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Deregulierung, Deregulierung, Deregulierung
Positionspapier des AOK-Bundesverbands zur Bundestagswahl
Die Krankenkassen wollen sich bei ihren politischen Bemühungen in der nächsten Legislaturperiode offenbar verstärkt dem Apothekenmarkt widmen. Nachdem bereits der GKV-Spitzenverband die Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes und mehr Wettbewerb forderte, legt nun der AOK-Bundesverband nach, der die elf Ortskrankenkassen Deutschlands politisch vertritt. In einem im AOK-System abgestimmten Positionspapier zur Bundestagswahl mit dem Namen „weiter.gehen“ beschäftigt sich der Verband unter anderem mit den Auswirkungen des EuGH-Urteils zur Rx-Preisbindung.
Wörtlich heißt es in dem Papier: „Das in Reaktion auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes diskutierte Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ist nicht zeitgemäß und schadet den Patientinnen und Patienten. Um die Arzneimittelversorgung gerade im ländlichen Raum und für Menschen mit chronischen Erkrankungen sicherzustellen, braucht es den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Statt weniger ist hier mehr Wettbewerb um gute Versorgung angezeigt, beispielsweise durch Direktverträge der Krankenkassen mit Versandapotheken.“
Bei einer Pressekonferenz in Berlin erläuterte Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes, die Positionen der AOK-Gemeinschaft zum Apothekenmarkt. Auf die Frage, welche Vorteile sich durch Direktverträge zwischen Kassen und Versandapotheken für die Versicherten ergäben, antwortete Litsch: „Direktverträge sind eine außerordentlich gute Möglichkeit, die Versorgung effizienter und genauer zu gestalten. Beispielsweise wirken sich Direktverträge positiv auf die Versorgungsqualität und Prozesse in der Belieferung aus. Sie werden sehr genau und transparent vereinbart, schließlich finden Ausschreibungen statt.“ Die Preisbindung will Litsch allerdings nicht komplett kippen – vorerst zumindest. Der Verbandschef sagte, dass man mit solchen Schritten „vorsichtig“ sein und erst das Gutachten des Bundeswirtschaftsministeriums zum Apothekenhonorar abwarten müsse.
Fremdbesitzverbot ist „mittelalterliche Vorstellung“
Doch damit noch nicht genug an Änderungswünschen für den Apothekenmarkt. Relativ knapp und – so wie beim GKV-Spitzenverband ohne Erklärung – heißt es in dem AOK-Positionspapier weiter: „Darüber hinaus muss das bestehende Mehrbesitz- und Fremdbesitzverbot bei Apotheken aufgehoben werden.“ Die fehlende Erklärung zu dieser Forderung lieferte Litsch mündlich nach. Auf die Frage, welche Versorgungsvorteile sich Kassen durch Fremdkapital-gesteuerte Apotheken erhoffen, antwortete der AOK-Chef: „Ich weiß gar nicht, ob die Aufhebung des Fremdbesitzverbotes etwas mit Fremdkapital zu tun hat. Aber auf jeden Fall beruht es auf einer mittelalterlichen Vorstellung der Versorgung, die vielleicht zu Zeiten der Fugger eine wichtige Rolle gespielt hat.“
Der Verbandschef stört sich sehr an den Regulierungen im Apothekenmarkt und erklärte zudem, dass er sich um die Sicherstellung der Arzneimittelversorgung keine Sorgen mache. Denn: „Sollte das Fremdbesitzverbot fallen, wäre die Versorgung immer noch gesichert. Die derzeitige Anzahl der Apotheken gibt keinen Anlass zur Sorge. Außerdem ist die Arzneimittelabgabe derzeit von einer großen Attraktivität geprägt. Auch in dünn besiedelten Gebieten würde die Versorgung ohne Fremdbesitzverbot gesichert sein. Dort könnten übrigens auch Versandapotheken eine sinnvolle Ergänzung darstellen.“
AOK will Zyto-Verträge zurück
Der AOK-Bundesverband will auch weiterhin nicht die Abschaffung der exklusiven Zyto-Verträge zwischen Krankenkassen und Apotheken akzeptieren. In seinem Positionspapier fordert er, dass die „Einschränkungen“ für Kassen erneut auf den Prüfstand kommen. Der AOK-Bundesverband warb für die Vorteile, die sich aus seiner Sicht durch exklusive Zyto-Verträge ergeben. Wörtlich heißt es in dem Papier: „Mit dem Verbot kassenindividueller Verträge für Krebsmedikamente und Impfstoffe wurde die Chance vertan, die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Arzneimittelversorgung nachhaltig zu verbessern. Erst durch die Zytostatika-Ausschreibungen war es den Krankenkassen gelungen, hohe Anforderungen an die Ad-hoc-Belieferung, einen Notfallplan sowie feste Zeitspannen für die Belieferung der Arztpraxis durch die herstellende Apotheke zu definieren.“
Erstmals nannte der Verbandschef auch einen Betrag, der dem GKV-System durch die Abschaffung der Exklusivität verloren geht: „Wir rechnen damit, dass sich der Verlust der Ausschreibungen mit etwa 500 Millionen Euro auf die Ergebnisse auswirken wird.“ Die neue Möglichkeit der Rabattverträge über Zytostatika zwischen Kassen und Herstellern kritisierte Litsch. „Im Gesetz heißt es, dass wir die Medikamente einheitlich und gemeinsam ausschreiben müssen. Wir wissen noch gar nicht, ob das überhaupt funktioniert. Die Einsparungen durch diese Ausschreibungen werden deutlich geringer sein und im untersten dreistelligen Bereich liegen.“
Humbug aus dem Ministerium
Litsch erneuerte in diesem Zusammenhang auch die Kritik am Bundesgesundheitsministerium (BMG). BMG-Staatssekretär Lutz Stroppe hatte Kassen und Apotheker kürzlich in einem Brief darüber informiert, dass die Exklusivität bereits jetzt – also während der dreimonatigen Übergangsphase – abgeschafft sei und dass ab sofort wieder alle Apotheken Zytostatika herstellen dürften. Litsch kommentierte das folgendermaßen: „Das zeigt uns mal wieder, wie bereitwillig der Gesetzgeber in geltende Verträge eingreift. Alle gehen davon aus, dass die geltenden Verträge bis zum Ende der Übergangsfrist eingehalten werden. Das ist schon eine merkwürdige Rechtsauffassung und vollkommener Humbug.“ Schließlich drohte er den Apothekern, die den Empfehlungen des BMG folgen: „In der Versorgung erleben wir derzeit ein komplettes Durcheinander. Viele Apotheker beziehen sich auf das Stroppe-Schreiben und beliefern, obwohl sie keinen Vertrag haben. Diese Apotheker müssen mit Retaxierungen rechnen.“ |
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