Prisma

Biomimetische Klebstoffe und Wundverschlüsse

Polymere aus Schnecken und Muscheln als Vorbilder

cae | Den Schleim von Schnecken ­assoziieren wir vor allem mit Gleitfähigkeit. Manche Schnecken können aber auch einen Schleim sezernieren, mit dem sie sich an feuchten Oberflächen so fest anheften, dass Feinde sie nicht davon ablösen können. Auch Miesmuscheln synthetisieren solche wasserfesten Klebstoffe. Diese Naturstoffe sind Vorbilder für Adhäsivstoffe, die in der Medizin und Technik zum Einsatz kommen sollen.

Schon vor fünf Jahren haben Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung einen innovativen Adhäsivstoff präsentiert, den sie mithilfe weniger Molekülvaria­tionen aus dem Klebstoff der Mies­muscheln (Mytilus spp.) entwickelt hatten. Die Muscheln bilden aus Polypeptiden, deren Hauptbaustein die Aminosäure DOPA ist, den fadenförmigen Byssus (Muschelseide), mit dem sie sich an feste Substrate in der Brandungs- oder Gezeitenzone binden und den dort herrschenden starken Strömungen trotzen können. Zudem binden sich viele einzelne Miesmuscheln durch den Byssus aneinander und bilden dadurch Kolonien.

Grundstruktur des Klebstoff-Polymers der Miesmuschelmit dem wesentlichen Baustein DOPA (farbig; oben) sowie das davon abgeleitete Block-Copolymer Poly(vinylcatechol-styrol).

Die Molekülvariation besteht aus Blockpolymeren von Polyvinylcatechol und Polystyrol. Wie das Vorbild aus der Natur bindet sie auch im Wasser Gegenstände aneinander, was mit den meisten synthetischen Klebstoffen nicht möglich ist. Zudem ist ihre Adhäsion 17-mal so groß wie bei dem Original. Diese „Verbesserung“ spricht nicht gegen die Qualität des Byssus, denn die Natur ist nicht verschwenderisch, sondern macht die Dinge gerade so gut, dass sie ihren jeweiligen Zweck erfüllen.

Mit den Muscheln sind die Schnecken verwandt, denn beide gehören zu den Weichtieren (Mollusken). Die Hell­braune Wegschnecke (Arion subfuscus) synthetisiert ebenfalls einen Klebstoff, der in Gegenwart von Wasser an festen Gegenständen haftet. Die Schnecke, die gern bei feuchtem Wetter in Wäldern und Wiesen unterwegs ist, heftet sich mit ihm bei Gefahr an ihre Unterlage, sodass einige Fraßfeinde sie nicht verschlingen können. Der Klebstoff besteht aus einem Gemisch von negativ geladenem Schleim (sulfatierte Glycosaminglycane) mit teils positiv, teils negativ geladenen Proteinen und metallischen Kationen (Ca, Zn, Fe, Mn, Cu, Mg), wobei die Proteine durch ihre Ambivalenz sowohl an den Schleim als auch an die Metalle binden.

Foto: Science Photo Library / Downer, Nigel
Die Hellbraune Wegschnecke haftet mithilfe ihres Klebstoffs auch an nassen Oberflächen.

In Anlehnung an dieses Vorbild haben Wissenschaftler des Wyss Institute der Harvard University bei Boston (USA), das auf „biologisch inspirierte Ingenieurwissenschaften“ (Bionik und Biomimetik) spezialisiert ist, einen Zwei-Schichten-Klebstoff entwickelt: Auf einem extrem elastischen Hydrogel, das aus Alginat und Polyacrylamid besteht und mit Ca-Ionen ver­sehenen ist, liegt eine Schicht positiv geladener Proteine. Nachdem der ­Klebstoff auf ein Epithel aufgebracht wurde, haften die Proteine fest an die negativ geladenen Zelloberflächen.

Die Autoren haben den neuen Klebstoff bereits in vielen Experimenten getestet und mit ihm z. B. Löcher in isolierten Schweineherzen verschlossen. Zudem hat er sich bei der Implantation in Ratten als biokompatibel erwiesen. |

Quellen

North MA et al. High Strength Underwater ­Bonding with Polymer Mimics of Mussel Adhesive Proteins. ACS Appl Mater Interfaces 2017;9(8):7866-7872

Li J et al. Tough adhesives for diverse wet surfaces. Science 2017;357(6349):378-381

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