Arzneimittel und Therapie

Wie Statine die Nieren retten können

Strategien zur Prävention von Kontrastmittel-induzierten Nierenschäden gesucht

rr | Kontrastmittel werden in der bildgebenden Diagnostik angewendet, um anatomische Strukturen besser sichtbar zu machen. Idealerweise haben sie keine weitere Wirkung. Dass dies in der Realität nicht vollständig gelingt, beweisen aktuell die Bedenken um Ablagerungen Gadolinium-haltiger Verbindungen im Gehirn. Auch die Nieren reagieren empfindlich auf Kontrastmittel und brauchen Schutz. Statine könnten hier eine gute Wahl sein.

Bei einem Arzneimittel ist man grundsätzlich eher bereit, Risiken in Kauf zu nehmen, als bei Substanzen, die rein zu diagnostischen Zwecken angewendet werden. Kontrastmittel sollten sich deshalb so unauffällig wie möglich im Körper verhalten.

Kontrastmittel als Risiko

Ein Negativbeispiel ist das radioaktive Thoriumdioxid, das in der Vergangenheit bei Patienten maligne Tumoren verursachte. Daraus hat man gelernt. Doch auch moderne Kontrastmittel sind nicht ohne Risiken. In der Röntgendiagnostik werden heute jodhaltige Substanzen zur Darstellung der Nieren, der Venen, der Arterien und anderer Organe parenteral injiziert: Vor allem bei Schilddrüsenfunktionsstörungen ist Vorsicht geboten. In der Magnetresonanztomografie (MRT) kommen unter anderen Gadolinium-haltige Verbindungen zum Einsatz. Sie eignen sich besonders gut, um versteckte Entzündungsherde aufzuspüren – beispielsweise bei Multipler Sklerose. Es gibt Hinweise, dass sich geringe Mengen dieser Zubereitungen dauerhaft im Gehirn ablagern. Der Pharmakovigilanz-Ausschuss (PRAC) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) hat deshalb im März empfohlen, die Zulassung von vier Gadolinium-haltigen Kontrastmitteln in der EU ruhen zu lassen. Einige der Zulassungsinhaber haben eine nochmalige Bewertung der vorliegenden Daten beantragt, die voraussichtlich im Juli 2017 beendet sein wird.

Tückisches Nierenversagen

Das Risiko eines Kontrastmittel-induzierten akuten Nierenversagens (CIAKI) ist nicht unerheblich. Es kann als klinische Komplikation im Rahmen von Herzkatheter-Untersuchungen und bei der modernen Bildgebung – mittels Computertomografie (CT) oder MRT – auftreten und zu chronischen Nierenschäden führen. ­Tückisch ist, dass ein Kontrastmittel-induziertes akutes Nierenversagen zunächst asymptomatisch verläuft. Eine Oligurie tritt nicht zwingend auf. Bestehende chronische Nierenerkrankungen erhöhen das Risiko für CIAKI. Personen mit einer glomerulären Fil­trationsrate (eGFR) von 45 bis 59 ml/min/1,73 m2 haben wahrscheinlich nichts zu befürchten. Bei einer eGFR (errechnete glomeruläre Filtrations­rate) von 30 bis 44 ml/min/1,73 m2 beträgt die Prävalenz von CIAKI schätzungsweise 2,9%, bei einer eGFR < 30 ml/min/1,73 m2 etwa 12,1%. Weitere Risikofaktoren sind:

Hypotonie, Herzinsuffizienz, Aortenballon, Alter über 75 Jahre und ein Diabetes mellitus.

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In der Magnetresonanztomografie (MRT) kommen unter anderen gadolinium-haltige Verbindungen zum Einsatz. Es gibt Hinweise, dass sich geringe Mengen dieser Zubereitungen dauerhaft im Gehirn ablagern. Auch die Nieren reagieren empfindlich auf Kontrastmittel und brauchen Schutz.

Warum die Nieren versagen

Noch ist nicht vollständig verstanden, warum es im Rahmen der radiologischen Untersuchungen zum Nierenversagen kommt. Vermutlich wird bei Kontrastmittel-Gabe die Sekretion von Endothelin und anderen vasokonstriktorischen Peptiden im Nierenparenchym stimuliert. Vasospasmen bedingen dann einen verminderten renalen Blutfluss. Infolge osmotischer Prozesse steigt zudem die Konzentration von NaCl im aufsteigenden Ast der Henle-Schleife. Je mehr NaCl rückresorbiert werden muss, desto höher ist der Sauerstoffverbrauch und desto größer ist die Produktion von freien Radikalen. Diese können das Nierenparenchym schädigen. Außerdem kann die Konzentration des Kontrastmittels im Tubuluslumen so hoch sein, dass eine direkte Toxizität ebenso denkbar wäre.

Ansätze zur Prävention

Ein akutes Kontrastmittel-induziertes Nierenversagen geht mit einer erhöhten Mortalität und einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse einher. Umso dringender wird nach wirksamen Präventionsmaßnahmen gesucht. Aus den Theorien zur Pathogenese eines Kontrastmittel-induzierten akuten Nierenversagens ergibt sich der Ansatz, den Blutfluss in den Nieren zu steigern und die Konzentration des Kontrastmittels im Tubuluslumen zu „verdünnen“: Die japanische Leitlinie empfiehlt Kochsalz-Infusionen sechs bis zwölf Stunden vor und nach der Kontrastmittel-Gabe. Doch die Evidenz dieser Maßnahme ist gering.

