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Gemischte Reaktionen

Das sagen Apotheker, Großhändler, Politik und Hersteller zum BGH-Skonto-Urteil

wes | Die Reaktionen auf das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH), dass der Pharmagroßhandel mehr als 3,15 Prozent Rabatt geben darf, fielen unterschiedlich aus: Bei den Apothekern und manchen Großhändlern herrschte Freude über die Entscheidung, der Großhandelsverband Phagro dagegen sieht nun die Politik gefordert. Arzneimittel-Hersteller und -Importeure wiederum freuen sich über Rechtssicherheit im Direktgeschäft. Die Reaktionen im Überblick.

„AMPreisV bestätigt“

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Friedemann Schmidt, ABDA

„Deutschlands Apotheker reagieren positiv auf die heutige Entscheidung des Bundesgerichtshofs“, erklärte die ABDA kurz nach dem Urteil und sprach damit vielen Apothekern aus dem Herzen. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt: „Deutschlands höchste Richter in Zivilsachen haben die Arzneimittelpreisverordnung bestätigt und Klarheit darüber geschaffen, unter welchen Bedingungen die Apotheken die Arzneimittel beim Großhandel beziehen dürfen.“ Damit habe der BGH die Erwartung von Staat und Gesellschaft bekräftigt, dass Apotheker als Freiberufler und Kaufleute möglichst effizient und rational handeln. Allerdings seien Skonti sehr individuelle Konditionen, die der Apotheker von seinem Großhändler eingeräumt bekomme.

Auch der Vorsitzende des Apothekenkooperations-Verbands BVDAK, Dr. Stefan Hartmann, ist zufrieden: „Skonti sind kaufmännisch und buchhalterisch etwas ganz anderes als Rabatte. Sie reduzieren nicht den Kaufpreis, sondern sind eine Gegenleistung für die zeitnahe Zahlung.“ Bei einer anderen Entscheidung wäre die wirtschaftliche Grundlage der stationären Apotheken massiv beschädigt worden. „Ich bin froh, dass nach dem negativen EuGH-Urteil nicht noch ein weiterer Ertragsverlust auf uns zukommt.“

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Jens Graefe, AEP

Gefreut haben sich auch der Großhändler AEP, der den Skonto-Prozess nun endgültig gewonnen hat, sowie die beiden genossenschaftlichen Großhandlungen Noweda und Sanacorp. „Mehr konnten wir nicht erreichen“, sagte AEP-Chef Jens Graefe direkt nach dem Urteil und betonte die Rechtssicherheit, die nun herrsche. Die Noweda freut sich für ihre Mitglieder. Skonti grundsätzlich nicht als Rabatte anzusehen sei „eine richtige und logische Entscheidung“. Auch bei der Sanacorp begrüßte man das Urteil. Weitere Großhändler wollten sich nicht äußern, bevor sie das Urteil nicht analysiert haben.

„Das Urteil öffnet ungleichem Wettbewerb Tür und Tor“

Weit weniger positiv als seine genossenschaftlichen Mitglieder bewertet der Verband der Pharma-Großhändler Phagro das Urteil: „Mit der Entscheidung des BGH, die Großhandelsspanne und damit auch den Festzuschlag von 70 Cent für vollumfänglich rabattierfähig zu erklären, wird § 2 der Arzneimittelpreisverordnung völlig sinnentleert“, meint der Vorsitzende Dr. Thomas Trümper. Denn nach dem Willen des Gesetzgebers sollte der Festzuschlag von 70 Cent pro Packung gewährleisten, dass auch niedrigpreisige Arzneimittel kostendeckend distribuiert werden können. So könne der Großhandel insbesondere bei preisgünstigen Arzneimitteln und ständig wechselnden Rabattverträgen eine flächendeckende und kontinuierliche Versorgung sicherstellen.

Das Urteil öffnet nach Ansicht des Phagro dem Direktvertrieb und einem ungleichen Wettbewerb Tür und Tor. Letztlich treffe diese Entscheidung nicht nur den Großhandel, sondern viele Apotheken, denen ein unfairer Wettbewerb aufgezwungen wird. Trümper fordert, dass der Gesetzgeber umgehend klarstellt, dass der Festzuschlag von 70 Cent nicht rabattierfähig ist.

„Befremdlich“

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Michael Hennrich, CDU

Ähnlich sieht das der CDU-Arzneimittelexperte Michael Hennrich: „Es war der ausdrückliche gesetzgeberische Wille, dass die 70 Cent nicht rabattierfähig sind. Damit sollten unter anderem kleinere Apotheken und kleinere und mittlere Großhändler geschützt werden. Dass der BGH diesen Willen nicht beachtet hat, ist befremdlich und überrascht mich.“ Er habe eher damit gerechnet, dass der BGH Skonti in handelsüblichem Umfang erlaubt. Er gab aber zu bedenken, dass ein komplettes Skonti-Verbot für die Apotheker „natürlich“ eine viel schlimmere Entscheidung gewesen wäre.

