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Arzneimittel und Therapie
Pfusch am humanen Embryo-Genom?
CRISPR/Cas9-Korrektur eines Gendefekts möglicherweise falsch interpretiert
Zur Erinnerung
Der Forschergruppe um Shoukhrat Mitalipov von der Oregon Health and Science University, in Portland, Oregon, war es gelungen, im Rahmen einer In-vitro-Fertilisation einen schweren Gendefekt im Genom des Samenspenders mithilfe der CRISPR/Cas9-Technologie zu korrigieren (Ma et al., 2017). Dabei wurden zwei wesentliche technologische Fortschritte berichtet: Zum einen konnte eine bis dahin inakzeptabel hohe Rate von „off-target”-Mutationen dramatisch reduziert werden, und zum anderen war es gelungen, die Bildung von Mosaik-Organismen nahezu vollständig zu vermeiden.
Interessante Forschung, aber falsche Interpretation?
Kaum ist die Druckerschwärze getrocknet, wird bereits infrage gestellt, ob bei diesen Versuchen tatsächlich alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Zwar wird den Autoren nicht unterstellt, bewusst betrogen zu haben, wie dies vor 13 Jahren dem Südkoreaner Hwang Woo-suk und danach noch weiteren Wissenschaftlern im Bereich der hoch kompetitiven Stammzellforschung nachgewiesen werden konnte. Aber eine Gruppe hoch renommierter Forscher, darunter Dieter Egli von der Columbia University und George Church von der Harvard Medical School, zweifeln in einer Publikation auf dem Preprint-Server bioRxiv (doi: http://dx.doi.org/10.1101/181255) die Interpretationen der Ergebnisse der Gruppe um Shoukhrat Mitalipov an, was letztlich ein Scheitern des Experiments implizieren würde.
Dies ist alles andere als bloße Polemik potenzieller Neider. Vielmehr unterlegen die Kritiker ihre Zweifel durch eine Reihe interessanter Experimente, die zumindest die Möglichkeit alternativer Interpretationen der Ergebnisse der Mitalipov-Gruppe aufzeigen. Die Kritiker kommen zu dem Schluss, dass es weiterer Forschungsarbeiten bedarf, um tatsächlich die ursprünglichen Ergebnisse glaubhaft zu belegen.
Ein „unerwartetes“ Ergebnis ...
Stein des Anstoßes ist eine, sicherlich auch für die Mitalipov-Gruppe überraschende Beobachtung. Um den Gendefekt zu korrigieren, hatte sie neben dem CRISPR/Cas9-System auch eine einzelsträngige, kurze DNA, die die intakte Erbinformation für das zu korrigierende MYBPC3-Gen des Samenspenders trägt, in eine Eizelle injiziert. Zur Überraschung der Wissenschaftler wurde jedoch der Fehler nicht mithilfe dieser einzelsträngigen Korrektur-DNA ausgemerzt. Stattdessen diente – so die Interpretation der Autoren – das intakte Allel der weiblichen Spenderin als Korrekturvorlage. Eine Erklärung für dieses unerwartete „Ergebnis“ konnten die Autoren nicht geben.
... und Erklärungsversuche
Genau hier haken die Kritiker ein und bieten als alternative Erklärung beispielsweise an, dass mithilfe des CRISPR/Cas9-Systems zwar das defekte Gen herausgeschnitten, aber nicht durch eine intakte Kopie ersetzt wurde. Und sie liefern durch eigene Arbeiten auch gleich Gründe dafür, warum diese Möglichkeit mit den durchgeführten Experimenten tatsächlich hätte übersehen werden können. Ein solches Ergebnis wäre natürlich katastrophal für den erzeugten Embryo und müsste als kompletter Misserfolg der Arbeiten gewertet werden.
Eine andere Möglichkeit zur Interpretation, so die Kritiker, bestünde darin, dass sich die Embryonen nur aus dem gesunden mütterlichen Erbgut entwickelt haben. Das würde auf eine Parthenogenese hinauslaufen, was unter Laborbedingungen wohl durchaus möglich ist.
Eine revidierte Bilanz?
An dieser Stelle sollte man extrem vorsichtig sein, entweder die eine oder die andere Seite vernichtend zu kritisieren. Vielmehr ist dieser Fall ein interessantes und lehrreiches Beispiel für kritische Forschung zu einem hoch aktuellen Thema.
Wer die Publikation von Ma et al. sorgfältig liest, erkennt, dass die Wissenschaftler nicht nur das berichteten, was sie zweifelsfrei erklären konnten, sondern auch das, wofür sie zunächst keine plausible Erklärung liefern konnten. Dies wiederum gab anderen Experten Anlass, nach Erklärungen zu suchen. Dabei erlagen sie nicht der Versuchung zur übereilten und somit unsubstanziellen Kritik. Vielmehr unterlegen die Kritiker ihre Zweifel an der Richtigkeit der Interpretation der publizierten Ergebnisse mit Alternativen, die ebenfalls auf Experimenten basieren.
Anders als die Arbeiten von Hwang Woo-suk sind zumindest zum jetzigen Zeitpunkt die Arbeiten der Mitalipov-Gruppe nicht als ein kriminelles, wissenschaftliches Fehlverhalten zu bewerten. Andererseits zeigen die Kritiker der Arbeit jedoch auch auf, dass ein abschließendes Urteil zum Erfolg oder Misserfolg der viel beachteten Mutationskorrektur während der Entstehung eines Embryos noch nicht möglich ist.
Zumindest sehr ordentlich gearbeitet
Greifen wir also noch einmal unsere in der Einleitung gestellte Frage auf, ob wir uns mit unserem positiven Urteil in unserem ersten Bericht zu der Arbeit geirrt haben sollten. Ja, vielleicht teilweise. So haben die Wissenschaftler um Shoukhrat Mitalipov unter Umständen nicht so erfolgreich gearbeitet, wie wir das angenommen haben. Auf alle Fälle haben sie aber sehr ordentlich gearbeitet, indem sie auch die Teilergebnisse berichteten, die sie nicht schlüssig erklären konnten, und die wiederum die Basis für die Kritik der anderen Wissenschaftler waren. Eine derartige Offenlegung der Ergebnisse ist leider längst nicht immer üblich. |
Quelle
Ma H, Marti-Gutierrez N, Park S-W, et al. Correction of a pathogenic gene mutation in human embryos. Nature 2017, doi:10.1038/nature23305
Egli D, Zuccaro, MV, Kosicki M, Church GH, Bradley A, Jasin M. Inter-homologue repair in fertilized human eggs? 2017, doi: http://dx.doi.org/10.1101/181255
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