Arzneimittel und Therapie

„PPI sind sinnvoll!“

Ein Kommentar von Prof. Dr. Thomas Frieling

Prof. Dr. Thomas Frieling, Krefeld

Diese große prospektive Studie zeigt zwar bei jüngeren Patienten unter 75 Jahren mit der Literatur ähnliche Werte für das Blutungsrisiko unter ASS als Sekundärprophylaxe nach Schlaganfall bzw. Myokardinfarkt [2, 3], aber ein deutlich höheres Risiko mit zunehmendem Alter (über 75 Jahre) für schwere intrakranielle und extrakranielle Blutungen, insbesondere für schwere obere gastrointestinale Blutungen mit klinisch ungünstigerem Ausgang. Das Blutungsrisiko war hierbei im ersten Jahr nach dem Initialereignis am höchsten und unabhängig von der primären Antikoagulation nach initialem Ereignis. Die Ursachen für die schlechte Prognose relevanter Blutungen in dieser Patientengruppe waren multifaktoriell und u. a. durch die Multimorbidität der Patienten, begleitende Thrombosen und eine zunehmende Herzinsuffizienz bedingt. Kann die Schlussfolgerung der Autoren, nämlich die Begleitmedikation mit PPI während einer ASS-Sekundärprophylaxe, bei älteren Patienten im klinischen Alltag bereits empfohlen werden?

Leitlinie: Kann-Empfehlung

Das Problem der ASS-Langzeittherapie und PPI-Begleitmedikation wird in der aktuellen Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) ausführlich behandelt und eine Kann-Empfehlung ausgegeben [4]. Hierbei kann bei einer Monotherapie mit ASS, einem sonstigen Thrombozytenaggregationshemmer, einem neuen oralen Antikoagulans (NOAK) oder einem Vitamin-K-Antagonisten (VKA) eine PPI-Prophylaxe erfolgen, sofern mindestens ein Risikofaktor für eine gastroduodenale Ulkusblutung vorliegt. Als Präambel der Risikofaktoren für eine gastroduodenale Ulkusblutung bei Einnahme von nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) werden hierbei ein höheres Lebensalter (≥ 65 Jahre), eine Ulkusanamnese, eine H.-pylori-­Infektion, ein schwerer Verlauf einer Allgemeinerkrankung, eine Komedikation mit Glucocorticoiden, gerinnungsaktiven Medikamenten oder mit selektiven Serotonin-Reuptake-Inhibitoren (SSRI) aufgeführt. Die aktuelle Arbeit unterstützt diese Empfehlung und weist hierbei insbesondere auf die Risikogruppe der älteren und multimorbiden Patienten hin.

Risiken halten sich in Grenzen

Als Grundlage für eine Soll-Empfehlung der PPI-Begleitmedikation bei ASS-Langzeittherapie ist eine Bestätigung der Ergebnisse bzw. eine prospektive Studie mit und ohne PPI-Begleittherapie wünschenswert, die aber aus ethischen Gründen schwer durchzuführen sein wird. Die potenziellen Risiken einer PPI-Langzeittherapie dürften bei älteren Patienten in dieser Altersgruppe zu vernachlässigen sein. Hinzu kommt, dass es für die meisten Risiken, die für eine PPI-Langzeittherapie aufgeführt werden (u. a. Osteoporose, Hüftfrakturen, vermehrte Infektionen, Demenz, kardiovaskuläres Risiko), keine klare Evidenzlage gibt [5, 6] sodass das Risiko für die Patienten begrenzt sein dürfte und in keinem Verhältnis zum kalkulierten Benefit steht. Das größte Problem der PPI-Verordnungen ist ihre unkritische und verbreitete Gabe bei fehlenden Indikationen [7]. Bei richtiger Indikation sind PPI gute und sichere Medikamente auch für die Langzeittherapie.

Immer bei ASS-Dauertherapie

Aufgrund der klaren Ergebnisse dieser großen prospektiven Kohortenstudie mit Nachweis eines hohen Risikos für schwere Blutungen bei älteren Patienten und der kalkulierten hohen Effektivität der PPI-Therapie zur Verhinderung derartiger Blutungsereignisse sollten Protonenpumpenhemmer bereits jetzt bei multimorbiden älteren Patienten über 75 Jahren und einer ASS-Dauer­therapie eingesetzt werden. Nach einer aktuellen gut publizierten randomisierten kontrollierten Studie an Hochrisikopatienten unter niedrig dosierter ASS-Therapie mit einem Risiko für gastrointestinale Blutungen scheint der Erfolg einer PPI-Therapie ähnlich dem einer Therapie mit Histamin-­H2-Rezeptor­antagonisten zu sein [8].

Literatur

[1] Li L, Geraghty OG, Mehta Z, Rothwell PM on behalf of the Oxford Vascular Study. Age-specific risks, severity, time-course and outcome of bleeding on long-term antiplatelet treatment after vascular events: population-based cohort study. Lancet 2017;June13,http://dx.doi/10.1016/S0140-6736(17)30770-5

[2] Mo C, Sun G, Lu ML et al. Proton pump inhibitors in prevention of low-dose aspirin-associated upper gastrointestinal injuries.World J Gastroenterol2015;21:5382–5392

[3] Ducrocq G, Wallace JS, Baron G, et al. Risk score to predict serious bleeding in stable outpatients with or at risk of atherothrombosis. Eur HeartJ2010;31:1257–1265

[4] Fischbach W, Malfertheiner P, Lynen PL et al. S2k-guideline Helicobacter pylori and gastroduodenal ulcer disease. Gastroenterol 2016;54:327–363

[5] Freedberg DE, Kim LS, Yang YX. The Risks and Benefits of Long-term Use of Proton Pump Inhibitors: Expert Review and Best Practice Advice From the American Gastroenterological Association. Gastroenterology. 2017 Mar;152(4):706-715

[6] Helmers KU. Korrespondenz – Erhöhtes kardiovaskuläres Risiko durch Protonenpumpenhemmer? Arznei-Telegramm 2017;48:13-14

[7] Frieling T. GERD: Langzeitnebenwirkungen einer lebenslangen Einnahme von Protonenpumpenhemmern. Journal für Gastroenterologische und Hepatologische Erkrankungen 2011;9(4):7-13

[8] Chan FKL, Kyaw M, Tanigawa T et al. Similar efficacy of proton-pump inhibitors vs. H2-receptor anatgonists in reducing risk of upper gastrointestinal bleeding of ulcers in high-risk users of low-dose aspirin. Gastroenterology 2017;152(3):554-63.e9


Prof. Dr. Thomas Frieling, Medizinische Klinik II, Helios Klinikum Krefeld, Lutherplatz 40,
47805 Krefeld 

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