DAZ aktuell

„Jeder zweiten Apotheke droht das Aus“

Tageszeitungen sehen die „Branche in der Krise“ und präsentieren Details zum Gutachten

eda | Vor zwei Wochen zitierte Deutschlands auflagenstärkste Tageszeitung „Bild“ vermeintliche Details aus dem Gutachten zum Apothekenhonorar. Dann folgten Zeitungen aus der Dumont-Mediengruppe. Anfangs ging es um die „Milliarden Euro zu viel“, mittlerweile werden vor allem die Folgen für die Arzneimittelversorgung und mögliche Reformen präsentiert.

Die aktuellste Version des ominösen Honorar-Gutachtens ist nach wie vor unbekannt. Auch einen Termin für die Veröffentlichung gibt es bisher nicht. In den Medien kursiert derzeit eine Zusammenfassung, die den Stand vom 13. November 2017 darstellt. Für die DAZ konnte Dr. Thomas Müller-Bohn das vollständige Gutachten einsehen und analysieren (siehe „Das Honorargutachten“ auf S. 11 in dieser DAZ).

Das Bundeswirtschaftsministerium hatte im Frühjahr 2016 eine im Gesundheitswesen bisher unbekannte Agentur beauftragt, ein Forschungsvorhaben zur Arzneimittelpreisver-ordnung durchzuführen. Nach mehr als 18 Monaten hätten die Ergebnisse eigentlich vorgestellt werden müssen, doch das Ministerium ließ die Daten vom Statistischen Bundesamt prüfen. Außerdem haben mittlerweile drei weitere Bundes­ministerien (Finanzen, Wirtschaft, ­Gesundheit) an dem Papier gearbeitet und wahrscheinlich einige Inhalte verändert. Seit zwei Wochen sickern nun immer mehr Details zu den vermeintlichen Er­gebnissen in der Tagespresse durch.

Foto: imago/Tillmann Pressephotos

Versandhandel empfohlen

Anfang dieser Woche wurden in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und „Berliner Morgenpost“ dann weitere Artikel veröffentlicht, die ihren Fokus mehr auf das drohende Strukturproblem legen. Aktuell geht es den Verfassern also um das „Zu­wenig“ als das „Zuviel“. Andreas Mihm, Wirtschafts­korrespondent der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, liegt ­anscheinend die vollständige ­Version des Papiers vor, aus der er ­zitiert, dass die Schließung von 7600 Hauptapo­theken und weiteren Filialen als ­„mittelfristig wahrscheinlich“ gelte. Die Leser erfahren, dass vor allem Stadtapotheken wirtschaftlich gefährdet seien, weil sie für eine Übernahme nur „eingeschränkt attraktiv“ seien. Ingesamt gelte der Befund für 47 Prozent aller Apotheken. Statt einer ­Finanzspritze von ca. 3 Milliarden ­Euro, um alle angeschlagenen Apotheken zu retten, würden die Gutachter einen mit 100 Millionen Euro dotierten Fonds vorschlagen, um die 2300 gefährdeten Landapotheken wirtschaftlich zu stabilisieren.

Weiter heißt es im Artikel, die Gutachter nähmen die Schließung Tausender Apotheken in Kauf, da sie es nicht befürworten, dass „voll ausgestattete Apotheken mit täglicher Öffnungszeit an Orten zur Verfügung [stehen], in denen weder Ärzte verfügbar sind, noch Lebensmittel eingekauft werden können“. Angestrebt würde eine Apothekendichte auf dem Niveau der Niederlande oder Österreichs. Das Versandverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel befürworten die Gutachter explizit nicht. Sie plädieren sogar dafür, dass die flächendeckende Versorgung durch zusätzlich finanzierte Botendienste und Versender aufrechterhalten wird.

Die Gutachter würden weiterhin empfehlen, dass die Apotheker nach einem neuen System und stärker nach Leistung zu bezahlen seien. Dieses System führe allerdings „in Summe zu einer deutlichen Reduzierung der Vergütung“.

Im Kommentar zu seinem Artikel beruhigt Mihm die Leser. Die Apotheker sollen „sich im Wettbewerb bewegen und bewähren“. Zwar „spielen Apotheker die wichtigste Rolle“ bei der Versorgung der Bevölkerung „mit Pillen und Pasten“, doch die „überkommene Struktur der Versorgung und einmal eingeführte Finanzierung“ sei nicht unantastbar. Er plädiert vielmehr dafür, „Effizienzprobleme zu heben“, um eine bessere Versorgung auf dem Land zu gewährleisten. |

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