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Sabine Dittmar, SPD

Die SPD-Apothekenexpertin Sabine Dittmar plädiert für eine schnelle Reform des Vergütungssystems: „Auch wenn die schriftliche Urteilsbegründung noch abzuwarten ist, so zeigt der heutige Tag einmal mehr, dass die Zusammensetzung des Apothekenhonorars genauer unter die Lupe genommen werden muss.“ Das Gutachten des Bundeswirtschaftsministeriums werde viele wichtige Informationen liefern, auf deren Grundlage das Apothekenhonorar differenzierter ausgestaltet werden kann, so Dittmar.

Die Grüne Kordula Schulz-Asche begrüßt das Urteil, weil damit „die ohnehin schon angespannte Situation auf dem Apothekenmarkt nicht weiter verschärft wird.“ Sie gab aber zu bedenken, dass von der Entscheidung „vor allem die Großverdiener unter den Apotheken durch günstigere Einkaufskonditionen profitieren.“ Deshalb erneuert auch Schulz-Asche ihre Forderung nach einer Honorarreform, „ damit für Pharmazeuten in erster Linie die Gesundheitsversorgung der Patienten im Vordergrund stehen kann und nicht der Umsatz.“

„Endlich Rechtssicherheit für den Direktvertrieb“

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Dr. Martin Weiser, BAH

Auch der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller BAH begrüßt das Urteil. Sein Hauptgeschäftsführer Dr. Martin Weiser sagte: „Nun herrscht endlich Rechtssicherheit für Arzneimittel-Hersteller, die Apotheken im Direktvertrieb beliefern, sowie für Großhandel und Apotheken.“ Denn der Gesetzgeber hatte bei der Umstellung der Arzneimittelpreisverordnung im Jahr 2012 den Direktvertrieb der Hersteller ausdrücklich dem Großhandel gleichstellen wollen. Daher stellte sich auch den pharmazeutischen Unternehmen die Frage, wie weit sie mit ihren Rabatten gehen dürfen.

Erfreut ist man auch bei den Arzneimittel-Importeuren. „Ich begrüße die Entscheidung außerordentlich“, sagte Kohlpharma-Geschäftsführer Jörg Geller. Es sei „weise“, dass die Richter erkennen, dass die Apotheker nicht nur ein Leistungserbringer im Gesundheitswesen seien, sondern auch ein Warengeschäft betrieben, das nach ökonomischen Prinzipien geführt werden müsse. Mit dem Urteil sei nun sichergestellt, dass der Apotheker als Kaufmann handeln könne.

Deutlich zurückhaltender äußerte sich Eurim-Gründer Andreas Mohringer: Zwar könne das Urteil noch nicht detailliert bewertet werden. „Diese höchstrichterliche Entscheidung hält aber fest, dass sowohl die prozentuale Großhandelsmarge wie die Festpauschale von 70 Cent dem Großhandel zur Verfügung stehen. Daran dürften sich die Urteile in anderen noch laufenden Verfahren orientieren.“ Damit spielt Mohringer auf die Verfahren an, die gegen die Direktvertriebs-Konditionen der Importeure Kohlpharma und Eurim anhängig sind.

„So klar ist der Wortlaut nicht“

Nicht überzeugt von dem Urteil ist dagegen der Marburger Jurist Dr. Elmar Mand, der 2014 in einem Aufsatz in der Zeitschrift „Arzneimittel und Recht“ die Diskussion um Großhandels­rabatte und Skonti angestoßen hatte. Er findet, dass der Wortlaut der AMPreisV keinesfalls so eindeutig ist, wie der BGH meint. Denn es stehe fest, dass der Gesetzgeber den 70-Cent-Zuschlag als Fixum wollte, das Rabatten nicht zugänglich ist. Und die Verwendung des Begriffes „Festzuschlag“ ergebe nur Sinn, wenn dieser Zuschlag nicht disponibel sei. Anderenfalls hätte man einfach von einem „Zuschlag“ reden können. Und ein Wort in einem Gesetz, das keinen Sinn ergibt, sei doch eher ungewöhnlich, meint Mand. Verwunderlich findet er zudem, dass der BGH in seiner Mitteilung den Normzweck nicht erwähnt: den Wettbewerb zu ordnen und den Funktionsauftrag des Großhandels finanziell abzusichern. Wie dies ohne einen Mindestpreis gehen soll, sei „unerfindlich“. |

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