 Std. je nach Gruppe) neben einem entsprechenden Tätigkeitsprofil voraus. Eine solche qualifikationsabhängige und verbindliche Weiterentwicklung fehlt bei uns völlig. Wir regeln das in praxi lieber durch eine übertarifliche Bezahlung. Selbst die Tätigkeit an der Kasse beim Lebensmittler reicht weit in den Gehaltsbereich unserer PTA hinein. Noch ein wenig anders sieht es aus, wenn Feinheiten wie Wochenarbeitszeiten oder Sonderzahlungen berücksichtigt werden, meist geht der Vergleich dann noch mehr zu unseren Ungunsten aus.

Vorrangig für Approbierte und PTA ist der öffentliche Dienst eine Alternative, überwiegend im Krankenhaus, teils in der Lehre oder bei Behörden. Insbesondere am „langen Ende“ mit steigenden Dienstalters- und Bewährungsstufen enteilen die Gehälter sehr deutlich, während in der Apotheke tariflich schnell „Schicht im Schacht“ ist (siehe Tabelle 3). Im Falle der Verbeamtung kommen zu den Grundgehältern je nach Einstufung noch Familienzulagen hinzu, stets entfallen die Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung. Für ein vergleichbares Beamten-Nettogehalt benötigt man als Angestellter grob 15% bis 20% brutto mehr.

Tab. 3: Blick in den öffentlichen Dienst
Einstufung
Monatsgehälter brutto
Approbierte
TVöD für Angestellte der Kommunen ab 01-2017:
E13 (Stufen 1 – 6):
3.573 € - 5.397 €
E14 (Stufen 1 – 6):
3.876 € - 5.808 €
E15 (Stufen 1 – 6):
4.298 € - 6.040 €
Beamte Baden-Württemberg, Grundgehalt ledig 2017:
A13 (z. B. Studienrat, Pharmazierat) je nach Stufe:
4.064 – 5.019 €
A14 (z. B. Oberstudienrat):
4.319 – 5.557 €
A15 (z. B. Studiendirektor, Pharmaziedirektor):
4.998 – 6.275 €
Professor W2 / W3 (keine Stufen):
5.914 € / 6.714 €
Zum Vergleich: Approbierte – Apothekentarif:
3.280 € – 3.978 € ab 11. BJ
PTA, Krankenhaus kommunal ab 2017:
E7, Stufen 1 – 6:
2.333 € – 3.029 €
E8 (z. T. schwierige Auf­gaben), Stufen 1 – 6 :
2.485 € – 3.172 €
E9a (überwiegend schwierige Aufgaben), Stufen 1 – 6:
2.649 € – 3.777 €
E9b (Spezialaufgaben), Stufen 1 – 6:
2.649 € – 4.026 €
Zum Vergleich: PTA – Apothekentarif:
1.968 € – 2.549 € ab 15. BJ

Bereits diese Vergleiche legen einen Lohnnachteil der Apotheken in der Größenordnung von rund 20% nahe; diesen zu beheben, würde übrigens branchenweit rund 1 Mrd. Euro kosten, das entspräche z. B. einem Honorarzuschlag je Rx-Packung von etwa 1,40 Euro.

In der Industrie markieren diese Gehälter in aller Regel die Untergrenze. Hier können qualifizierte PTA Einkommen wie Jungapprobierte in der Apotheke erreichen. Apo­theker(innen) können sich in den deutlich sechsstelligen Bereich entwickeln, was aber in aller Regel Zusatzqualifikationen und eine erhebliche Mobilität und Internationalität voraussetzt. Zu bedenken ist ebenfalls, dass es sich heute bei der Pharmabranche um eine der „zugigsten“ überhaupt handelt: Übernahmen, Fusionen, Standortverlagerungen oder die Einstellung selbst umfangreichster Entwicklungsprojekte sind an der Tagesordnung. Trotz guter Bezahlung muss man heute konstatieren, dass hier eine Menge „Zitterprämie“ enthalten ist; ein Arbeitsplatz in der (Pharma-)Industrie ist, allen Fachkräftemangel-Beteuerungen zum Trotz, im Grunde nichts mehr wert. Er löst sich im Nu in Nichts auf. In jungen Jahren mag das noch spaßig sein, später wird es lästig, irgendwann existenziell.

Attraktive Apotheken?

