Die Seite 3

Blindes Vertrauen?

Dr. Armin Edalat, Chefredakteur der DAZ

Bei Rot, da steh! Bei Grün, da geh! – wahrscheinlich ist es die erste und wichtigste Verkehrsregel, die man im Leben lernt. Unser Vertrauen in die Ampelfarben ist so groß, dass wir meistens keine weiteren Informationen benötigen. Mit Rot, Gelb oder Grün lassen sich daher auch komplexe Sachverhalte und Fragestellungen anschaulich beantworten.

Im Nachgang zum Deutschen Apothekertag 2014 wurde anlässlich eines Antrags zur Aufarbeitung der Evidenz von OTC-Arzneimitteln die Idee einer „OTC-Ampel“ geboren. Zwar war das überhaupt nicht die Intention der Antragsteller, doch beim geforderten Informationssystem, das die evidenzbasierte Beratung der Patienten schnell und unabhängig unterstützen soll, lag diese Assoziation für so manch einen nahe.

Wie praktisch es doch wäre, auf einen Blick zu sehen, welches rezeptfreie Arzneimittel für die jeweilige Indikation die höchste Evidenz aufweist, dachten sich die Befürworter. Kritiker warnten hingegen vor einer „Listenmedizin“, bei der die Auswahl an Arzneimitteln bereits im Vorhinein eingeschränkt und bewertet wäre. Auch stellte sich die Frage, welche Institution langfristig über die Expertise, Unabhängigkeit und personellen Ressourcen verfüge, um diese Daten zu generieren und der Apothekerschaft bereitzustellen.

In den folgenden Jahren entwickelte sich eine lebhafte Diskussion über das Für und Wider einer evidenzbasierten Pharmazie. Einigkeit bestand darin, dass die Beratung von Patienten stets individuell und auf Basis der besten Wissens- und Datenquellen erfolgen sollte, aber nicht, in welcher Form Hilfestellungen und Bewertungen für die Praxis gegeben werden.

Mittlerweile gibt es „EVInews“, einen Newsletter herausgegeben von der ABDA, der seine Abonnenten über ausgewählte Therapien oder den Umgang mit klinischen Studien informiert. Die damaligen Antragsteller sehen ihre Erwartungen nur unzureichend erfüllt. Tatsächlich gleicht der Newsletter in seiner aktuellen Form eher einem Fortbildungsangebot als einem nützlichen Werkzeug für das Beratungsgespräch.

Es steht außer Frage, dass sich die Auswahl einer geeigneten Selbstmedikation nicht anhand einer „OTC-Ampel“ treffen lässt. Viel zu groß wäre die Gefahr, dass man der jeweiligen Ampelfarbe blind vertraut und die eigene kritische Bewertung vernachlässigt. Für eine evidenzbasierte Beratung sind auch immer die Erfahrungen des Apothekers und die Bedürfnisse der Patienten zu beachten. Doch wie können diese Anforderungen im hektischen Apothekenalltag umgesetzt werden? Ein Patentrezept existiert noch nicht, dafür aber Vorschläge und Lösungsansätze. Marburger Pharmazeuten haben beispielsweise eine Webanwendung entwickelt, die hier unterstützen kann. Dabei stellt die Ampelfarbe keine Empfehlung dar, sondern signalisiert, welches Vertrauen man in die jeweiligen Daten haben darf („Evidenz auf einen Klick“, S. 52 dieser DAZ).

Dies verdeutlicht einmal mehr, dass für eine abschließende Beurteilung die Apothekerinnen und Apotheker unverzichtbar sind. Und dieses Wissen lässt sich keinesfalls in ein 700 Seiten umfassendes Nachschlagewerk pressen, herausgegeben von der Stiftung Warentest, mit vielen Ampeln und der Absicht, die Patienten in dieser Informationsflut alleine zu lassen.

Armin Edalat

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