Arzneimittel und Therapie

Je niedriger, desto besser?

Sehr niedriger Blutdruck kann das kardiovaskuläre Risiko erhöhen

The lower, the better“ mag für LDL-Cholesterol gelten. Beim Blutdruck scheint dagegen eine Differenzierung vonnöten. Denn eine aktuelle Sekundär­analyse der Studien ONTARGET und TRANSCEND zeigt, dass gerade bei kardiovaskulären Hochrisiko­patienten der Blutdruck nicht zu niedrig sein sollte.

120 mmHg systolisch und 80 mmHg diastolisch – das ist der ideale Blutdruck. Bei ansonsten Gesunden ist ein Wert bis 140 mmHg systolisch und 90 mmHg diastolisch noch akzeptabel. Höhere Blutdruckwerte gelten als ­problematisch, insbesondere bei ­Patienten mit einem insgesamt hohen Herz-Kreislauf-Risiko.

Ein möglichst niedriger Blutdruck bei Patienten mit hohem Herz-Kreislauf-Risiko scheint jedoch nicht zwingend das optimale Behandlungsziel zu sein:

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Sinkt der Blutdruck unter einen bestimmten Wert, steigt das Herz-Kreislauf-Risiko sogar wieder an. Zu diesem Ergebnis kommt die auf dem diesjährigen Kardiologen-Kongress in Mannheim präsentierte Sekundäranalyse zweier großer Studien aus dem Jahr 2008: ONTARGET (Ongoing Telmisartan Alone and in Combination with Ramipril Global Endpoint Trial) und TRANSCEND (Telmisartan Randomised AssessmeNt Study in ACE iNtolerant subjects with cardiovascular Disease). Insgesamt wurden in diesen Studien 30.937 Hochrisikopatienten mit einer kardiovaskulären ­Erkrankung im Alter ab 55 Jahren ­genauer analysiert.

Unter 120/70 mmHg ungünstig

In den Studien wurde die Wirksamkeit von Telmisartan allein oder in Kombination mit Ramipril untersucht. Der mediane Beobachtungszeitraum betrug 56 Monate. Patienten, die während des mittleren Beobachtungszeitraums von 53 Monaten systolische Blutdruckwerte unter 120 mmHg erreichten, hatten ein um 14% höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Ereignisse als diejenigen, deren Blutdruck zwischen 120 mmHg systolisch und 140 mmHg diastolisch lag – mit Ausnahme von Herzinfarkt und Schlaganfall. Die Herz-Kreislauf-Sterblichkeit stieg um 29%, die Gesamtsterblichkeit um 28%. Beim diastolischen Blutdruck war es ähnlich: Diastolische Werte unter 70 mmHg waren mit einem um 31% erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-­Erkrankungen assoziiert, verglichen mit Werten zwischen 70 mmHg und 80 mmHg. Das Risiko für Herzinfarkt und durch Herzschwäche bedingte Klinikeinweisungen war ebenfalls erhöht. Schlaganfälle waren allerdings bei sehr niedrigen Werten seltener.

Systolischer Zielwert 130 mmHg

Das niedrigste Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis hatten Patienten, die unter einem Antihypertensivum einen systolischen Blutdruck zwischen 120 mmHg und 140 mmHg und einen diastolischen Blutdruck von etwa 75 mmHg erreichten. Die Autoren schließen daraus:

Für die meisten Hochrisikopatienten sei ein systolischer Ziel-Wert um 130 mmHg sicher, nicht jedoch ein Wert unter 120 mmHg.

Der optimale Blutdruck könne aber individuell unterschiedlich sein. So könnte möglicherweise ein Patient mit einem besonders hohen Schlaganfall-Risiko von einem niedrigen Blutdruck profitieren, der bei einem erhöhten Herzinfarkt-Risiko von Nachteil ist. |

Zum Weiterlesen

Wie 2015 mit der SPRINT-Studie alles begann, lesen Sie in der DAZ 2017, Nr. 5, S. 39. „Endspurt ins Blutdruckziel“ ­Webcode: A8ZK5

Quellen

Böhm M et al. Lancet 2017;389:2226-2237; Pressetext DGK 4/2017

Böhm M et al. Achieved blood pressure and cardiovascular outcomes in high-risk patients: results from ONTARGET and TRANSCEND trials. Lancet 2017;389:2226-2237; dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(17)30754-7

Dr. Beate Fessler

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