An diesem Punkt kommen die Apotheken wieder ins Spiel. Diese gibt es überall. Eine neue Stelle ist ggf. schnell im näheren Umkreis gefunden, anders als bei einem teuren Spezialisten im Pharmabetrieb. Die Qualifikationsanforderungen in der Apotheke sind nicht so hoch wie in der Industrie oder teilweise im öffentlichen Dienst. Vieles lässt sich mit „learning by doing“ abfangen. Das kann man noch viel aktiver kommunizieren. Nicht jeder ist ein Karrieretyp. Je nach Positionierung der Apotheke können die Arbeitsplätze vorerst als sicher gelten, sofern nicht die Politik und andere Störfeuer dazwischenfunken. Langfristig mag es einige Fragezeichen geben. Nicht wenige unserer Tätigkeiten sind automatisierbar (warum sind Abgabeautomaten wohl ein so heißes Eisen?). Therapeutische Revolutionen deuten sich entfernt am Horizont an, die unsere klassischen „Stand-by-Therapien“ („zweimal täglich eine“) grundlegend infrage stellen können. Das ist sicher alles noch eine Weile hin, für den Nachwuchs am Beginn seiner Berufsentscheidung sind das aber erwägenswerte Punkte. Ehedem sichere Traumberufe wie beispielsweise Motorenentwickler, Lokführer und selbst Pilot werden ja auch gerade entzaubert …

Was tun?

Sie können schon im Vorfeld sehr viel tun, um das Personalthema zu entschärfen.

  • An erster Stelle steht eine rationelle Betriebsorganisation unter Nutzung der heutigen technischen Möglichkeiten. Warum kommt die eine Apotheke mit unter 40% Personalkosten vom Rohertrag aus, die andere benötigt bei sehr ähnlicher Umsatzstruktur und vergleichbaren Öffnungszeiten hingegen über 50%? Damit nehmen Sie schon eine Menge Druck aus dem Kessel. Vieles wird schlicht sinnlos und uneffektiv getan, es wird zu viel gearbeitet, aber zu wenig geleistet.
  • Eine clevere, bedarfsgerechte Personaleinsatzplanung sowie eine entsprechende Aufgabenplanung entspannt ebenfalls vieles. Auch hier liegt oftmals noch das eine oder andere im Argen.
  • Sie können eine Menge Risiko und Probleme vom Tisch nehmen, wenn Sie das Thema Filialen sehr überlegt und zurückhaltend angehen. Spitz-auf-Knopf-Kalkulationen verbieten sich. Also Finger weg von Investitionen in unkalkulierbare Abhängigkeiten! Sie müssen sich keine Arbeit und Risiken obenauf kaufen …
  • Eine Filiale muss alleine stehen, mit Kostenstrukturen und Reserven, die sich denen von größeren Hauptapotheken annähern. Das setzt gewisse Umsätze voraus, im Grunde überdurchschnittliche, weil ja die operative Unternehmerleistung fehlt und auch fehlen sollte: Filialen müssen selbst laufende Profitcenter sein, die vom Inhaber einfach gut gemanagt und geführt werden, aber kaum eigene Arbeitsleistung „an der Front“ erfordern dürfen. Mit entsprechenden wirtschaftlichen Spielräumen können Sie das Thema Personal ebenfalls mit mehr Reserven und Redundanzen angehen, Sie können sich gute Leute für gute Gehälter leisten. (Zu) kleine Betriebe sind dagegen mehr und mehr in Abwärtsspiralen gefangen und kommen mit dem Sparen nicht mehr hinterher. Und welcher tüchtige Mitarbeiter möchte in einem Betrieb arbeiten, dessen Chef jeden Tag erzählt, dass es morgen schlechter aussehen wird als heute schon (und damit auch noch Recht hat …). Sie kennen in diesem Zusammenhang vielleicht den Spruch: „If you pay peanuts you‘ll get monkeys“ …

Das leitet zum Top-Thema über: Wie bekomme ich gute Leute? 

Foto: R. Herzog
„Ebbe im Personalteich“ – da wird es selbst mit scharfem Blick und großem Schnabel schwierig, einen „guten Fang“ zu machen …

Wir haben gesehen, dass wir auf der finanziellen Seite kaum einen Stich gegen viele konkurrierende Arbeitgeber abseits der Offizinen machen können. Starke Apotheken können den Abstand sicher verkleinern.

Bieten Sie ansonsten gerade abseits des schnöden Mammons etwas Besonderes: Arbeitsklima und Vertrauenskultur, flexible Arbeitszeiten, viel Spaß in einem netten Team in einer (vielleicht erst auf den zweiten Blick) attraktiven Gemeinde, günstige Lebenshaltungskosten im Vergleich zu Ballungsräumen, eine hohe Work-Life-Balance, Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten, interessante Sonderaufgaben und Verantwortung, Entwicklungsperspektiven (bei Approbierten: ggf. konkrete Übernahmeperspektive).

Kommunikation

Sie können viel bieten, doch kaum jemand weiß etwas davon?

