Arzneimittel und Therapie

Schwanger und depressiv

Mehr psychische Erkrankungen bei Kindern, wenn die Schwangere Antidepressiva genommen hat

Rund 2 bis 8% der Frauen erhalten während einer Schwangerschaft Antidepressiva. Bislang ist umstritten, ob dies das Risiko für psychiatrische Erkrankungen bei den Kindern beeinflusst. So reicht die Risikoerhöhung für Autismus durch die Einnahme von selektiven Serotonin-Reuptake-Inhibitoren (SSRI) je nach Studie von 0,83 bis 3,34. Eine dänische Kohortenstudie zeigt nun auf, dass die Behandlung mit Antidepressiva in der Schwangerschaft genauestens erwogen werden sollte.

Prospektive Studien mit Schwangeren sind aus ethischen Gründen oftmals nicht möglich. Umso wichtiger sind daher retrospektive Daten, wie sie das dänische Nationalregister liefert. In diesem Register wurden zwischen 1998 und 2012 in Dänemark 905.383 Neugeborene verzeichnet, von denen 21.063 (2,3%) im Mutterleib Antidepressiva ausgesetzt waren. Meist (1,8%) handelte es sich um eine SSRI-Monotherapie der Mutter. Seltener nahmen die Mütter Nicht-SSRI-Antidepressiva (0,4%) oder eine Kombination aus SSRI- und Nicht-SSRI-Antidepressivum (0,2%).

Von den Kindern wurden insgesamt 8,1 × 106 Personenjahre mit Blick auf die Entwicklung psychiatrischer Erkrankungen ausgewertet. Das Risiko, dass die Kinder eine psychiatrische Erkrankung entwickelten, war signifikant unterschiedlich zwischen den vier untersuchten Gruppen (siehe Tabelle).

Tab.: Risiko psychiatrischer Erkrankungen der Kinder in Abhängigkeit von der Antidepressiva-Einnahme der Mutter
Antidepressiva-Einnahme der Mutter
kumulative Inzidenz psychiatrischer Erkrankungen der Nachkommen
(95%-Konfidenzintervall)
keine Antidepressiva-Einnahme
8% (7,9 bis 8,2%)
Antidepressiva-Einnahme im Zeitraum von zwei Jahren bis einen Monat vor der Schwangerschaft
11,5% (10,3 bis 12,9%)
Antidepressiva-Einnahme vor und ­während der Schwangerschaft
13,6% (11,3 bis 16,3%)
Antidepressiva-Einnahme während der Schwangerschaft begonnen
14,5% (10,5 bis 19,8%)

Das Risiko für eine psychiatrische Erkrankung der Kinder war höher, wenn die Mütter das Antidepressivum nicht vor der Schwangerschaft abgesetzt haben (Hazard Ratio 1,27; 95%-Konfidenzintervall 1,17 bis 1,38). Auch nach der statistischen Kontrolle von demografischen und psychiatrischen Einflussfaktoren hatten die Kinder ein 0,5% höheres Risiko für eine psychiatrische Erkrankung, wenn die Mütter während der Schwangerschaft Antidepressiva einnahmen. Dies war unabhängig vom Antidepressivum, jedoch nochmals erhöht bei der Einnahme einer Kombination aus SSRI und Nicht-SSRI.

Erhöhte Vulnerabilität?

Kinder, deren Mütter weder vor noch während der Schwangerschaft Antidepressiva einnahmen, erkrankten am seltensten an Autismus, ADHS, affektiven Störungen wie Depressionen oder Angststörungen, somatoformen Störungen und Verhaltensstörungen. Dass Kinder, deren Mütter das Antidepressivum vor der Schwangerschaft absetzten, ein erhöhtes Risiko aufweisen, könnte auf eine familiär bedingt erhöhte Vulnerabilität zurückzuführen sein.

Rund 0,5% der Kinder scheinen jedoch durch die Einnahme von Antidepressiva ihrer Mütter während der Schwangerschaft häufiger an psychiatrischen Erkrankungen zu leiden. Die Studienautoren folgern deshalb, dass bei milden Depressionen die Fortführung der Antidepressiva-Therapie bei Kinderwunsch genauestens erwogen werden sollte. Es sind jedoch weitere Analysen notwendig. Denn das erhöhte Risiko durch die Antidepressiva-Exposition im Mutterleib könnte auch auf die gesteigerte Sensibilität der Eltern für die Diagnostik psychiatrischer Erkrankungen zurückzuführen sein. An der Empfehlung, die Fortführung der Antidepressiva-Therapie in der Schwangerschaft individuell zu erwägen, ändert sich durch die dänische Kohortenstudie nichts. Zumal auch schwere psychische Krisen den Schwangerschaftsverlauf gefährden können.  |

Quelle

Liu X, Agerbo E et al. Antidepressant use during pregnancy and psychiatric disorders in offspring: Danish nationwide register based cohort study. BMJ 2017; 358:j3668

Nordeng H, Lupattelli A, Wood M. Prenatal exposure to antidepressants and increased risk of psychiatric disorders. BMJ 2017; 358:j3950

Apothekerin Dr. Karin Schmiedel

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