Arzneimittel und Therapie

Untergrenzen individuell festlegen

Ein Kommentar von Michael Böhm, Sebastian Ewen und Saarraaken Kulenthiran

Foto: privat
Prof. Dr. Michael Böhm Leiter der Sekundäranalyse der Studien ONTARGET und ­TRANSCEND ordnet zusammen mit Dr. ­Sebastian Ewen und Dr. Saarraaken Kulenthiran die Ergebnisse ein.

Basierend auf den aktuellen ­Empfehlungen zur Behandlung der arteriellen Hypertonie ist ein Zielwert von systolisch < 140 mmHg ­sowie diastolisch < 90 mmHg in der Praxismessung anzustreben [1]. Die Definition des Zielblutdruckwertes und die dadurch zu erzielende Risikoreduktion bezüglich kardiovaskulärer Komplikationen ist durch eine neue amerikanische ­Studie (SPRINT-Studie [2]) noch ­einmal neu entfacht worden, da die kontrovers diskutierten Ergebnisse dieser Studie einen noch strengeren Zielwert von systolisch < 120 mmHg nahelegen [3, 4]. Es ist allerdings hervorzuheben, dass in der SPRINT-Studie „unbeobachtete“ automatische Blutdruckmessungen durchgeführt wurden, was nicht der gängigen Methode der Blutdruckmessung im klinischen Alltag entspricht [3].

Die Ergebnisse der kürzlich ­veröffentlichten Analyse aus einer großen Studie an Hochrisikopatienten (ONTARGET/TRANSCEND­-Studie) zeigen, dass neben einer Obergrenze auch die Festlegung einer individualisierten Untergrenze zur Optimierung des kardiovaskulären Outcomes eines Hochrisikopatienten sinnvoll erscheint [5]. Die ONTARGET und TRANSCEND-Studie untersuchten 30.940 Patienten mit einem hohen kardiovaskulären Risikoprofil, d. h. Patienten, die bereits einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall durchgemacht hatten. Bei einem systolischen Blutdruck zu Beginn von ≥ 140 mmHg zeigte sich im Vergleich zu Ausgangswerten zwischen 120 und 139 mmHg ein vermehrtes Auftreten von kardiovaskulär bedingten Todesfällen, Herzinfarkten, Schlaganfällen und Herzschwäche. Bei 4052 Patienten, die unter Therapie einen systolischen Blutdruckwert < 120 mmHg erreichten, konnte aber auch ein ­erhöhtes Risiko für die oben ­genannten Komplikationen nachgewiesen werden. Ein therapeutisch erreichter systolischer Zielblutdruckwert von 130 mmHg war mit dem geringsten Risiko verbunden [5]. In Anbetracht dieser Ergebnisse wird möglicherweise in den ­zukünftigen Empfehlungen zur Behandlung der arteriellen Hypertonie auch die Festlegung einer Untergrenze berücksichtigt. Eine genaue Blutdruckeinstellung ist die ­wichtigste Maßnahme in der ­Medizin, um Schlaganfälle und Herzinfarkte zu verhindern. |

Quellen

[1] Mancia G et al. J Hypertens 2013; 31:1281-1357

[2] Wright JT et al. N Engl J Med 2015;373:2103-2116

[3] Ewen S et al. EuroIntervention 2016;12:809-812

[4] Kulenthiran S et al. Clin Res Cardiol 2017;106(7):475-484

[5] Böhm M et al. Lancet 2017;389:2226-2237

Prof. Dr. Michael Böhm, Dr. Sebastian Ewen, Dr. Saarraaken Kulenthiran. Universitäts­klinikum des Saarlandes; Kardiologie, Angiologie und internistische Intensivmedizin

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