Arzneimittel und Therapie

Tetracyclin mit Potenzial bei MS

Minocyclin konnte die Manifestation zumindest kurzfristig hinauszögern

Die Therapie der Multiplen Sklerose (MS) entwickelt sich nicht zuletzt durch neue Wirkstoffe ständig weiter. Leider sind viele dieser Behandlungsmöglichkeiten sehr teuer. Dies weckt den Wunsch, auf diesem Gebiet neue Verwendungsmöglichkeiten für schon länger bekannte und daher günstigere Arzneistoffe zu finden.

Einer der Kandidaten dafür ist Minocyclin. Das Tetracyclin-Antibiotikum, das in der Akne-Therapie angewendet wird, ist lipophil und überwindet daher die Blut-Hirn-Schranke. Es hat neben antibiotischen auch antiinflammatorische und anti-apoptotische Effekte. So soll es die Entzündungskaskade und den stressbedingten Untergang von Oligodendrozyten bei MS verlangsamen. In zwei kleineren Studien wurde bereits festgestellt, dass Minocyclin die Zahl der Hirnläsionen bei Patienten mit therapierefraktärer MS verringern konnte. Jetzt hat die kanadische Fachgesellschaft für Multiple Sklerose untersucht, wie sich die Gabe von Minocyclin auf den Krankheitsverlauf auswirkt.

142 Patienten aus 12 Zentren in Kanada wurden rekrutiert. Alle litten unter einem sogenannten klinisch isolierten Syndrom. Dabei kommt es zu neurologischen Funktionsstörungen (z. B. Sehstörungen), die auf ein demyelinisierendes Ereignis hindeuten, ohne dass zwingend Läsionen im MRT sichtbar sind oder die Kriterien für MS-Diagnose erfüllt sind. Etwa die Hälfte der Betroffenen erkrankt später an MS.

Die Patienten wurden in zwei Gruppen randomisiert und erhielten über 24 Monate entweder zweimal 100 mg Minocyclin täglich in Tablettenform oder Placebo. Nach 6 Monaten war bei 23 Patienten in der Minocyclin-Gruppe und 41 Patienten in der Kontrollgruppe MS diagnostiziert worden. Dies entspricht einer Risikoreduktion von 27,6%. Allerdings wiesen in der Kontrollgruppe von Anfang an mehr Patienten spinale Funktionsstörungen und mehr als eine Läsion auf. Bezieht man dies mit in die Berechnung ein, liegt die Risikoreduktion nur noch bei 18,5%. Nach 24 Monaten gab es keine signifikanten Unterschiede mehr zwischen beiden Gruppen. Ähnlich verhielt es sich bei der Betrachtung der MRT-Untersuchungen. Während nach 6 Monaten in der Minocyclin-Gruppe weniger Läsionen sichtbar waren als in der Kontrollgruppe, war der Unterschied nach 24 Monaten nicht mehr signifikant.

Minocyclin hätte neben dem niedrigen Preis noch weitere Vorteile. So ist es oral anwendbar, was besonders für Patienten im Frühstadium wünschenswert wäre, und relativ gut verträglich. Leider sprechen die Ergebnisse dieser Studie nur für eine kurzfristige Wirkung. Die Autoren argumentieren, dass die beobachtete Risikoreduktion in den ersten sechs Monaten etwa den etablierten MS-Wirkstoffen entspricht. Eine weitere Untersuchung mit einem direkten Vergleich wäre hier interessant. Zudem muss man sich fragen, wie effektiv die Verblindung in dieser Studie war. Denn Minocyclin hat zum Teil sehr typische und offensichtliche Nebenwirkungen, wie eine Gelbfärbung der Zähne. |

Quelle:

Metz L.M., Trial of Minocycline in a Clinically Isolated Syndrome of Multiple Sclerosis, New England Journal of Medicine, 7. Juni 2017

Xia Z., Minocycline in Multiple Sclerosis — Compelling Results but Too Early to Tell, New England Journal of Medicine, 7. Juni 2017

Apothekerin Sarah Katzemich

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