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- DAZ 38/2017
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Deutscher Apothekertag 2017
Unethische Obszönitäten
Ein Kommentar von Andreas Ziegler
Während es auf dem Apothekertag 2016 noch darum ging, Lieferengpässe in den Griff zu bekommen, um Versorgungsengpässen wirksam vorzubeugen, sind Letztere mittlerweile real existent. Wie sonst ist es zu erklären, dass die Ständige Impfkommission (STIKO) bei einigen Impfstoffen (z. B. Tollwut) mittlerweile notgedrungen dazu rät, die Indikation streng zu stellen, planbare Impfungen zu verschieben und in unaufschiebbaren Fällen der Postexpositionsprophylaxe die Notfalldepots „zu plündern“. Szenarien, die man in einer reichen Industrienation wie Deutschland lange Zeit nicht für möglich gehalten hätte. Und betroffen sind längst nicht nur Impfstoffe. Die Gründe sind vielfältig, die Mechanismen jedoch meist die gleichen: es geht ums Geld. Zwar gehören exklusive Rabattverträge mit nur einem Hersteller, der den Markt am Ende aus Kapazitätsgründen doch nicht bedienen kann, mittlerweile ebenso der Vergangenheit an, wie apothekenexklusive Ausschreibungen der Zytostatika-Versorgung. Damit sind die Versorgungsprobleme jedoch nicht gelöst, sondern nur verlagert. An ihrer Stelle steht ein sich wandelndes europäisches Arzneimittelpreisgefüge, das dazu führt, dass in Deutschland benötigte Arzneimittel in lukrativere Märkte abfließen, woran – auch das gehört zu einer ehrlichen Betrachtung – einige Apotheker nicht ganz unschuldig sind, wenn sie sich an der Verschiebung von kontingentierten Arzneimitteln ins Ausland beteiligen. Auch Firmen, die Altpatente aufkaufen und dem deutschen Markt zur Verfügung gestellten Kontingente bewusst verknappen, um höhere Preise zu erzielen, spielen eine unrühmliche Rolle. All diese Praktiken sind durchaus legal, ethisch anständig sind sie nicht. Im Gegenteil, es handelt sich um die Obszönitäten eines Marktes, in dem die wirtschaftlichen Eigeninteressen einiger weniger über das Gemeinwohl triumphieren. Diese Auswüchse nachträglich zu beseitigen ist – wie die Erfahrung lehrt – alles andere als trivial, zumindest aber sollten sie all jenen ein mahnendes Beispiel sein, die heute nach einer uneingeschränkten Liberalisierung des Apothekenmarktes rufen. Angesichts dieser Beispiele mag man sich vage vorstellen, wohin ein, von nach Gewinnmaximierung strebenden Kapitalgesellschaften dominierter Apothekenmarkt führen würde.
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