  • Die Kanäle der Ansprache haben sich beträchtlich verschoben. Die klassischen Print-Stellenanzeigen haben zwar an Bedeutung verloren, während Online-Stellenbörsen immer wichtiger werden. Sie sind aber dennoch einen Versuch wert. Denn ein Jobangebot auf einer Internetseite liest nur der, der aktiv eine Stelle sucht und deswegen auf dieser Seite ist. Eine Stellenanzeige in einer Zeitung kann auch bei einem „normalen“ Leser Neugierde wecken.
  • Der Stellenmarkt der Apothekerkammern hat sich über die Jahre bewährt. Seit einiger Zeit gibt es auch auf den Apothekenmarkt spezialisierte Online-Stellenbörsen wie JobPharm.de, die überregional arbeiten.
  • Selbst die Arbeitsagentur („Arbeitsamt“) ist besser als ihr Ruf; man kann Glück haben, schließlich müssen sich dort alle Stellensuchenden, die ihren Arbeitsplatz verloren bzw. gekündigt haben und noch nicht neu unter Vertrag stehen, zeitnah melden. Eine Anfrage schadet nie.
  • „All business is local!“ So verspricht die Suche über Mund-zu-Mund-Propaganda, mittels Empfehlungen der eigenen Mitarbeiter (wer kennt Kollegen, Schulkameraden etc.?) und die Zuhilfenahme von Kunden und Vereinen nicht selten Erfolg. Schreiben Sie Ihre Stellen an der Ladentür und im Schaufenster aus, idealerweise betont auffällig und witzig – eben ein echter Hingucker! Gerade in frequentierten Lauflagen sollte der Effekt nicht ausbleiben.
  • Berufliche Netzwerke wie XING oder LinkedIn, v. a. für Apotheker(innen), spielen immer noch eher im professionellen Bereich außerhalb der Apotheke eine Rolle; Facebook hingegen spricht sehr breite Kreise an. Versuche bieten sich an.
  • Und was ist mit „Headhuntern“? Die klassischen, überregionalen Personalvermittler bedienen höher dotierte Positionen vorrangig in der Industrie, ihr Honorar richtet sich nach dem Jahreseinkommen der zu besetzenden Stelle. Apothekenstellen sind da schlicht „zu klein“. So bleiben spezielle Apothekenagenturen. Hier sollten Sie genau ­hinschauen, was diese wirklich auf welcher vertraglichen Basis für Sie leisten können.

Ungewohnte Wege gehen

Angesichts der Tatsache, dass junge Leute heute eine breite Auswahl an Berufsmöglichkeiten haben und in Deutschland mitnichten „auf der Straße stehen“, anders als in vielen europäischen Staaten, sollten Sie die gewohnten Pfade der Personalrekrutierung verlassen. Als Stichworte mögen dienen:

  • Hebung von ungenutzten Arbeitskräftereserven; Wiedereinsteiger und Rentner stehen hier obenan. Teilzeitkräfte haben vielleicht Luft nach oben bei der Aufstockung der Arbeitszeiten. Neben dem Hauptjob in einer anderen Apotheke übernimmt manch Mitarbeiter gern noch ein paar Stunden auf geringfügiger 450-Euro-Basis; „brutto gleich netto“ ist hier das Argument.
  • Langwierig, aber auf lange Sicht erfolgreich ist es, Nachwuchs direkt von der Schulbank weg zu rekrutieren und auszubilden. Schnuppertage, Praktika und Famulaturen bieten sich an, wie auch das aktive Ansprechen der Lehrkräfte. Das kann so weit gehen, dass Sie die Ausbildungskosten übernehmen bzw. Stipendien vergeben. Hier stechen die PTA hervor, die für einen hinterher mäßig be­zahlten Beruf auch noch beträchtliches Schulgeld (an den privaten Lehranstalten) entrichten müssen.
  • Richten Sie Ihren Blick auf die zahlreichen Migranten oder Zuwanderer aus Süd- oder Osteuropa. Zwar verlangt Ihnen dies einige Anstrengungen und Vorausinvestitionen ab, teilweise bedeutet es eine Menge Bürokratie. Gleichwohl verbinden sich damit viele Chancen. Leider ist der Arbeitsalltag von immer mehr Wehleidigkeit und Empfindlichkeiten geprägt, „harte Arbeit“ ist nicht mehr gefragt. Es mangelt vielfach an Belastbarkeit und Kondition. Das nimmt bisweilen groteske Züge an. Hier können Menschen, die noch etwas erreichen wollen, sich etwas aufbauen möchten und von ziemlich weit unten kommen, eine echte Bereicherung sein.

Vergessen Sie bei alledem nie: Die enorme Abhängigkeit von politischen Entscheidungen und die in Teilen skurrile Sonderstellung unserer Branche bringen es mit sich, dass seriöse Prognosen auf lange Sicht im Grunde gar nicht angestellt werden können. Wenige Paragrafen umgeschrieben, die Axt der „Kostendämpfung“ an die Honorare gelegt, und schon wird aus einem Personalmangel ein veritabler Überschuss, spürbare Arbeitslosigkeit inklusive. Manch Inhaber wäre darüber vielleicht gar nicht so unglücklich … |

Autor

Apotheker Dr. Reinhard Herzog

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