Auf der Suche nach der optimalen Strategie verglich kürzlich eine Netzwerk-Analyse die zehn gängigsten Präventionsmaßnahmen der vergangenen 25 Jahre: Den geringsten Effekt hatte die reine Kochsalz-Infusion, dicht gefolgt von Dopamin-Agonisten. Einen nephroprotektiven Effekt haben scheinbar N-Acetylcystein (NAC) und Natriumhydrogencarbonat (NaHCO3). Man vermutet als Mechanismus ein Abfangen der freien Radikale, jedoch waren die Ergebnisse nach Sensitivitätsanalysen nicht konsistent. Ebenso verhält es sich mit der Methode der peripheren ischämischen Konditionierung (Fernkonditionierung). Deren Konzept basiert auf der Beobachtung, dass eine vorübergehende Minderdurchblutung oder Ischämie in einem Organ (z. B. Skelettmuskel) dazu führt, dass andere Organe (z. B. Herz) spätere Ischämien besser überstehen. Für die Nieren scheint diese Theorie aber nur bedingt aufzugehen. Der Studienendpunkt orientierte sich für alle Studien an der üblichen Definition von CIAKI: Relativer Anstieg der Serumkreatininkinase ≥ 25% oder absoluter Anstieg ≥ 0,5 mg/dl, innerhalb von 48 bis 72 Stunden nach der Untersuchung. ­Studien mit alternativen Biomarkern wurden ausgeschlossen.

Statine führten zu einer deutlichen und konsistenten Reduktion des Risikos für ein Kontrastmittel-induziertes akutes Nierenversagen. Man führt diese Schutzwirkung auf die pleiotropen Effekte von Statinen zurück – wie die Minderung von lokalen und systemischen Entzündungen und die Verbesserung der Endothelfunktion. Die Cholesterolsenker könnten aber auch anderen Mechanismen entgegenwirken: Beispielsweise der Kontrastmittel-induzierten Apoptose von Tubuluszellen.

Größte Effekte bei Statinen

Die größten Effekte wurden mit Xanthinen und Statinen erzielt. Als nichtselektive Adenosin-Rezeptorantagonisten bedingen Xanthine eine renale Vasodilatation, durch Hemmung der A1-Adenosin-Rezeptor-vermittelten Vasokonstriktion. Außerdem fördern sie die Diurese, indem sie die Natrium-Rückresorption im proximalen Tubulus hemmen. Die Autoren der Netzwerk-Analyse bemängeln jedoch, dass die eingeschlossenen Studien zu Xanthinen sehr heterogen waren und der Benefit nach verschiedenen Sensitivitätsanalysen nicht mehr sichtbar war. Anders bei den Statinen: Sie führten zu einer deutlichen und konsistenten Reduktion des Risikos für ein Kontrastmittel-induziertes akutes Nierenversagen im Vergleich zu Kochsalz-Infusionen. An diesem Ergebnis konnten auch die Sensitivitätsanalysen nicht rütteln. Man führt diese Wirkung auf die pleiotropen Effekte von Statinen zurück – wie die Minderung von lokalen und systemischen Entzündungen und die Verbesserung der Endothelfunktion. Die Cholesterolsenker könnten aber auch anderen Mechanismen entgegenwirken: Beispielsweise der Kontrastmittel-induzierten Apoptose von Tubuluszellen. In-vitro-Studien bestätigten bereits, dass Statine die Aktivierung der Apoptose von humanen Nierenzellen hemmen. Offen bleibt die Frage, welches Statin besonders zur Prävention von Kontrast­mittel-induziertem akutem Nieren­versagen geeignet ist.

Die Suche ist nicht zu Ende

Es gibt noch viel Forschungsbedarf: Bei Diabetikern war keine der untersuchten Strategien von Erfolg gekrönt – nicht einmal der Einsatz von Statinen. Weitere Aufmerksamkeit verdient zudem die Fernkonditionierung. Dass ihr Nutzen den Sensitivitätsanalysen nicht standhielt, lag vor allem an den kleinen Studien mit wenigen Patienten. Ein ganz anderer, in der Netzwerk-Analyse nicht berücksichtigter Ansatz, ist die Inhalation von Sauerstoff. In Studien hat er bereits vielversprechende Ergebnisse gezeigt. Ein großer Vorteil dieser Strategie wäre die Möglichkeit, den Sauerstoff zeitgleich mit dem Kontrastmittel verabreichen zu können. Das würde, vor ­allem in Notfallsituationen, die Hand­habung erleichtern. |

Quelle

Homma K. Contrast-induced Acute Kidney Injury. Keio J Med 2016;65(4):67-73

Giacoppo D et al. Preventive strategies for contrast-induced acute kidney injury in patients undergoing percutanoeus coronary procedures. Circ Cardiovas Interv 2017;10:e004383

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