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Weniger Privilegien für Schweizer Ärzte?

Dispensierrecht und Verschreibungspflicht stehen zur Diskussion

eda | Wird es im Schweizer Arzneimittelwesen bald grundlegende Veränderungen geben? Eine bisherunveröffentlichte Studie der Universität Bern kommt zu dem Schluss, dass das ärztliche Dispensierrecht zu deutlichen Mehrausgaben im Gesundheitssystem führt. Außerdem soll es den Apothekern in Zukunft ermöglicht werden, bestimmte verschreibungspflichtige Arzneimittel ohne Rezept abgeben zu dürfen.
Foto: Adobe Stock – niyazz
Wenn Ärzte Arzneimittel abgeben, wird es teuer – zumindest zeigt das Beispiel Schweiz diesen Zusammenhang.

Arzneimittel stellen auch in der Schweiz einen nicht unerheblichen Teil der Gesundheitsausgaben dar. Der Industrieverband „Interpharma“ hat in seiner Broschüre „Pharma-Markt Schweiz 2017“ die Pro-Kopf-Aufwendungen aus dem Jahr 2014 präsentiert. Demnach gab die Alpenrepublik je Einwohner umgerechnet 697 US-Dollar für Arzneimittel aus. Zusammen mit u. a. Deutschland (741 US-Dollar) und den USA (1105 US-Dollar) stehen die Schweizer damit an der Weltspitze. In diesem Zusammenhang weist die OECD auf die niedrige Generikaquote in der Schweiz hin: 2013 war nur jede sechste abgegebene Packung ein Nachahmerpräparat, während der Generikaanteil im OECD-Durchschnitt bei rund 50 Prozent lag und sowohl in Deutschland als auch Großbritannien sogar 80 Prozent betrug.

Ärzte dispensieren zu viel

Als weitere Ursache wird zunehmend auch eine Schweizer Sonderregelung in Betracht gezogen: In 17 der 19 Deutschschweizer Kantone dürfen Ärzte neben ihrer Praxistätigkeit auch Arzneimittel vertreiben. Die sogenannte Selbstdispensation (SD) war ursprünglich für strukturschwache und entlegene Regionen vorgesehen gewesen. Mittlerweile kristallisiert sich heraus, dass die ärztliche Arzneimittelabgabe längst keine Notversorgung der Bevölkerung mehr darstellt, sondern zu einem lohnenden Nebengeschäft geworden ist, das fast jeder zweite Praxisinhaber verfolgt. In der gesamten Schweiz existieren immerhin mehr als dreimal so viele dispensierende Ärzte wie Apotheken.

Dabei erhalten Ärzte für jedes abgegebene Arzneimittel dasselbe Honorar, wie es ursprünglich für die Apotheken gesetzlich festgelegt wurde, ohne dass sie dieselben laufenden Kosten decken müssten, bemängelt der Apothekerverband pharmaSuisse.

Drei Ökonomen von der Universität Bern berichten in der Schweizer Presse nun über die Fertigstellung einer Studie, in der sie einen Zusammenhang zwischen den gestiegenen Gesundheitskosten und dem Dispensierrecht herstellen. Demnach erhöhten sich die Arzneimittelausgaben bei Hausärzten um 51 Prozent und bei Fachärzten um 32 Prozent, wenn diese Berufsgruppen dispensieren dürfen. Hochgerechnet führt dies zu Mehrausgaben im Gesundheitssystem von rund 300 Millionen Schweizer Franken, was etwa einem Prozent der aktuellen Krankenkassenbeiträge der Versicherten entspricht. Die Autoren hatten bereits in den vergangenen Jahren ähnliche Ergebnisse und Tendenzen veröffentlicht. Wie zu erwarten, werden die aktuellen Analysen von führenden Ärzteorganisationen als „fragwürdig und unvollständig“ angesehen. Ein Vorstandsmitglied des Ärzte-Dachverbandes weist darauf hin, dass Ärzte eine bessere Kontrolle über Art und Menge der Arzneimittel hätten. Außerdem wäre in einer Studie des Bundesamtes für Gesundheit für die Westschweiz genau das Gegenteil bewiesen worden. Dagegen halten die Berner Ökonomen, dass es in der Schweiz je nach betrachteter Region große Preisunterschiede bei den Arzneimitteln gibt.

Rx-Arzneimittel ohne Rezept

Im Rahmen einer Novellierung des Schweizer Heilmittelgesetzes soll es bald möglich sein, dass Patienten bestimmte verschreibungspflichtige Arzneimittel der Kategorie B auch ohne Rezept in der Apotheke erhalten. Die Abgabekategorien A bis E regeln im Schweizer Gesundheitssystem die Verschreibungs- und Apothekenpflicht von Arzneimitteln. Zur Kategorie B gehören u. a. orale Glucocorticoide, Kontrazeptiva, Statine und Nichtopioid-Analgetika. Welche Arzneimittel genau ohne Rezept erhältlich sein werden, steht noch nicht fest – Antibiotika werden wohl aber weiterhin verschreibungspflichtig bleiben.

Der Apothekerverband pharmaSuisse begrüßt die Gesetzesänderungen und plädiert dafür, alle häufig nachgefragten Präparate aus der Verschreibungspflicht zu entlassen. Gleichzeitig kritisiert der Verband jedoch die Absicht, dass Drogisten zukünftig eine Vielzahl von bisher apothekenpflichtigen Arzneimitteln verkaufen dürfen. |

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